Wird Licht in der Nähe eines schwarzen Loches gebrochen?

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo BobTheCat,

von Lichtbrechung in dem Sinne kann man im Grunde nicht reden, auch wenn sich das Licht in der Nähe schwerer Massen tatsächlich – von der Warte eines entfernten Beobachters aus betrachtet – langsamer bewegt. Das geht aus der SCHWARZSCHILD- Metrik hervor, welche eine kurze Eigenzeitspanne dτ in Beziehung zu einer kurzen Koordinatenzeitspanne (vom entfernten Beobachter gemessen) und den räumlichen Koordinatendifferenzen setzt.

(1.1) c²dτ² = c²dt²∙q² − dr²/q² − r²dΩ²

mit den Abkürzungen

(1.2) dΩ² = dθ² + sin²(θ)dφ²

Bild zum Beitrag

Abb. 1: sphärische Koordinaten (aus dem Wikipedia-Artikel)

und dem SCHWARZSCHILD- Faktor

(1.3) q² = 1 − 2𝑚⁄r = 1 − 2GMc⁻²r⁻¹,

wobei G die Gravitationskonstante und M die Masse des Himmelskörpers (der ein Schwarzes Loch (SL) sein kann, aber nicht muss) ist. Die radiale Koordinate r bezeichnet eine Kugelschale mit der Fläche 4πr², kann wegen der metrischen Verzerrung durch dieses q aber nicht als räumlicher Abstand zum Zentrum gedeutet werden. 2𝑚 heißt der SCHWARZSCHILD- Radius.

Kreisbahnen

In der SCHWARZSCHILD- Metrik – nur die kann ich z.Zt. rechnen – gilt für Kreisbahnen die Gleichung

(2) rv² = 𝑚c²    ⇔    v²⁄c² = 𝑚⁄r,

wobei in der θ = ½π- Ebene

(3) v = r∙dφ⁄dt

ist. Setzen wir für (1.1)

(4.1) c²dτ² = c²dt²(1 − 2𝑚⁄r) − r²dφ²

ein, teilt durch c²dt² und zieht die Wurzel, erhält man

(4.2) dτ⁄dt = √{1 − 2𝑚⁄r − v²⁄c²},

was für eine Kreisbahn

(4.3) dτ⁄dt = √{1 − 3𝑚⁄r}

bedeutet. Der innerste stabile Kreis ist bei r = 6𝑚. Auf einem Planeten, der dort kreiste, würden in 10 Jahren Koordinatenzeit etws über 7 Jahre verstreichen.

Allerdings wollen wir über Licht sprechen, und da ist die Eigenzeit gerade gleich 0; deshalb nennt man die Weltlinie (WL) eines Lichtsignals auch Nullgeodäte. Licht folgt also Pfaden, entlang derer in der Wurzel von (4.2) eine 0 steht. Also muss

(5.1) 1 − 2𝑚⁄r − v²⁄c² = 0

und damit

(5.2) v = c∙√{1 − 2𝑚⁄r} = c∙q.

Es gibt sogar Kreisbahnen für Photonen; man kann an (4.3) ablesen, dass sie bei r = 3𝑚 liegen.

Keine Dispersion
Die unterschiedlichen Wellenlängen der Photonen mit ihren unterschiedlichen Energien müssten doch unterschiedlich stark abgelenkt werden?

Nein. Zum Wesen der Gravitation gehört es ja, dass alle Körper unabhängig von ihrer Masse dieselbe Beschleunigung erfährt.

Darauf beruht das Äquivalenzprinzip, das die Beschreibung der Gravitation als innere Krümmung der Raumzeit überhaupt ermöglicht.

Bild zum Beitrag

Abb. 2: U ist eine Uhr, die frei im Weltraum schwebt. Ώ trennt sich irgendwann von U und beginnt, gleichförmig zu beschleunigen. Signale von U kommen zunehmend rotverschoben und zeitlich auseinandergezogen bei Ώ an. Es gibt sogar ein erstes Signal, das Ώ gar nicht mehr einholt; es markiert einen (subjektiven) Ereignishorizont (EH). Die Situation ist äquivalent dazu, als widersetze sich Ώ in einem homogenen Gravitationsfeld, in dem U frei fällt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
 - (Physik, Astronomie, Schwarzes Loch)  - (Physik, Astronomie, Schwarzes Loch)
BobTheCat 
Fragesteller
 31.08.2021, 17:59

vielen Dank für deine wissenschaftliche Ausführung !

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BobTheCat 
Fragesteller
 31.08.2021, 18:19

für den Laien etwas irreführend ist hierbei wohl auch der Begriff der sogenannten "Gravitationslinse" für ein SL. Zumindest die weitaus bekannteren optischen Linsen brechen das Licht und es gibt unterschiedliche Ablenkungen in Abhängigkeit von der Wellenlänge. Dahinter stecken natürlich zwei grundsätzlich unterschiedliche Prinzipien, letztendlich war das aber wohl die Motivation meiner Frage.

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SlowPhil  31.08.2021, 18:33
@BobTheCat

Ja, Gravitationslinsen brechen sozusagen Licht, bzw, sie verändern den Lichtweg, aber das tun sie aus anderen Gründen und auf andere Weise als Materialien das tun. Deshalb ist auch die Reduzierung der Lichtgeschwindigkeit (aus einer fernen Perspektive betrachtet) für alle Wellenlängen gleich, eben weil es Gravitation ist. Deshalb tritt auch keine chromatische Aberrationen auf wie bei normalen Glaslinsen.

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BobTheCat 
Fragesteller
 31.08.2021, 18:49
@SlowPhil

darf man dann in diesem Kontext überhaupt von "Brechung" sprechen ?

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SlowPhil  31.08.2021, 19:07
@BobTheCat

Es ist nicht üblich, weil es bei Gravitationslinsen keine scharfen Grenzen zwischen Materialien gibt.

Brechung heißt übrigens nicht automatisch, dass das Licht dabei auch farblich getrennt wird. Das liegt dann an der Abhängigkeit der Brechung von der Wellenlänge des einfallenden Lichts.

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BobTheCat 
Fragesteller
 31.08.2021, 20:08
@SlowPhil

wäre ja auch sehr fatal für jegliche Art von optischen Linsen, wenn das Licht bei der Brechung automatisch farblich aufgespalten wird. Die nicht zu vermeidenden  chromatischen Aberrationen sind schon lästig genug, weshalb man ja auch gerne auf Spiegel statt Glaslinsen ausweicht ...

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SlowPhil  31.08.2021, 21:15
@BobTheCat

Man kann das bei Glaslinsen ein bisschen unterdrücken, aber nicht komplett.

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SlowPhil  01.09.2021, 11:20

Vielen Dank für den Stern!

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Die Lichtgeschwindigkeit bleibt konstant. Das brechen des Lichts entsteht lediglich durch ein Medium durch welches das Licht hindurch muss, denn in Wasser z.b. ist die Lichtgeschwindigkeit kleiner als im Vakuum. Der Grund dafür ist, dass es im Wasser zu einer Wechselwirkung mit den Molekülen kommt. Das heißt auch da bleibt in Wahrheit dich Lichtgeschwindigkeit konstant, auch hier bewegt sich das Licht mit Lichtgeschwindigkeit fort nur aufgrund der Wechselwirkung mit dem Medium dauert es entsprechend bis das Licht wieder austritt.

Die Wechselwirkung des Lichts ist in Abhängigkeit von den Frequenzen. beim blauen Licht kommt es z.b. öfter zu einer Wechselwirkung als rotes Licht. Wenn das Licht z.b. durch ein Prisma muss, wird das rote Licht im Spektrum weniger stark gebrochen als das blaue Licht, eben weil das rote Licht weniger mit den Teilchen Wechselwirkt als das blaue Licht.

Bei einem schwarzen Loch bleibt das Medium gleich, jedoch haben wir im Raum eine Masse. Die Anwesenheit der Masse führt zu einer Raum-Zeit Krümmung. Da sich der ganze Raum krümmt, krümmt sich das Licht entsprechend mit Das Licht wird dabei allerdings nicht gebrochen, da das Licht an sich ja nicht durch ein anderes Medium geht.

SlowPhil  31.08.2021, 15:11
Die Lichtgeschwindigkeit bleibt konstant.

Bleibt sie und bleibt sie wieder nicht: Ein lokaler Beobachter würde immer c messen, aber ein entfernter Beobachter würde das Lichttempo in der Nähe von Schwarzen Löchern als geringer beurteilen. Gucksu SCHWARZSCHILD- Metrik.

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DoctorBibber  31.08.2021, 22:42
@SlowPhil

Ja die Schwarzschildmetrik kenne ich aber das führt ja nicht dazu, dass das Licht gebrochen wird. Außerdem wird Licht ja nicht dadurch gebrochen, dass das Licht langsamer wird sondern eben aufgrund der Wechselwirkung mit dem Medium.

Die Schwarzschildmetrik und die allgemeine Relativitätstheorie im allgemeinen ist auch der Grund, warum wir wenn wir den Umfang der Erde haben und wir daraus den Radius der Erde berechnen, dass es hier zu Abweichungen der tatsächlichen Werte kommt. Das heißt, wenn man ein Loch in die Erde bis zum Erdkern machen würde und so den Radius der Erde messen würde, dann würde ein anderer Wert dabei herauskommen wie als wenn wir den Radius der Erde über den Umfang der Erde berechnen wollen würden. Wenn ich das selbe auf der Sonne tun würde, dann hätten wir schon Abweichungen von 500m.

Da sich Aufgrund der Raum-Zeit Krümmung die Längen so stark ändern, muss natürlich auch die Geschwindigkeit und die Zeit selbst von außen betrachtet anders verhalten. Ansonsten würde das ja auch keinen Sinn machen.

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Nein, normalerweise nicht. Das "normalerweise" erkläre ich weiter unten und bezieht sich auch nicht auf die Gravitation, sondern hat andere Ursachen.
Ich versuche das mal ohne allzu viel Mathematik und Formeln gedanklich zu erklären:

Wenn wir mal davon ausgehen, dass das Licht, was du hier meinst, Licht unterschiedlicher Wellenlänge ist, so hätte jedes einzelne darin vorkommende Photon eine unterschiedliche Energie (E = h*f), was letztlich nach (E = mc²) mit einer entsprechenden "Masse" korreliert.

Nun erfahren alle Massen bzw. die entsprechenden "Energien" oder Energieäquivalente unter Einfluss der Gravitation (gleiche Bedingungen vorausgesetzt) dieselbe Beschleunigung. Unter dem Einfluss der erdnahen Gravitation wäre das die uns geläufige Erdbeschleunigung g = 9,807... m/s². Wenn ich also nun in einer luftleer abgedichteten Versuchsanordnung auf der Erde, gleichzeitig zwei unterschiedlich schwere Objekte, z.B. eine Feder und eine Bowlingkugel fallen lassen würde, so hätten sie exakt das gleiche Fallverhalten und würden auch exakt zur gleichen Zeit am Boden auftreffen. Das liegt daran, dass beide die gleiche Erdbeschleunigung g erfahren und zwar unabhängig von ihrer Masse. Das gleiche Experiment durchgeführt außerhalb der vakuumierten Versuchsanordnung, würde allerdings ganz anders ausgehen, die Feder würde hier nämlich viel später auftreffen als die schwere Bowlingkugel. Dies liegt aber daran, dass die vorhandene Luft hier bei der Fallbewegung nicht unerheblichen Reibungswiderstand erzeugt, der sich bei der Feder natürlich aufgrund des viel größeren Verhältnisses von Volumen/Masse deutlich stärker bemerkbar macht als bei der Bowlingkugel.

Analog zu unserem Experiment auf der Erde, hätte jedes einzelne Photon, egal welcher Energie/Masse, das gleiche Bewegungsverhalten (wenn wir davon ausgehen, dass es in der Nähe des schwarzen Loches keine Atmosphäre oder all zu viele, das Licht beeinflussende Partikel gibt).

Und jetzt wird es spannend und die Erklärung zu "normalerweise". Wir gehen hier von idealen Bedingungen aus, das heißt um das schwarze Loch gibt es weder Atmosphäre noch sonst irgendwelche störenden Partikel. Jetzt nehmen wir aber mal an, dass von dem schwarzen Loch große Mengen an Gasen und Partikel jeglicher Art schwirren und "aufgesogen" werden, und nahe dem Ereignishorizont soweit verdichtet werden, dass dies mit einer "Atmosphäre" gleichzusetzen wäre. Das das schwarze Loch streifende Licht in der Nähe des Ereignishorizonts würde also vom Vakuum vorübergehend in ein anderes Medium übergehen und danach wieder austreten. Ähnlich wie beim Passieren von Licht durch ein Prisma, wäre es durchaus plausibel, hier eine Lichtbrechung zu beobachten.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
Von Experte Ralph1952 bestätigt

Auch in der Nähe eines Schwarzen Lochs breitet sich Licht gradlinig aus, allerdings in einer gekrümmten Raumzeit. Der Fachausdruck für den Weg ist Geodäte. Es erfolgt keine Brechung des Lichts, daher ist die Wellenlänge egal.

BobTheCat 
Fragesteller
 30.08.2021, 21:14

das klingt plausibel, danke

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BobTheCat 
Fragesteller
 31.08.2021, 12:52

Zu den Geodäten habe ich noch eine Frage. Definitionsgemaß sind sie ja auf einer gekrümmten Oberfläche die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten. Wenn Licht nun stets den Geodäten folgen würde, dann würde es ja auch stets dem Schwarzen Loch auch jenseits des Ereignishorizonts entkommen. Ich kann mir gerade jedenfalls nicht vorstellen, dass es keine Geodäten gibt, die den Ereignishorizont NICHT passieren können. Das wäre doch aber ein Widerspruch?

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ThomasJNewton  31.08.2021, 16:52
@BobTheCat

Eine Geodäte kann auch um ein Schwarzes Loch herumführen. So ergibt sich (in etwa) eine Hyperbelbahn, das SL wirkt als Gravitationslinse. Wenn der Ereignishorizont überquert wird, dann ist Schicht im Schacht, heißt niemand weiß, was dahinter passiert. Man muss auch beachten, dasss die RaumZEIT gekrümmt ist, die Zeit steht dort von außen betrachet still. Bei "Riemannsche Geometrie" werfe ich schon vorsorglich das Handtuch.

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BobTheCat 
Fragesteller
 31.08.2021, 18:13
@ThomasJNewton

du hast das Wort Gravitationslinse erwähnt. Das war für mich auch letztendlich die irreführende Motivation für meine Frage, denn optische Linsen brechen ja auch Licht.

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Ein Photon mit mehr Energie hat auch mehr Masse (Trägkeit), mit der es sich der Ablenkung widersetzt. Das gleicht sich exakt aus.

Die Umlaufzeit eines Satelliten der Erde hängt ja auch nur vom Bahnradius und nicht von seiner Masse ab.