Bald haben wir noch mehr Grenzen der Wissenschaft....
Der nächste Großangriff auf die WissenschaftsfreiheitVon Thomas Thiel
12.08.2025
Mit einem neuen Dekret entreißt die Regierung Trump der Wissenschaft die Regie über die Vergabe von Fördergeldern. Es ist ein weiterer tiefer Einschnitt in die Forschungsfreiheit.
Die gesammelte Wut der amerikanischen Regierung auf die Wissenschaft bekam am Freitag die Universität von Kalifornien in Los Angeles zu spüren. Die Trump-Regierung verklagte sie an diesem Tag auf eine Milliarde Dollar Strafe, weil sie dem Antisemitismus auf dem Campus freien Lauf gelassen habe. Die Columbia und die Brown University haben solche Strafzahlungen in geringerem Umfang schon geleistet, um eingefrorene Fördergelder loszueisen. Auch das Widerstandsnest Harvard wackelt. Es heißt, man sei bereit für einen Deal. Die Universität hat zwar aussichtsreich gegen die Regierung geklagt. Während des laufenden Prozesses setzt Trump aber an anderen Stellen die Daumenschrauben an: bei der Zulassung und neuerdings auch beim Umgang mit Patenten.
Doch auch Trump bekommt nicht alles, was er will. Anfang August schmetterte ein Senatskomitee seinen Plan ab, den Wissenschaftsetat radikal zusammenzustreichen. Wäre er durchgekommen, hätten die National Institutes for Health (NIH) knapp die Hälfte ihres Budgets verloren und wären auf einen Torso von acht Zentren geschrumpft (heute sind es 27). Der National Science Foundation wäre es ähnlich ergangen. Stattdessen soll die NIH nun um 400 Millionen Euro wachsen. Der Senatsvorschlag hat zwar noch keine Gesetzeskraft, aber es zeichnet sich ab, dass der Kongress der Demontage der Wissenschaft nicht tatenlos zusehen will.
Forschung nach politischen PrioritätenZur Vergeltung erließ Trump ein Dekret, das der Wissenschaft die Regie bei der Verteilung der Fördergelder entreißt. Politische Beamte sollen künftig darüber wachen, dass keine Forschungsprojekte mit anti-amerikanischen Werten gefördert werden und Forschungsgelder in erster Linie an Institutionen gehen, die sich dem Gold-Standard-Plan verpflichtet haben. Das Dekret „Restoring Gold-Standard Science“ aus dem Mai nutzte noch reale Defizite der Wissenschaft, um sie durch die Hintertür politischer Kontrolle zu unterwerfen, unter dem Vorwand der Prozessoptimierung. Das neue Dekret zielt unverblümt auf ideologische Kontrolle.
Trump begründet die Verordnung damit, die National Science Foundation habe in der Vergangenheit Geld an DEI-nahe Forschung gegeben oder an solche, die den Vereinigten Staaten nichts genutzt habe. Damit soll es ein Ende haben. Punkt für Punkt wird ausgeführt, was alles nicht gefördert werden darf: Wissenschaft, die den Glauben verbreitet, es gebe mehr als zwei Geschlechter, die ethnische Diskriminierung untersucht oder die illegale Immigration fördert. Einen Peer-Review-Prozess soll es weiter geben, am Ende soll der politische Beamte dann aber ganz allein darüber entscheiden, ob der Antrag die politischen Prioritäten des Präsidenten erfüllt oder nicht. Ein Frontalangriff auf die Wissenschaftsfreiheit.
Nun stimmt es, dass Forschung zu Diversity, Equity and Inclusion nicht immer frei von ideologischen Färbungen war, die MAGA-Ideologie, die man der Wissenschaft als Gegenprogramm verordnen will, ist dazu aber nur die verzerrte Alternative. Es wird nicht der geringste Versuch gemacht, sinnvolle Maßnahmen zum Minderheitenschutz von identitärer Propaganda abzugrenzen. Sozialwissenschaftlicher Aktivismus wird als Argument benutzt, um naturwissenschaftliche Forschung zu beschneiden.
Wie bei allen Verordnungen wird entscheidend sein, ob ihre Geltung durch Klagen verhindert werden kann. Die National Institutes for Health werden ihren Auswahlprozess rasch überarbeiten müssen, um einen zweiten Förderstopp zu verhindern. Schon zu Beginn des Jahres waren sie durch einen von der Regierung verhängten Fördergeldstopp gelähmt worden. Jetzt drängt die Zeit, das Geld überhaupt bis zum Ablauf des Steuerjahres loszuwerden, damit es nicht wieder an die Regierung zurückwandert. Vierzehn republikanische Senatoren forderten die Regierung auf, der NIH dies rechtzeitig zu ermöglichen. Es scheint auch in Teilen der Republikanischen Partei noch ein Bewusstsein für den Wert einer unabhängigen Wissenschaft zu geben. Im Unterschied zur Regierung. Universitäten, die sich den Strafzahlungen der Regierung beugen und dafür Eingriffe in ihre Zulassungspolitik hinnehmen, kommen zwar wieder in den Genuss der staatlichen Fördergelder, bezahlen das aber mit doppelter Kontrolle.
Quelle: F.A.Z