Zu welcher Tierklasse gehört eine Krabbe?

8 Antworten

Ja, da hast du etwas absolut falsch verstanden - bzw. folgst einem völlig veralteten Forschungsstand (der aber leider immer noch an den Schulen gelehrt wird und die jungen Leute völlig durcheinanderbringt, weil selbst Lehrer das oft gar nicht richtig verstehen, was es mit der Systematik eigentlich auf sich hat. Die Unterteilung der Tierwelt in "Klassen", wie es die sogenannte linne'sche Systematik tut, gilt heutzutage nämlich längst als überholt, jedenfalls, wenn es um die Darstellung verwandtschaftlicher Verhältnisse oder biologische Abstammung geht. Sie wird heute nur noch dann verwendet, wenn man sich speziell auf eine geschlossene Tiergruppe beschränken möchte - also z.B. als Ornithologe bloß die Vögel untersucht; oder als Jäger oder Angler die heimischen Tierarten kategorisieren möchte.

Carl von Linné, ein schwedischer Naturforscher des 18. Jahrhunderts, der dieses System einst entwickelte, hatte seinerzeit ja noch keine Ahnung vom tatsächlichen Ablauf der Evolution und konnte die Tierwelt nur aus dem Blickwinkel der Artkonstanz betrachten. Das heißt, dass er noch davon ausging, dass alle Tiere von Gott am fünften und sechsten Schöpfungstage geschaffen wurden. Dass sie sich aber stattdessen sehr langsam in vielen Millionen Jahren der Evolution aus gemeinsamen Vorfahren entwickelten und sich dabei in die heutige Artenvielfalt aufspalteten, konnte er noch nicht ahnen - und ordnete die Lebewesen deshalb nicht in Form eines Stammbaumes an, sondern in Form eines Schubladensystems, seinerzeit bestehend aus den fünf Fächern "Reich", "Klasse", "Ordnung", "Gattung" und "Art".

Dieses System reichte jedoch schon bald nicht mehr aus, die Lebewesen in übersichtlicher Weise einzuordnen. Schon wenig später kamen immer neue Schubladen hinzu, zuerst "Stamm" (zwischen Reich und Klasse"), dann Familie (zwischen Ordnung und Gattung), und dann teilte man die einzelnen Schubladen auch immer weiter auf, indem man z.B. "Unterfamilien" und "Überordnungen" einführte. Doch auch mit diesen vielen zussätzlichen Schubfächern ließ sich die ungeheure Komplexität des Lebens nicht einmal ansatzweise korrekt darstellen - zumal auch viele der Schubfächer, wie wir heute wissen, leer sind und ihr Inhalt für immer ausgestorben.

In der modernen Biologie wird deshalb ein neues Sytsem verwendet, dass nicht ein Ablagesystem mit Schubaden darstellt, sondern einen Stammbaum. Hier kann man ausgehend von den tatschlichen Verwandtschafts- und Abstammungsverhältnissen immer neue Aufspaltungen vornehmen.

Lediglich die linne'schen Begriffe "Gattung" und "Art" werden darin weiterverwendet, weil diese als einzige biologisch genau definiert sind: Alle Individuen eines Lebewesens, die untereinander fruchtbare Nachkommen zeugen können, gehören zu einer Art, Lebewesen, deren Nachkommen zwar selbst nicht fruchtbar, aber immer noch lebensfähig sind, gehören zu einer Gattung. Als Beispiel: Alle Menschen gehören zu einer einzigen Art, weil jeder männliche Mensch mit jedem anderen weiblichen auf der Welt fruchtbare Nachkommen zeugen könnte; während Löwen und Tiger bzw. Esel und Pferde zwar zur gleichen Gattung gehören, weil man sie kreuzen kann, aber ihr Nachwuchs in der Regel unfruchtbar ist.

Die anderen "Schubladenfächer" werden zum Teil zwar immer noch gelegentlich beim Namen genannt, das geschieht aber lediglich zur groben Orientierung innerhalb eines Stammbaumes. So kann man die derzeitige Artenvielfalt der Wirbeltiere zwar immer noch in fünf Klassen (Fische, Amphibien, Reptilien, Säugetiere und Vögel) einteilen, jedoch ergeben sich spätestens dann Probleme, wenn man ausgestorbene Tiere wie die Dinosaurier in das System integrieren möchte. Dinosaurier rechnet man klassisch zwar zu den Reptilien, hatten jedoch viel mehr mit den heutigen Vögeln gemein. Überhaupt stammen alle heutigen Vögel von kleinen, waldbewohnenden Dinosauriern direkt ab, womit auch jeder Vogel streng genommen ein Dinosaurier (und damit wieder ein Reptil) ist. Dinosaurier stehen also irgendwo zwischen "Reptil" und "Vogel" und lassen sich in keine Schublade hineinquetschen, weil sonst die Vögel irgendwo abgeschnitten werden würden. Bei den Fischen ist es ähnlich: Durch das ungeheure Alter der Tiergruppe ergeben sich Verwandtschaftsverhältnisse, die es völlig absurd machen, sie in eine einzige Klasse zu führen. Jeder Karpfen ist zum Beispiel mit dir als Menschen sogar enger verwandt als mit einem Hai, weil ihre Entwicklungslinie weit enger zusammenliegen. Warum sie also in einer gemeinsamen Klasse führen?

Doch selbst, wenn man immer noch von der klassischen Systematik ausgeht, ist es in jedem Fall falsch, wenn man behauptet, es gäbe nur sieben Tierklassen. Die Krebstiere sind auf jeden Fall keine eigene Klasse und gehören auch nicht zu einer anderen, sie stehen sogar als Taxon noch über der Klasse und bilden in der klassischen Systematik einen ganzen Unterstamm (Crustacea), und innerhalb der Krebstiere gibt es traditionell sogar wieder sechs eigene Klassen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Krebstiere#Systematik

Woher ich das weiß:Recherche
BlackSquareX 
Fragesteller
 12.03.2019, 17:08

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort! Verstehe das ganze System nun schon viel besser bzw. jetzt auch richtig😅

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Die Krabben (Brachyura) sind mit ca. 6800 Arten die größte Unterordnung der Ordnung Zehnfußkrebse (Decapoda). Es gibt weder eine Art "Krabbe" noch eine Art "Krebs".

Die Decapoda gehören nach Wikipedia zur Klasse Höhere Krebse (Malacostraca).

Die moderne Systematik verwendet heute keine Kategorien mehr. Das hat einen ganz banalen Grund: es gibt keinen gemeinsamen Konsens darüber, wie sich eine Kategorie überhaupt definiert. Die einzige "wirkliche" Kategorie, für die es eine feste Definition gibt, ist die Species (oder Art). Und selbst da wird es schon schwierig, einen gemeinsamen und unumstößlich gültigen Konsens zu finden, denn es gibt zahlreiche verschiedene so genannter Artkonzepte, am geläufigsten sind wohl das der biologischen Art, das phylogenetische Artkonzept, das morphologische Artkonzept, das ökologische Artkonzept, ... insgesamt sind so um die 13 (!) verschiedene Artkonzepte "im Umlauf".

Für alle anderen Kategorien gibt es dann erst recht keinen allgemeinen Konsens. Das beginnt schon bei der Gattung.

Bild zum Beitrag

Nehmen wir an, es zeigt sich bei der Verwandtschaftsanalyse zweier bisher getrennt geführter Gattungen, dass einige Arten der Gattung A näher mit Arten der Gattung B verwandt sind als mit den anderen der Gattung A. Man bezeichnet dies als paraphyletisch, was nichts anderes heißt als dass Gattung A nicht sämtliche Nachkommen eines gemeinsamen Vorfahren enthält. In dem Beispiel-Stammbaum ist dargestellt, dass die rot eingefärbte Art, die bisher zur Gattung A gestellt wurde, mit einer Art der Gattung B näher verwandt ist als mit allen anderen Arten von Gattung A. Wie kann man nun vorgehen, um dieses Dilemma zu lösen und wieder ausschließlich monophyletische Taxa zu erhalten? Man könnte zum einen einfach diejenigen aus Gattung A und B, die miteinander näher verwandt sind, als Gattung C abspalten - im Beispiel also die beiden rot eingefärbten Arten als Gattung C abzuspalten. Systematiker, die diesen Weg bevorzugen, bezeichnen sich selbst mehr oder weniger scherzhaft als "Splitters". Der andere Weg wäre, die bisher eigenständig als Gattung B geführte Gruppe komplett in die andere Gattung A einzugliedern und deren Kreis sozusagen zu erweitern. Systematiker, welche diesen Weg bevorzugen, bezeichnen sich scherzhaft als "Lumpers".
Hierbei wird aber auch schon deutlich, wie willkürlich diese ganze Geschichte ist. Um wirklich einer Kategorie zu entsprechen, müssten Gattungen immer gleich viele Stufen vom letzten gemeinsamen Knotenpunkt entfernt sein. Stellen wir uns vor, wir gehen in unserem Beispiel den Weg der Splitters und lösen das Problem durch Bildung einer dritten Gattung C. Bei den Gattungen B und C müssten wir dann bis zur Wurzel des Baums jeweils drei Stufen absteigen. Bei Gattung A aber nur zwei.

Mit allen anderen Kategorien verhält es sich ähnlich. Die Stufen sind zwar hierarchisch geordnet, um eine Kategorisierung zu rechtfertigen, müssten sie aber alle immer auf gleicher Stufe sein und das ist schlichtweg nicht der Fall. Besonders, weil es ja noch zusätzlich Unterkategorien gibt wie Unterklassen, Überfamilien, etc. und spätestens dann wird es mit der Vergleichbarkeit des Rangs nichts mehr.

Aus diesem Grund sprechen Systematiker heute nicht mehr von Kategorien, sondern wertungsfrei ohne Bemessung einer bestimmten Kategorie allgemein von einem Taxon (Mehrzahl: Taxa). Aus Gründen der besseren Übersichtlichkeit hat sich eingebürgert, davon ungeachtet noch den Begriff Gattung weiter zu verwenden. Auch die Familie und besonders bei den Insekten und Wirbeltieren Ordnung sind noch geläufig, wobei man dann meist förmlich bevorzugt auch nicht mehr von Familie sondern Familien-Taxon und nicht von Ordnung, sondern vom Ordnungs.Taxon spricht.

Um nun also die ursprüngliche Frage zu beantworten. Eine Krabbe gehört zum Taxon Crustacea (Krebstiere) und innerhalb derer zu den Echten Krebsen (Malacostraca, früher als Stamm bezeichnet). Innerhalb der Malacostraca gehört sie zu den Zehnfüßigen Krebsen (Decapoda, früher als Familie bezeichnet). Die Krebstiere gehören, wie auch die Insekten und Spinnentiere, zu den Arthropoden (Gliedertiere). Schließt man noch die Bärtierchen und die Onychophoren (Stummelfüßer) ein, so heißt dieses übergeordnete Taxon Panarthropoda.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
 - (Tiere, Biologie, Evolution)
BlackSquareX 
Fragesteller
 13.03.2019, 17:40

Danke, sehr gute Veranschaulichung!

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Das ist ein sehr stark vereinfachendes Bild der Artenvielfalt, das vielleicht kindgerecht, aber nicht wirklichkeitsgetreu ist. Tatsächlich werden von den von dir genannten Gruppen in der modernen Systematik nur noch drei (Vögel, Säugetiere und Insekten) tatsächlich als Klassen geführt. Bei den übrigen handelt es sich entweder nicht um natürliche Einteilungen (Fische, Amphibien und Reptilien) oder um weitergefasste Gruppen, die mehrere Klassen enthalten (Weichtiere).

Zur grundsätzlichen Gliederung werden im Tierreich mehrere dutzend Tierstämme unterschieden, von denen jeder mehrere Klassen enthalten kann. Unter Laien bekannt sind v.a. Schwämme, Nesseltiere, Gliederfüßer, Weichtiere, Ringelwürmer (wie Regenwürmer), Stachelhäuter (wie Seesterne) und Wirbeltiere.

Zu den weniger bekannten Gruppen zählen z.B. Plattentiere, Rippenquallen, Plattwürmer, Fadenwürmer, Moostierchen, Rädertierchen, Bärtierchen, Stummelfüßer, Kiemenlochtiere und Manteltiere, um nur die wichtigsten Stämme zu nennen.

Krabben, Langusten, Garnelen oder Edelkrebse gehören in die Klasse der höheren Krebse (Malacostraca), womit sie zusammen mit "niederen" Krebsen, Insekten, Spinnentieren und Tausendfüßern den Stamm der Gliederfüßer bilden.

BlackSquareX 
Fragesteller
 12.03.2019, 17:06

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!

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