Warum hat Nettchen Wenzel doch geheiratet?

2 Antworten

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Hierzu gibt es eine Arbeit von Prof. Dr. Yomb May von der Universität Bayreuth. Ich kann dies nur aus der Sekundärliteratur zitieren, nämlich aus den Hamburger Leseheften aus der Reihe "Königs Materialien" zum Werk von Gottfried Keller "Kleider machen Leute".

Hier steht auf S. 57:

Nettchen stellt das bürgerliche Frauenbild infrage (Yomb May, 2007).

Der Dissens zwischen Nettchen und ihrem Vater ist symptomatisch für die Krise der bürgerlichen Gesellschaft. Denn mit ihrem Verlangen, nur einen "Italiener oder einen Polen, einen großen Pianisten oder einen Räuberhauptmann mit schönen Locken heiraten zu wollen" [HL S. 21, Z. 10-11] bricht Nettchen aus dem einengenden bürgerlichen Denken aus, das der Vater symbolisiert [...]

Kleider machen Leute ist die literarische Umsetzung dessen, was Keller in der Einleitung zum zweiten Band als große Veränderung beschreibt. Damit wird ein weiterer Punkt angedeutet, der eine nähere Betrachtung verdient. Dass Keller beispielsweise den von Nettchen eingeschlagenen Weg als einen unumkehrbaren Prozess einer Loslösung von der bürgerlichen Gesellschaftsordnung darstellt, zeigt sich auch darin, dass selbst der herbeigerufene Rechtsanwalt keine offene Kritik an Nettchen formuliert [...] Die gesetzlich garantierte Freiheit Nettchens [vgl. HL, S. 37, Z. 40] ist Signatur eines neuen Frauenbildes, welches das bürgerliche Frauenbild [...] in besonderer Weise infrage stellt. Während jene Figuren in einer relativ klaren Rollenverteilung leben, wobei ihre Verantwortung eher in der Familie und im Haushalt liegt, verkörpern Nettchen, Gritli und vor allem Regel Amrain den Typus kompetenter Frauen, die sich durch "männliche" Eigenschaften auszeichnen, wobei Momente wie Emanzipation, Selbstständigkeit, wirtschaftlicher Erfolg und ein wachsendes Interesse an den gesellschaftlich-politischen Veränderungen in verschiedenen Variationen zum Vorschein kommen [...]

Literaturangabe:

Yomb May: "Die Leute von Seldwyla" als Paradigma des bürgerlichen Realismus. In: Hans-Joachim Lang; Uwe Seja (Hg.): Gottfried Keller. Die Leute von Seldwyla. Kritische Studien - Critical Essays. Oxford u.a.: Peter Lang, 2007. S. 84 - 86.

Im Deutschunterricht gibts kein richtig oder falsch. Überleg dir, was DU denkst und argumentiere dies. Das reicht.

Anonym5943  22.04.2021, 08:02

Wir haben einen Aufsatz darüber geschrieben und da war genau diese Frage ich muss überlegen wie ich ein Bild hier hochladen kann...

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