True Crime Serien - sind sie moralisch und ethisch vertretbar?

Streamingdienste wie Netflix und co wissen, was die Zuschauer fasziniert. Nicht nur True Crime Podcasts, auch Serien in dem Genre werden immer beliebter. Doch auch die Kritik an ihnen nimmt zu.

gutefrage-Redaktion
10.11.2023
Ein Pinboard mit verschiedenen Bildern, wie es bei Ermittlungen genutzt wird

Diese Namen dürften inzwischen vielen Menschen etwas sagen: Jeffrey Dahmer oder auch Jens Söring. Dokumentationen über Verbrechen, in die (Serien)mörder verwickelt waren, gewinnen an Popularität. Neben den beiden genannten gibt es noch unzählige weitere Formate dieser Art auf den bekannten Streaming-Diensten.

Auf gutefrage nahm Jens Söring an einem Themenspecial teil

Die Geschichte von Jens Söring spaltet nach wie vor die Gemüter. Was steckt hinter seinem Geständnis? Ist er schuldig? Was ist tatsächlich geschehen?

Dem deutschen Diplomatensohn Jens Söring wurde vorgeworfen, im Jahre 1985 die Eltern seiner damaligen Freundin ermordet zu haben. Das Verbrechen geschah im Hause der Familie, im US-Bundesstaat Virginia.
Nach seiner Festnahme legte Söring ein Geständnis ab - welches er kurze Zeit später allerdings zurückzog. Nichtsdestotrotz wurde er verurteilt. Zweimal lebenslänglich lautete seine Strafe. Insgesamt 33 Jahre verbrachte er in US-Haft. 2019 wurde er auf Bewährung freigelassen.

Dass er unschuldig sei, hat er über all die Jahre beteuert. Auf gutefrage hatten die Nutzer schon vor einigen Wochen die Möglichkeit, ihm einige Fragen zu stellen, welche er in einem Videospecial beantwortet hat. Ihr habt das verpasst? Kein Problem, den spannenden Beitrag findet ihr hier.

Mehrere Abbildungen von Fragezeichen

Kritik an den True Crime Formaten

Spannung pur, Adrenalinrausch und das alles in dem Wissen, dass das, was gerade auf dem Bildschirm zu sehen ist, in irgendeiner Art und Weise tatsächlich geschehen ist. Psychologisch betrachtet, lässt sich die Faszination, die diese Formate ausüben, einfach erklären. Es handelt sich um sogenannte "Stellvertreter-Geschichten", einem Menschen wird etwas angetan, doch der Verbrecher erhält seine Strafe. Das Böse in der Welt wird "ausgeglichen". (Mehr dazu könnt ihr beispielsweise hier nachlesen.) Außerdem wird die sogenannte Angst-Lust erweckt - ganz zu schweigen von einer morbiden Faszination.
True Crime Formate sind entsprechend für Produzenten in der Regel gewinnbringende und lukrative Produktionen.

Genau an dieser Stelle folgt auch die Kritik. Betrachtet man beispielsweise das von Netflix ausgestrahlte Format über Jeffrey Dahmer, so lässt sich über X (ehemals Twitter) viel Kritik finden. Meist dreht sich diese um die Morbidität, die in Sendungen dieser Art anzutreffen sind - und dass komplett ignoriert zu werden scheint, wie es den Hinterbliebenen damit geht, retraumatisiert zu werden.
Auch wird zuweilen angesprochen, dass die Formate nicht tiefgehend genug seien, psychologische Hintergründe würden entweder nicht erklärt oder vereinfacht dargestellt. Verhaltensweisen von Menschen würden pauschalisiert und zu häufig geschehe eine Verherrlichung.

Auch Menschen, die Hauptbestandteil solcher Formate sind, beschweren sich. Jens Söring beispielsweise ist von der Dokumentation über seinen Fall nicht begeistert. Im Gegenteil - er bezeichnete die Serie als "nicht zufriedenstellend". Der Grund dafür: In seinen Augen wurde seine Geschichte nicht wahrheitsgemäß erzählt. Am Ende der Doku fand zudem eine Spekulation statt, die nicht einmal die damaligen Ermittler, Richter oder Staatsanwälte aufgestellt hatten.

Daumen hoch, Daumen runter

Uns hat interessiert, wie die gutefrage-Community zu True Crime Serien steht, weshalb wir in unserer Meinung des Tages danach gefragt haben.

Von Montag bis Freitag greifen wir ein aktuelles Thema auf, das die Gesellschaft bewegt. Nachdem wir bereits ein Themenspecial zu Jens Söring hatten (siehe oben), interessierte uns, wie unsere Nutzer zum moralischen Dilemma rund um True Crime Formate stehen. Viele Nutzer erklärten, dass sie große Fans solcher Sendungen seien. Doch es gab auch einige, deren Begeisterung sich in Grenzen hielt.

Nutzerin Pharmaengel erläutert, warum True Crime Serien bei ihr hoch im Kurs stehen:

Ich schaue und höre viel True Crime. Ich persönlich mag es, wenn man es sehr persönlich erzählt und viel über die Hintergründe der Opfer und Täter erfährt. Kann aber durchaus nachvollziehen, dass das für die Opfer bzw. Angehörige sehr hart sein muss und auch retraumatisierend wirken kann. Aber man will verstehen warum gerade diese Person und wieso wurde die andere zum Täter. Das ist in gewisser Weise ja auch Aufklärung.

Den Fall Jens Söring habe ich auch verfolgt und muss zugeben, dass ich seine Geschichte nicht ganz stimmig finde. Aber er war jung und hat einen Fehler begangen, entweder die Tat oder eben das Vertrauen zur Partnerin, je nachdem was stimmt. In Deutschland wäre er nach 10 Jahren Jugendstrafe auch wieder frei gewesen. Die Strafen in Amerika sind zu hart für junge unreife Menschen meiner Meinung nach.

Dennoch finde ich es suspekt, dass er daraus weiterhin Kapital schlagen will. Andererseits ist mir auch klar, dass es veruteilte Straftäter auf dem Arbeitsmarkt nicht leicht haben.

Die Melanie222 hingegen ist kein besonderer Fan:

Ich bin auch kein True Crime Fan, nicht in diesen Formaten. Interessant kann z.B. eine Dokumentation über echte Polizeiarbeit sein. Echte Fälle, gerade Mordfälle hingegen haben da für mich das Geschmäckle des reisserischen. Gerade gegenüber den Angehörigen der Opfer aber doch auch für einen Selbst. In einer Fiktion kann ich mich "wohlig gruseln lassen", bei einem echten Verbrechen das wirkliches Leid verursacht hat sollte man doch eher Emphatie zeigen und eben auch Pietät, beides lassen solche Serien vermissen.

Zur Antwort

artsymom versteht den Reiz, appelliert allerdings auch an die Filmschaffenden:

Ich bin auch kein True Crime Fan, nicht in diesen Formaten. Interessant kann z.B. eine Dokumentation über echte Polizeiarbeit sein. Echte Fälle, gerade Mordfälle hingegen haben da für mich das Geschmäckle des reisserischen. Gerade gegenüber den Angehörigen der Opfer aber doch auch für einen Selbst. In einer Fiktion kann ich mich "wohlig gruseln lassen", bei einem echten Verbrechen das wirkliches Leid verursacht hat sollte man doch eher Emphatie zeigen und eben auch Pietät, beides lassen solche Serien vermissen.

Zur Antwort

Feststellen lässt sich wohl, dass True Crime Formate auf jeden Fall eines machen - polarisieren. Wir sind uns relativ sicher, dass es nach und nach noch mehr dieser Sendungen oder auch Podcasts geben wird, da viele Menschen de Grusel-Faktor der "realen" Szenarien kaum widerstehen können. Hast Du auch eine Meinung dazu? Dann diskutier gern bei unserer Meinung des Tages mit!

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