Wieso werden böse Menschen fast nie bestraft?

7 Antworten

Niemand traut sich, unmenschliche Gesetzte durchzubringen, denn das wäre wiederum selbst unmenschlich. Alles, was man unter "Ethik und guter Erziehung" verbuchen müsste, ohne dass jemand anderes jetzt ernsthaft zu Schaden kommt, will man nicht strafrechtlich bewerten, denn dann wäre man nicht anders als eine Sekte oder ein totalitäres Regime.

Die Wahrnehmungen der Menschen sind zu unterschiedlich, als dass sich irgendjemand anmaßen dürfte, über Gut oder Böse eines Charakters einfach so zu urteilen und dann sogar noch eine legislative & judikative Durchsetzung dafür in die Wege zu leiten.

Insofern gilt es weiterhin: Wer sich mehr rausnimmt, hat auch oft mehr. Richtig beobachtet.

Einen Punkt allerdings würde ich gerne noch anmerken: Jeder Schlag an Charakter zieht auch den gleich Schlag an anderen Menschen an. Das heißt auch: Auf Dauer finden empfindsamere Menschen auch andere empfindsamen Menschen, mit denen sie ein sehr viel herzlicheres Leben führen und genießen können. Währenddessen müssen sich skrupellose und egoistische Menschen sehr oft unter ihresgleichen durchschlagen. Für mich ist das Grund genug, selbst aufgeschlossen und hilfsbereit mit meinen Mitmenschen umzugehen. Auf Kurz oder Lang kommt das alles immer wieder zurück.

Derrenfer 
Fragesteller
 28.10.2017, 11:42

Hallo - und danke für deine ausführliche Antwort. Ich gebe mir Mühe, meine wichtigen Antwortpunkte zu geben:

1. Was du in den ersten Absätzen schreibst sehe ich nicht so. Ich denke es gibt objektivierbare Werte, an denen man "gut" und "schlecht" auseinanderhalten kann, ganz nach https://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Fromm.

2. Demnach kann ich auch deiner Folgerung, die die Lage diagnostiziert, analytisch zwar zustimmen (Ist-Diagnose), muss diese aber verwerfen. Es muss möglich sein, Mindeststandards an menschlichem Verhalten aufzustellen und ihre Durchsetzung rechtlich zu erzwingen.

3. Oder einen Haufen Hilfloser, die sonst nichts finden, an denen diese Leute sich dann ausleben können. Was oft geduldet wird von führender Stelle, was imho Korruption ist.

4. Ansonsten finde ich den Gedanken mit der Reziprozität inspirierend und hoffe, dass er stimmt.

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User16495  28.10.2017, 11:55
@Derrenfer

Da will ich gar nicht diskutieren und Dir einfach recht geben. Ich bin auch der Meinung, dass aus der Psychologie inzwischen sehr gute Indikatoren herrschen, welche eine Beurteilung (beispielsweise auch auf dem Entstehenden "Leid der Opfer") zulassen würde.

Allerdings bleibt dort wieder die Frage offen: Wer maßt sich an, diese Richtlinie wirklich zu ziehen? Viele Charaktereigenschaften sind ja auch bis zu einem gewissen Punkt vererbbar. Dazu gehören Aggressionspotential, Suchtverhalten, Libido, etc.. wie willst Du also für sowas gerechte Normen schaffen?

Für Straftaten wie Körperverletzung ist unser Maßstab der entstandene Schaden für den Gegenüber. Wer soll diesen Maßstab für psychischen Schaden festlegen und inwiefern sollen Menschen mit "schlechter Genetik" dann gleich behandelt werden, wenn sie zur Einhaltung ja wesentlich mehr Disziplin und Selbstbeherrschung bräuchten (was übrigens dauerhaft auch keine gute Auswirkung auf die psychische Entwicklung hat).

Und gerade mit Fromm würde ich doch sehr aufpassen. Ähnlich wie Kant oder sonstige Vorreiter der heutigen Psychoanalyse, betrieben diese (sicher sehr intelligenten und in vielen Punkten korrekten) Menschen eine Pseudowissenschaft, die zwar dem Diskurs gedient hat, aber noch weit entfernt waren von Neurowissenschaften und anderen komplexeren Zusammenhängen, bei denen heutige Forscher selbst sagen, dass sie erst einen kleinen Bruchteil verstehen können.

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Derrenfer 
Fragesteller
 28.10.2017, 12:15
@User16495

Moin,

du sprichst da imho  etwas sehr Interessantes an. Natürlich wäre es schön, wenn wir sozusagen eine "Naturwissenschaft des Menschen" hätten, die sich Psychologie nennt.

Leider erfüllt die Psychologie diese Aufgabe nicht, sondern fungiert nur noch als Recyclinganlage des Kapitalismus. Ich denke nicht, dass die Neurowissenschaften die "wahren" Zusammenhänge im "Gehirn" je ergründen (Punkt 1) und ich denke nicht, dass die Neurowissenschaften ihre gesellschaftlichen Grenzen sprengen können, so dass sie letztlich zu Dienern eines Systems werden, in dem es nur darum geht, den Entrechteten und Ausgegrenzten einen Platz darin zuzuweisen - und sei es als "unbrauchbares Behandlungsgut" - das in Deutschland nur nicht ermordet wird, weil wir den Weltkrieg verloren haben. Aber "gesellschaftlicher Mord(!)" - das ist hier doch Alltag.

Siehe Koch und wie er psychiatrische Gutachten gegen Steuerfahnder missbraucht hat.

Den Psychologen und Psychiatern würde ich nicht mal die Verantwortung anvertrauen, auf mein Fahrrad aufzupassen, aus Sorge, es "korrigiert", also völlig ruiniert, wiederzubekommen. Wie siehst du das?

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User16495  28.10.2017, 12:35
@Derrenfer

1. Nein, ich glaube auch nicht, dass die Neurowissenschaften irgendwann die Lösungsformel für alles ergründen werden, nicht mal ansatzweise. Ich finde aber dennoch alle neuen Ergebnisse interessant und faszinierend, mit ein wenig Beschäftigung in der Materie begreift man sich als Mensch nochmal anders. Ob das ein Vorteil ist, kann ich nicht sagen, aber mich zieht diese Art von Weltbetrachtung auf eine komische Art und Weise an.

2. Ja, ich verstehe was Du meinst. Praktische, psychologische Arbeit ist sehr oft ein Schubladenstecken mit Quantitäts-Throughput. Das schreibe ich aber mehr dem Gesundheitssystem als den Therapeuten zu, die (zumindest zu Beginn des Berufes) oft durchaus idealistisch und motiviert herangehen wollen, bis sie merken, dass es so nicht funktioniert.

3. Psychologen und Psychiater (im Gegensatz zu Therapeuten) sind da nochmal ein Sonderfall und ich denke, dass diese Menschen schon aufgrund ihrer Arbeit irgendwann nur noch mit Kalkül und recht emotionslos denken. Schon allein aus Selbstschutz. Man macht eben seinen Job und fragt sich nach einer gewissen Zeit gar nicht mehr, warum man was eigentlich behandelt - gerade der Psychiater. Ein etwas provokatives Buch, dass ich mal dazu gelesen habe: https://www.amazon.de/Irre-behandeln-Falschen-Problem-Normalen/dp/3442156793/ref=sr\_1\_1?ie=UTF8 (allerdings ist Lütz schon ein unseriöser Sensationsautor. Mich hat das Buch trotzdem oft Schmunzeln lassen.)

Insgesamt würde ich mich aber auch irgendwelchen gesetzlichen Grenzen oder dergleichen nicht beugen wollen. Ich weiß, dass in mir als Mensch unglaubliche verworfene, perverse, gesellschaftlich komplett verachtete Eigenschaften leben, die ich nur unterdrücke (mehr unbewusst durch Erziehung etc. als bewusst).

Ich denke mir oft, wie viel davon wieder an die Oberfläche käme, wenn man in Armut, eventuell obdachlos oder in Kriegsgebieten leben würde, wo das gesellschaftliche Konstrukt um einen das Bröseln beginnen würde.

Meine Meinung ist, dass wir Menschen auch in unserer heutigen Gesellschaft und Kultur noch extrem einschränken und geißeln, dass uns die Leistungsgesellschaft und die enorm viele Reglements der modernen Welt viele Schranken setzen, die wir schon als gottgegeben hinnehmen.

Ein intelligenter, provokativer Autor übrigens, der in seinen Romanen immer wieder solche "verstörten/verstörenden" Charaktere in unsere Gesellschaft wirft und an der Fassade kratzt: Helmut Krausser.. Thanatos ist beispielsweise ein tolles Buch von ihm, falls Du an sowas auch Gefallen findest.

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Es ist sicher nicht so, dass solche Menschen immer "Glück" haben. Das ist die Erfahrung, die du offensichtlich gemacht hast. Heisst aber nicht, dass es die Realität ist.

Ich bin Christ, und glaube deshalb an einen gerechten Gott, auch wenn wir dies nicht immer sichtbar ist für uns. Manchmal wartet er mit der Bestrafung, vielleicht sogar bis nach dem Tod solcher Menschen. Aber jeder Mensch muss sich früher oder später vor Gott rechtfertigen - davon bin ich überzeugt.

Es werden die gefuehllosen, dem Ziel verpflichteten Menschem ueberall gepuscht, obwohl du natuerlich genau weisst, dass damit die Gesellschaft auf kurz oder lang vor die Hunde geht.

Das hat damit zu tun, dass die Masse der Menschen gelenkt wird, alle die, die gar nichts zu melden haben.

Wir wollen ihnen ja nicht einen Platz fuer Menschlichkeit geben, das wuerde zu einem Zwergenaufstand fuehren, deswegen haben wir uns fuer die Herrschermethode entschieden, die nichts in Frage stellt und akzeptiert.

Die Boesen sind im Grunde Handlanger ihrer boesen Herren, die auch so erzogen worden sind, sie haben keine Wahlmoeglichkeit mit den Sklaven umzugehen, deswegen werden sie bevorteilt, wo immer es geht.

Das Gute, Frieden wollende, wird immer in Frage gestellt, einfach nur, damit du auch morgen das Boese als Richtschnur akzeptierst!

Was meinst du mit purgen? Dieses Wort kenne ich nicht.

Charakterschweine kommen oft mit ihrer Masche durch, weil viele Menschen es einfach finden ihnen nachzugeben, statt sich mit ihnen auseinanderzusetzen.


Derrenfer 
Fragesteller
 28.10.2017, 11:32

Beseitigen. Also stimmt es doch: Während die Guten die Wange hinhalten, erobern die Bösen die Welt.

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TroIIinger  28.10.2017, 11:37
@Derrenfer

Beseitigen.

Dann schreib das doch bitte. Hier sind Leute aus allen Teilen Deutschlands (teils sogar von außerhalb) unterwegs. Da kannst du nicht voraussetzen, dass alle deinen Dialekt verstehen.

beseitigt werden Menschen von manchen autoritären Regimen und in manchen weniger entwickelten Teilen der Welt, wo Lynchjustiz noch vorkommt. Diese Praxis wir nicht umsonst geächtet. Hier in Deutschland haben wir das zum Glück überwunden. Wer hier noch jemanden beseitigt, gilt zu Recht als Mörder.

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Derrenfer 
Fragesteller
 28.10.2017, 12:00
@TroIIinger

oh, jemandem 200 km für einen Job umziehen und dann, im neuen Wohnort kaum angekommen, grundlos auf die Straße setzen, aus purem Sadismus - das ist auch "jemanden beseitigen". Und das gilt nicht als "Mord".

"To purge" ist englisch :). Ich mag das Wort.

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TroIIinger  28.10.2017, 12:13
@Derrenfer

"To purge" ist englisch :). Ich mag das Wort.


Wenn du willst, dass man dich versteht, bleib doch zumindest innerhalb eines Satzes bei der selben Sprache.

das i st auch "jemanden beseitigen".

Nein, denn diese Person ist ja nicht beseitigt. Zudem zieht man ja auch nicht wegen einem Job um, ohne irgend eine Art Beschäftigungsgarantie zu haben, außer man gehört zu den Menschen, die vollkommen unkritisch alles mit sich machen lassen.
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Derrenfer 
Fragesteller
 28.10.2017, 12:16
@TroIIinger

Im Vertrag stand drin, dass er nur zum 31.01. aufgelöst werden kann. Ich hatte das so verstanden, leider bin ich kein Rechtsexperte (gewesen).

Jo, ich bleibe beim Deutschen, danke für den Hinweis :).

ps: Konkret kannte ich das nicht http://www.lexexakt.de/glossar/bluepenciltest.php 
und die Klausel war unwirksam. Sehr geschickt von denen, oder?

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TroIIinger  28.10.2017, 12:21
@Derrenfer

Es ist doch nichts neues, dass es Leute gibt, die versuchen, einen übers Ohr zu hauen. Warum sollte man wegen einem Vertrag umziehen, der einfach so aufgelöst werden kann? Ganz ohne irgendwelche Garantien betreibt man doch nicht so einen Aufwand.

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Derrenfer 
Fragesteller
 28.10.2017, 12:25
@TroIIinger

Korrekt. Im Vertrag stand drin "Aufgrund der besonderen Art dieses Arbeitsverhältnisses kann dieses nur zum 31.01. und 31.07. gekündigt werden.".

Diese Klausel widerspricht einer anderen, die Arbeitsrichterin wandte die "Blue-Pencil-Rule" an, die Physiker wie ich natürlich auch kennen müssen, und hat die Klausel einfach quasi für nichtig erklärt. Ohne diese Klausel wäre ich nie hingezogen.

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Derrenfer 
Fragesteller
 28.10.2017, 21:29
@TroIIinger

dass ich dann auch zu anderen Terminen konsequenzenfrei gefeuert werden kann. Ist ein bisschen kompliziert, aber darum geht es mir auch generell nicht, sondern darum, dass diese Umspringensweise mit jemandem, der einfach nur seine Arbeit macht, wie er sie gelernt hat, nicht rechtens sein sollte.

Ist sie aber anscheinend doch mit etwas vertraglicher Kreativität.

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Weil das Leben nicht gerecht ist und es kein Karma gibt.

Aber ich kann dir eines versprechen: "Böse" Menschen sind nicht glücklicher. Und im Leben geht es letzten Endes nur darum: Man will glücklich sein. Also kannst du ganz beruhigt sein, die sind sicher nicht glücklicher und sind deswegen genug gestraft.