Dieser Siegesplan ist insofern ein "Friedensplan", weil er wohl feststellt, dass wenn die Souveränität der Ukraine wieder hergestellt ist, die Ukraine kein Interesse mehr an der Fortsetzung des Krieges hat.
Dass die Wiederherstellung der vollen Souveränität der Ukraine das Kriegsziel Selenskyjs ist, ist allerdings nichts neues. Das hat er zuvor schon gelegentlich bekannt gegeben. Ist diese wiederhergestellt, würde das die Ukraine als Sieg betrachten.
Formal handelt es sich demnach um ein Strategiepapier, denn es werden die strategischen Ziele sowie die Wege und Voraussetzungen zu deren Erreichung genannt. Man könnte das Papier auch als Argumentationsgrundlage gegenüber den Unterstützern der Ukraine bezeichnen, mit dem denen die Begründungen dafür geliefert werden, warum sie welche Waffen liefern und freischalten sollen und welche unterstützenden politischen Maßnahmen sich Selenskyi wünscht.
Dieses Papier ist sicherlich auch im Hinblick auf die geplante zweite internationale Ukrainekonferenz als schlaues politisch-taktisches Manöver zu verstehen, zu der ja laut Selenskyj auch Russland eingeladen werden soll. Was diesen Punkt betrifft, also geschicktes politisches und mediales Verhalten, ist Selenskyj sowieso bei weitem Putin überlegen. Das bestätigt mal wieder meine schon öfters genannte Erkenntnis:
Die Ukraine hat einen Clown gewählt und einen Präsidenten bekommen. Russland hat einen Präsidenten gewählt und einen Clown bekommen.
Russland wird an dieser Konferenz nicht teilnehmen, wenn das Papier Selenskyjs als Diskussionsgrundlage dienen soll. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, teilte am Samstag in Moskau mit, dass Russland nur dann teilnehmen werde, wenn die Diskussionsgrundlage die von Putin im Juni genannten "geopolitischen Realitäten" wären. Zur Erinnerung: diese "geopolitischen Realitäten" bestanden darin, dass die Ukraine die vollständige Kapitulation akzeptiert und ihre Souveränität aufgibt, sprich von Russland einverleibt wird.
Also insgesamt gibt es nichts neues wie seit über 2 Jahren gehabt. Beide Seiten streben den militärischen Sieg als Grundlage für einen Frieden an.
Als wie realistisch erscheint er uns?
Da sich der Krieg bereits seit einiger Zeit in der Phase der gegenseitigen Erschöpfung befindet, hängt die Realisierung des Planes ganz davon ab, welcher Seite zuerst die Ressourcen ausgehen. Die Russen zehren noch von den Restbeständen in den Lagern aus Sowjetbeständen. Die eigene Fertigung sowie die Lieferungen aus Iran und Nordkorea können jedenfalls den Verschleiß an Munition und Material nicht kompensieren, sondern die vollständige Erschöpfung nur hinauszögern. Bei der Ukraine kommt es darauf an, wie lange und wie intensiv sie ihre Verbündeten zu Lieferungen anhalten können.