Was sollen die UFOs in Fargo?

2 Antworten

Soweit ich gelesen habe ist es eine Anekdote an den Film "The Man Who Wasn't There". Ein Film, der ebenfalls von den Coen Brüdern stammt, genauso wie der Fargo-Film. Die Serie ist wohl voll von Anekdoten an andere Filme, aber die kenne ich scheinbar alle nicht, da ich nichts davon erkannt habe :D

Also hat es keinen "tieferen" Sinn.

dbZfighter 
Fragesteller
 29.02.2016, 19:02

Geht mir genauso. Wahrscheinlich hat die Serie auch ein älteres Publikum als Zielgruppe, welche die Filme eben kennen.

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CompSup  29.02.2016, 19:04
@dbZfighter

Zum einen das. Aber ich könnte mir auch vorstellen, dass man die Serie im Originalton, also auf Englisch, gucken muss, um viele Anspielungen zu erkennen, was ich zumindest nicht gemacht habe.

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der tiefere sinn ist gerade mit den ufo-referenzen gegeben, auch abseits der zahlreichen filmzitate und ganz in der serie immanent. insofern widerspreche ich da den meinungen vorheriger autoren. die einführung des ufos ist die radikalste metapher, um ein totales chaos, eine vollkommene entleerung jedweder deutung der geschehnisse in und um fargo zwischen den beiden banden zu illustrieren. freilich ist der betrachter kein auktorialer, der sich selbst der gesicherten fakten bedienen könnte: er ist in das rätsel eingebunden. wir selbst finden in den szenen, in denen es uforeferenzen gibt einen reflexiven verweis auf unsere eigene unfähigkeit, die geschehnisse zu deuten. dabei könnenen die geschehnisse von fargo - wie in anderen cohen-filmen auch - oft selbst als metaphern einer undeutbaren welt des wandels, die keinen platz mehr lässt für traditionelle deutungen fungieren. deutlich wird das in dem monolog des polizisten lous vor seinem haus, der unfähig ist, in der heutigen welt noch einen sinn zu erkennen oder sich anpassen zu können. traditionen der deutung und interpretationen in deren scheitern werden als postmodernistisches motiv bei den cohens immer thematisiert, vor allem gut bei no country for old men. da sagt schon der titel: hier ist kein land für leute mit ihren bestehenden erklärungen, weißheiten und ansichten. wir stehen im allgemeinen - so die metareflexion, die mit dem ufo aufgegriffen wird, vor dem problem, die welt in ihrer mannigfaltigen komplexität nicht mehr deuten zu könmnen. werteverlusst, sinnverlust, verlust zu wissen, was richtig und falsch ist. ein bekanntes element des surrealen, das gehörig tribut erhält mit der ufoszene. das ist die metaebene, doch auch der zeitkontext, der in der zweiten staffel thematisiert wird, die 70er bergen erklärungsversuche. zu dieser zeit gab es vermehrt sichtungen, der rosswell-mythos entstand hier, es gab wellen an literatur über geheime militärexperimente. an den wänden der zimmer und gebäude, die in fargo gezeigt werden, finden sich vereinzelt flyer, zettel oder zeichnungen, die mit ufos zu tun haben. zudem ist die zeit der 70er eine umbruchphase, wo immer wieder mentale neuorientierungsversuche, die von den cohens stilistisch karigiert werden, dargestellt werden. post-hippie-selbstverwirklichungsphantasien der frisösin, deren new-age-ideen eher satirisch dargestellt werden als tatsächlich sinngebend. die ideale jeder tradition, die welt neu zu verstehen, werden in der ausgehenden moderne gebrochen. deutlich und sehr radikal kommt das zum vorschein, als lous frau das arbeitszimmer ihres vaters betritt und ein sammelsorium an notizen, zetteln, zeichnungen und büchern vorfindet, die dem geiste eines frenetisch suchenden, eines obbessiv-gequälten mannes entspringen, der in verschiedensten kontexten (paleo-seti/ägyptologie/ufologie/militärtechnologie/xenotechnologie usw.) nach antworten sucht für zeichen einer sinnentstellten, zeichenübersettigten welt, die keine klare linie erkennen lässt, wie noch mit ihr umzugehen sei. eines der wesentlichsten züge der späten moderne ist zudem, dass über die entsinnlichung und dem versuch, darin orientierung zu finden, nicht gesprochen wird. die deutung wird postmodernistisch ausgeschwiegen, und so liefern, diesem zeitgeist entsprechend, auch die cohenbrüder auffällig schweigend nach diesen mysteriösen szenen wie der des arbeitszimmers keine erklärung, die in die erzählung imanent eingebunden wäre. lediglich die metaebene verweist mit zitaten und den titeln der folgen auf die hier zugrunde-liegende deutung: folge 2 (befor the law) und folge 9 (the castle) verweisen auf kafka-parabeln. sowohl in der prabal vor dem gesetz als auch in seinem unvollendeten roman "das schloss" wird das scheitern des protagonisten thematisiert, die welt sinnvoll zu deuten und richtig zu handeln. man ist einer welt ausgesetzt, in der man die radikale kontingenz ertragen muss, um schritte gehen zu können. andernfalls scheitert man am skrupolösen verhalten einer alten mentalität, sich am vermeintlich richtigen/der wahrheit usw. zu orientieren pflegte. die cohens verbinden damit thematisch die probleme unserer aktuellen weltsituation, (einer kritik an der postmoderne, am werteverlust, des ubiquitären chaos, der schnelligkeit und flüchtigkeit, des schwindenden realitätsgefühls) mit der betrachtung des surrealismus: die einzige möglichkeit ist es, die welt noch begreifbar zu machen außerhalb von deutungen und sinnkonstruktionen. nicht sie verstehen zu wollen, sondern wieder zurückzugehen zum begreiflichen (dass zwangsläufig mystische parameter birgt), das im geheimnisvollen und äthetischen außerhalb regressiver traditionen begründet ist und der progressive ausweg sein kann.