Wieso ist "westliches" Yoga im Vergleich zu indischem Yoga so unvollkommen?
Hi. Seit einiger Zeit lese ich Bücher, die sich mit hinduistischer Philosophie und Spiritualität befassen. Meditation und Yoga sind da wesentliche Bestandteile.
Nun habe ich mir eine deutsche Übersetzung des Yogasutra besorgt. Das Buch ist, vereinfacht gesagt, die Grundlage des Yoga, ein jahrtausende alter Leitfaden. Dabei ist mir sofort aufgefallen, dass das "alte", indische Yoga sich völlig von dem unterscheidet, was man hier im Westen unter diesem Begriff kennt.
Ich habe ein paar Freundinnen, die Yoga-Kurse besuchen. Die berichten mir häufiger, dass da teilweise extrem anstrengende körperliche Übungen gemacht werden. Auch auf Instagram gibt es hin und wieder solche "30-days-yoga-challenges", bei denen die verrücktesten Körperhaltungen praktiziert werden. Die Teilnehmer schwören sogar darauf, dass Yoga beim Abnehmen und späteren Muskelaufbau hilft.
Nur: nichts von alledem entspricht dem eigentlichen Sinn von Yoga! Es geht eigentlich um etwas vollkommen anderes. Das, was man hier im Westen lernt, sind "Asanas" - die Körperhaltungen. Beim Yoga geht es aber auch um Philosophie, Meditation, Selbstbeherrschung, rechte Lebensführung, gesunde Atmung, Umgang mit negativen Emotionen... Kurz, es ist ein körperliches und seelisches Rundumprogramm, keine Fitness-Technik. Der Autor des Yogasutra, ein indischer Weiser namens Patanjali schreibt, das Ziel von Yoga sei es, den Geist zur Ruhe zu bringen. Von Gewichtsabnahme oder Muskelaufbau schreibt er nichts.
Warum wird bei den Yogakursen nur eine so abgespeckte Version dieser hochinteressanten Lehre angeboten? Gibt es auch im Westen "richtige" Yoga-Programme, die auch den philosophisch-spirituellen Teil beinhalten? Oder wird Yoga bei uns wirklich nur als Sportart verstanden?
14 Antworten
Yoga ist aus Indien hierher "importiert" worden. Was hier dann damit gemacht wurde, spiegelt die Struktur und die Interessen unserer Gesellschaft wider. Es findet vorwiegend das Verbreitung, was von unserer Gesellschaft angenommen und nachgefragt wird. Es besteht hier kaum Interesse und Nachfrage nach dem philosophisch-spirituellen Teil, deshalb "verkümmert" der hier. Unsere Gesellschaft ist materialistisch geprägt. Alles, was sich mit Messgeräten erfassen lässt, wird geglaubt. Gewicht, Muskelmasse und Kondition lässt sich nachmessen. Aber spirituelle und emotionale Qualitäten wie Selbstbewusstsein, Empathie, Liebe, Mitgefühl, Ethik usw. ist den Materialisten zu wenig konkret. "Gott ist tot" ist gesellschaftsfähig geworden.
Dennoch gibt vereinzelt auch "richtige" Yoga-Kurse, z.B. https://www.bghh.de/gruppen/yoga-fuer-koerper-und-geist/
Ich möchte noch anmerken, dass ich deine Aufklärungsarbeit durch die ausführliche Fragebeschreibung sehr gut finde. Ich finde es schade, dass die Asanas so stark herausgelöst wurden aus dem spirituellem Zusammenhang, der doch m. E. das Kostbarste des Yoga ist. Es ist gut, wenn jemand wieder daran erinnert.
Dankeschön für die netten Worte :) ... Mich hat es fast schon erschrocken, als ich in der Bhagavad Gita von "Karma-Yoga" und ähnlichen Begriffen gelesen habe. Ich wusste überhaupt nicht, dass Yoga mehr als nur die Asanas umfasst, weil ich davon in westlichen Medien noch nie etwas erfahren habe.
Wenn die Frage das Thema bei manchen interessierten Lesern etwas mehr ins Bewusstsein rückt, dann ist das sicher nichts Schlechtes :)
Hallo Indecisive,
Tja von Philosophie, Meditation, Selbstbeherrschung, rechte Lebensführung, gesunde Atmung, Umgang mit negativen Emotionen, davon wollen viele nichts wissen, weil es sehr konträr zum westlichen üblichen Lebensstil steht.
Aber ich gebe Dir ganz darin Recht, dass wir in der westlichen Welt es gerade notwendig hätten, uns mit genau diesen Dingen zu beschäftigen. :-)
Gerade weil wir so gehetzt sind, unklar über unsere Emotionen sind, Leistungsdruck & Konkurrenzdenken haben, gerade da wäre echtes Yoga heilsam! :-)
Ein Yoga Lehrer sagte mal: Dass, was wir im Westen an Yoga machen würden, wäre ein "Affenzirkus" ;-)))
Ich für mich finde meine Antworten und die Weisheiten zwar im christlichen Glauben, aber vom Yoga nehme ich gerne die Meditation mit, das entspannte tiefe Atmen, um den Geist zur Ruhe und Entspannung zu bringen, in dieser unruhigen Welt. :-)
Ich kann dir nur in vollem Umfang zustimmen. Schade, dass viele Menschen die Essenz des Yoga garnicht erfassen können. Dabei kann die Beschäftigung mit diesem Thema sehr heilsam und erfrischend sein.
Ja, die Gründe, dass es so viele Menschen nicht erfassen sind leider vielfaltig ... es macht manchen Menschen Angst ... oder sie bekommen Schuldgefühle und halten diese nicht aus ... oder sie suchen noch die Anerkennung Ihrer Eltern, und sie passen sich daher "deren Denkmuster" an, auch fehlt die Offenheit, um sich auf etwas Neues einzulassen....
Es fängt schon bei der Erziehung an, wie offen oder wie verschlossen sich ein Mensch entwickelt.... :-)
Ich vermute, dass es die Selbstablehnung ist, warum sich kaum jemand für spirituelle Praxis interessiert. Dabei müsste man sich nach innen wenden, die Leute kämen mit sich selbst in Kontakt. Weil sie sich mit bestimmten Persönlichkeitsanteilen nicht ertragen können (oder mögen), wird die Aufmerksamkeit lieber auf äußere Dinge gelenkt, z. B. auf Musik, Gespräche, Handy, Zeitung. Auch jede Sucht ist der Versuch, von sich selbst abzulenken.
Hallo Reigel, vielen Dank für Deinen wertvollen Kommentar, :-) Ich finde Du bringst es damit noch besser auf den Punkt: Genau, die "Selbstablehnung" ist eigentlich die tiefere Ursache. :-)
Das hast du sehr schön geschrieben.
Es gibt auch hier zum Beispiel Zen-Yoga-Kurse.
Aber du hast recht, verbreiterter ist das Power Yoga. Vermutlich weil man auch da etwas erreichen möchte, statt in seine Mitte zu kommen.
Ich denke jeder muss selbst wissen was ihm gut tut und noch viel wichtiger ist, man macht etwas in Gemeinsamkeit statt jeder in seiner Stube vor einem Kasten.
Da hast du Recht. Ich verurteile es in dem Sinne auch nicht. Aber wenn (insbesondere bei Instagram) das Yoga zu einem Hochleistungs-Wettbewerb verkommt, frage ich mich schon, was das eigentlich mit dem ursprünglichen Sinn zu tun hat.
Aber so lange man damit weder sich selbst noch anderen Menschen Schaden zufügt, ist es schon in Ordnung :)
Der wirkliche Sinn ist da tatsächlich nicht mehr vorhanden, da gebe ich dir Recht.
Meine Schwiegertochter ist Yogalehrerin, sie nahm tatsächlich in kurzer Zeit sehr viel ab, so dass ich mir zuerst schon Sorgen machte ob sie eine Essstörung hat. Aber es war tatsächlich das Power-Yoga.
Sie findet darin ihren Ausgleich, eben machte auch den Lehrer und gibt nun selbst Kurse. Für sie stimmt das, es macht ihr Spass und fühlt sich wohl und das Ganze nur mit einer Matte ohne klotzige Geräte.
Ich glaube es ist wichtig, dass man etwas tut oder gefunden hat, wo man dabei bleibt, weil es einem persönlich gut tut
Nur dass eben diese Körperübungen nichts mit dem zu tun haben, was Yoga ist und bedeutet; so werden die Menschen getäuscht.
Da stimme ich dir redlich zu, es sind zwei verschiedene Sachen....jeder kann wählen welchen Weg er geht....Wir leben ja auch immer noch im alten Testament....also Auge um Auge, Zahn um Zahn............wie Weisheiten aufgenommen werden, kann dem der den Schatz darin fand, wirklich egal sein, denn sonst, wenn man sich stört daran.....ist man gefangen , statt zu sehen, welche anderen Früchte aus etwas entstehen könnte.
Die Kraft die jeder einzelne schöpfen kann, zeigt nur, wie umfassend, wohltuend diese Lehre ist....eben nicht belehrend, sondern etwas woraus du Kraft schöpfen kannst die, zugeschnitten ist auf das wo du dich darin findest und wohl fühlst.
Selber mache ich kein Yoga, wobei vor 25 Jahren war ich in einem Kurs und lernte da , wie ich alle Muskeln entspannen kann, vom Scheitel bis an die Fusssohle...ich schlief immer fast ein,...nein ich schlief schon nicht aber jede Faser war entspannt.
Es ist wirklich Gigantisch, wie du erst merkst wie Verkrampft du bist, wenn du einen Muskel nach dem Anderen, mit sage ich auch mal wieder westlichen Auslegung der Technik lösen kannst.
Selber bin ich Atheist für die Meisten..........ich habe allerdings sehr viel Ehrfurcht vor der Natur, denn sie ist für mich Gott......ich lebe in seinem Garten und wir tun schon grad sehr pubertär, unbedacht, denken wären klüger als das , wo man sich unsinnig aufhält über einzelne Probleme.
Es ist nur wichtig, dass du weisst, wie die Natur funktioniert....weise Lehren helfen dir nur, wenn du weisst wie du sie anwenden kannst und jeder ist anders, darum urteile ich darüber nicht.
Und die Lehre mit Yoga was sogar so gut, auch wichtig, dass sie im Westen.
Fuss fasste.......eher auf Power........nur warum auch nicht
Hier steht ja der Aspekt der Fitness im Vordergrund!
Lg
unsere Kultur ist die des Geldes immer meeeeeeehr , und Gelassenheit ist uns so fern wie China....
sich darauf einlassen müssten wir mindestens 6 Monate im ärmsten ind. Osten leben.
Nur dann würden wir gezwungener Maßen lernen was DEMUT uns Bescheidenheit ist.
Und dann offen und leer sein.....und Platz haben für NEUES !
Ja, die Erklärung wirkt für mich auch immer plausibler, je mehr ich die Antworten hier lese. Dabei haben die spirituellen Techniken des Hinduismus durchaus messbare Ergebnisse. Bei der Meditation ist es inzwischen weitgehender Konsens, dass sie beruhigend, konzentrationsfördernd und stressreduzierend wirkt.
Selbst die Mantra-Technik, die früher als esoterischer Humbug verschrien war, hat inzwischen die Aufmerksamkeit von Neurowissenschaftlern erregt. Es wird davon ausgegangen, dass gewissenhafte Mantra-Praktik bestimmte Denk- und Empfindungsmuster rekonditionieren kann. Damit kann zum Beispiel das Selbstbewusstsein in schwierigen Situationen verbessert und sogar leichte Depressionserscheinungen bekämpft bzw. eingedämmt werden.