Gedichtsanalyse Wichtig bitte um Hilfe?

1 Antwort

5 Jahre nach Verfassen der Antwort von hutten52 keine Stellungnahme dazu zu lesen, ist schon irgendwie ein Armutszeugnis. Diese Verblödung kann so nicht stehenbleiben. Am Ende glaubt das sonst noch jemand.

Zunächst: Niemanden interessiert, ob es für einen anderen "ein sprachlich schlechtes und inhaltlich abwegiges Gedicht" ist, solange keine nachvollziehbaren und stichhaltigen Begründungen dazu geliefert werden. Meine Ich-Blase interessiert andere erstmal nicht, nur meine Perspektiven könnten das - wenn ich sie den anderen ermögliche.

Jetzt zum Inhalt:

Wer die Biografien der durch die RAF Angegriffenen einmal anschaut, sieht bei manchen, dass 1977, also selbst über 30 Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft, von Aufklärung, Verantwortungsübernahme und juristischer Aufarbeitung nur sehr bedingt gesprochen werden konnte. Wenn einst einflussreiche Akteure des Nationalsozialismus auch im Nachkriegsdeutschland mit verfälschenden und verschleiernden Selbstauskünften "Persilscheine" (und so auch wieder einflussreiche Stellungen in der BRD) erhalten konnten, weil nun eben der "Kalte Krieg" anstand, in dem alles annehmbar zu werden schien, was 'antikommunistisch' genannt werden konnte, dann ist das eine mehr als fragwürdige Beobachtung.

Das rechtfertigt noch lange nicht die Methoden der RAF - was Fried weder mit Worten noch zwischen den Zeilen tut! In gewisser Weise könnte man sagen, er nenne die Mitglieder "von Sinnen", also verrückt geworden:

"dass sie den Sinn verloren

für das was in dieser Gesellschaft

verwirklichbar ist"

- aber eben verrückt geworden an den gesellschaftlichen Umständen). Er vermittelt uns also eher ein Bild der damaligen politischen und gesellschaftlichen Atmosphäre, die noch immer aggressiv, repressiv und autoritär war. (Das zeigt sich auch an anderer Front: bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau, bei der erbitterte Kämpfe ausgetragen wurden und letztlich auch in Gesetzen ihren Niederschlag fanden. Einen Großteil der Siebziger war die Ehefrau in der BRD rechtlich nicht viel mehr als ein Anhängsel ihres Mannes. Das sollten wir nicht vergessen im oft selbstgerechten Taumel unserer westlichen 'Zivilisiertheit'!)

Unterstellte man der RAF, ihr eigentliches Ziel sei es gewesen, die revisionistische und gewaltbereite Fratze des Staates in ihrer ganzen erschreckenden Vielfalt zu demaskieren, dann drängt sich einem fast der Schluss auf, sie hätte auf ganzer Linie Erfolg gehabt. Kein wirklicher Sieg für die RAF, dafür aber ein großer Verlust für die Menschlichkeit in diesem Staat. Heute sind wir damit beschäftigt, wiederum diese Zeit aufzuarbeiten (z.B. Stichwort: Radikalenerlass).

Wir dürfen nämlich nicht vergessen - und damit zurück zu Frieds Gedicht - dass es das Handeln des Staates BRD und seiner Justiz war, das nur behäbig (auch über die 70er hinaus!), und oft hauptsächlich getragen von bestimmten Persönlichkeiten und ihrem Aufklärungswillen, in die Gänge kam, Naziverbrechen überhaupt noch zu untersuchen und zu ahnden.

Viele Urteile muten dann auch geradezu grotesk an. Frieds Formulierung "Wieviel tausend Juden" ist keine dichterische Übertreibung: es ging in den Verhandlungen oftmals nicht um einzelne Menschenleben (wie bei der RAF), es wurde vielmehr um tausende Getötete regelrecht geschachert - um dann schonmal in einem Strafmaß von unter zwei Jahren zu münden, nicht selten auf Bewährung!) Was also an Frieds Sätzen "bösartig und beleidigend" sein soll, wie es hutten52 vorkaut, muss erst noch "erfaket" werden.

Wenn hutten52 sich zudem noch zu der Aussage erdreistet: "Wer das schreibt, weiß nicht, was ein KZ war. Letzte Strophe: Behauptung, dass ein Opfer der RAF mehr zähle als ein toter Jude in der Nazizeit", dann muss schon von einem Verleumdungsversuch ausgegangen werden.

Fried, selbst jüdischer Herkunft und Überlebender, der einen von Nazis totgetretenen Vater und eine in Auschwitz ermordete Großmutter zu beklagen hatte, zu unterstellen, er wolle eine Gleichsetzung und Aufrechnung von Opfern betreiben, ist ekelerregend und würdelos. Was er in dem Gedicht hinterfragt, ist die antikommunistische Hysterie, die die RAF als einzigen Gegner einer freiheitlich-friedlichen Ordnung gehyped hat, die rechten Altlasten und gewaltreichen Verstrickungen der Personen mit Einfluss seinerzeit jedoch verschweigen, bagatellisieren oder gleich ganz aus der Geschichte tilgen wollte. Nicht wenige Leute forderten in den Siebzigern so etwas wie ein "Recht auf Vergessen." In Anbetracht der "unbewältigten Vergangenheit" ein vielleicht verständliches, jedoch auch abwegiges Verlangen. Und dies bringt Fried in seinen Zeilen zur Sprache.

Das ganze Gegenteil von dem, was hutten52 schreibt, stimmt also für Frieds Gedicht: In einer Zeit, in der das Aufrechnen von Opfern ständig betrieben wurde, wirft er die Fage auf, warum dann über die Opfer der RAF höchst individuell (allerdings auch unpersönlich, da man ihre verbrecherische Vergangenheit ausblendete) berichtet wird, von in der Shoah getöteten Juden aber nur noch als "Massenware zum Schleuderpreis."