Wie wird eine verufte Sekte zu einer anerkannten Kirche?

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Liegt dieses daran, dass Adventisten mit anderen Kirchen zusammenarbeitet und ihre Glaubenslehre den anderen Kirchen angepasst hat

Im Prinzip ja.

Zwischen 7-Tags-Adventisten (STA) und evangelischer Kirche hat es in den 70-er Jahren Gespräche gegeben. Anfang der 80-er habe ich in einer Broschüre darüber gelesen. In den Gesprächen wurden Missverständnisse ausgeräumt, etwa haben die Adventisten klargestellt, dass die Schriften von E.G. White nicht als unfehlbare göttliche Prophetie angesehen werden. Wie weit dabei auch die Lehre der Adventisten "angepasst" wurde, entzieht sich meiner Kenntnis.

Als Konsequenz wurde die Polemik der Adventisten gegen andere Kirchen ruhiger, und sie STA nicht mehr als Sekte angesehen.

Andere adventistische Gruppen (die aber im Vergleich zu den STA ziemlich klein sind) gelten immer noch als Sekte. Ob alle anderen, weiß ich jetzt aber nicht ...

und kann dieses Schicksal auch Zeugen Jehovas zu Teil werden

Wenn sie die Trinitätslehre anerkennen, sich nicht mehr als die einzige wahre Kirche sehen, und einige weitere Dinge mehr: ja. nur ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass sie sich so entwickeln.

Beide Religionsgemeinschaften sind in gleicher Epoche in Nordamerika entstanden.

Die Adventisten sind älter, stammen aus den Resten einer Massenbewegung und waren nach innen stets freikirchlich-demokratisch organisiert, die ZJ sind eine "theokratische" Organisation, die eher nach "Befehl und gehorsam" funktioniert.. Der Gründer der ZJ (die damals noch "ernste Bibelforscher" hießen) hat zwar einige Gedanken von Adventisten übernommen, aber nie direkt Kontakt mit denen gehabt. Und während die Adventisten den Fehler der Miller-Bewegung, das Datum der Rückkehr Jesu zu berechnen, sviw nie wiederholt haben, haben die ZJ immer wieder Termine genannt. zunächst einen sichtbare Rückkehr im Jahr 1914 (40 Jahre nach einer angeblich unsichtbaren Rückkehr im Jahr 1874), dann ein weniger präzises Datum ("Millionen jetzt lebender Menschen werden nie sterben"), ich erinnere mich noch an "bevor die Generation von 1914 stirbt", ob die heute schon wider eine "Termin" haben, weiß ich nicht.

Also: der Weg, den die ZJ zurücklegen müssten, ist deutlich weiter als bei den STA.

Was soll denn eine "anerkannte Kirche" sein? Anerkannt durch wen?

Was die staatliche Perspektive angeht: Artikel 9 des Grundgesetzes garantiert allen Deutschen, das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden, sofern sie dabei keine strafbaren, verfassungsfeindlichen oder gegen die Völkerverständigung gerichteten Absichten verfolgen. Niemand muß diese Vereine und Gesellschaften "anerkennen".

Was vielleicht manche mißverstehen: Eine Religionsgemeinschaft kann auf Antrag als "Körperschaft des öffentlichen Rechts" anerkannt werden, so wie die Handwerkskammer für Unterfranken und das Bayerische Rote Kreuz. Das ist eine rechtliche Angelegenheit, nicht anders als wenn man einen "e.V." oder eine "GmbH" gründet, was man als Kegelclub oder Dönerbudenbetreiber ja tun oder auch lassen kann. Niemand käme auf die Idee, deshalb von einem "anerkannten Kegelclubs" oder "anerkannten Dönerbuden" zu sprechen.

Die Idee, eine Kirche als solche müsse "anerkannt" (oder, was ich auch schon hörte: "offiziell") sein, entstammt der in Deutschland hinter uns liegenden Zeit des autoritären Obrigkeitsstaates, der vielfach mit privilegierten Staatskirchen verfilzt war. Eine Verfilzung, die lange anhielt, z.T. bis heute oder bis in jüngste Vergangenheit (Italien und Spanien mit dem Katholizismus, skandinavische Staaten mit lutheranischen Staatskirchen, Großbritannien mit der anglikanischen Kirche, das zaristische und Putin-Rußland mit der Russisch-Orthodoxen Kirche)

Artikel aus Brockhaus unter Religionsgesellschaften:

Vereinigungen, deren Mitglieder sich zu einer gemeinsamen Religion bekennen und die gemeinsame Religionsausübung pflegen. Die Rechtsstellung der Religionsgesellschaften in Deutschland bestimmt sich nach Artikel140 GG. Man unterscheidet Religionsgesellschaften mit privatrechtlicher und solche mit öffentlich rechtlicher Stellung (z.B. die katholische Kirche, die evangelische Kirche in Deutschland). An den öffentlich-rechtlichen Status ist die Befugnis zur Steuererhebung geknüpft. Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet innerhalb der gesetzlichen Schranken ihre Angelegenheiten selbst. Gleichgestellt werden den Religionsgesellschaften die Vereinigungen, die sich der gemeinschaftlichen Pflege einer Weltanschauung widmen.

In Österreich garantiert Artikel15 Staatsgrundgesetz 1867 den gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsausübung und die selbstständige Ordnung und Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten im Rahmen der allgemeinen Staatsgesetze. In der Schweiz ist die Freiheit auf Eintritt in beziehungsweise Austritt aus Religionsgenossenschaften in Artikel49 Bundesverfassung gewährleistet. Religionsgenossenschaften können sich im Rahmen der privatrechtlichen Ordnung frei zusammenschließen und organisieren. Nach kantonalem Recht haben bestimmte Religionsgenossenschaften öffentlich-rechtlichen Status.

Ferner muss sie wohl außer einer best. Anzahl auch eine Stifterreligion sein.

Unter "neue Religionen" heißt es weiter:

Ider Neuzeit (v.a. seit Mitte des 19.Jahrhunderts) entstandene religiöse Bewegungen. Typologisch kann man zwischen den aus einer ganz bestimmten Religion aufgrund von Sonderoffenbarungen beziehungsweise der besonderen Autorität einzelner Lehrer- und Führerpersönlichkeiten erwachsenen Sekten und den Religionsgemeinschaften unterscheiden, die verschiedenartige religiöse und kulturelle Überlieferungen zu einem neuen Religionssystem verbinden. Im europäisch-nordamerikanischen Kulturkreis wurden dabei v.a. Elemente östlicher Religionen und Weisheitslehren aufgenommen (Anthroposophie; New Age; Theosophische Gesellschaft; transzendentale Meditation). Nach der Mehrheit ihrer Anhänger wurden einige von ihnen in den 70er-Jahren (religionswissenschaftlich nicht korrekt) Jugendreligionen genannt. Prägend für Lateinamerika ist die Vermischung christlicher (katholischer) Vorstellungen mit Elementen afrikanischer Stammesreligionen (Umbanda, Wodu). In Afrika entwickelten sich spezielle Formen eines »schwarzen Christentums« (Kimbangische Kirche; Kimbangu). Auf dem Boden des schiitischen Islam entstand als neue Religion die Bahai-Religion, in Asien (Korea) vor christlichem Hintergrund die Vereinigungskirche.

Schöne Frage übrigens^^.

Du bist falsch informiert. So etwas wie eine "anerkannte Kirche" gibt es in Deutschland und den meisten anderen Ländern gar nicht. Mir ist auch keines bekannt in dem es sowas gibt!

Der Status "Körperschaft öffentlichen rechts" hat nichts mit der Religion zu tun, sondern mit den Organisationen die dahinter stehen. Es geht hier nur um rechte/Pflichten zwischen Staat und Organisation.

Der Begriff Sekte wurde zudem von diversen Organisationen als schlecht dargestellt und zu dem verharmlosenden Begriff "Glaubensgemeinschaft" geändert. Aber das ändert nichts daran, dass diese von dir genannten Gruppen weiterhin als Sekte tituliert werden dürfen. Gerade im Beispiel Zeugen Jehovas, auf die jegliche Defintiion des Wortes Sekte passt, darf man meiner Meinung nach nicht mit so einem scheinbar harmlosen Wort wie Glaubensgemeinschaft bezeichnen. Damit erstellt man nämlich ein falsches Bild.

Es stimmt, dass dieser Begriff meist negativ verwendet wird, aber er ist nunmal treffend. Es zu verharmlosen ist falsch. Das gleiche wäre es, wenn man sagen würde, dass das Wort "Kinderschänder" durch "Kinderliebhaber" ersetzt werden müsste, weil sich ersteres zu negativ anhört. Es IST aber nunmal Negativ, also beschreibt etwas negatives. Warum soll man das dann ändern?

Benutze ruhig weiter den Begriff Sekte, denn er passt einfach! Verniedlichungen lassen schnell aus den Augen verlieren wie destruktiv, gesellschaftsfeindlich und unmenschlich diese Gruppierungen sind.

Teilweise wird es auch damit zusammenhängen, dass es mittlerweile unterschiedliche Formen von Sekten gibt, wie z.B. Scientology, die für sich selbst etwas eigenes darstellen oder auch so Alien-Selbstmord-Sekten. Das man damit nicht verknüpft werden will ist klar. Sinnvoller wäre es nun, solchen Sondergruppen einen neuen Begriff zuzuordnen anstatt anderen Sekten diesen Begriff zu entziehen.

Sie stellen es so dar, als wären sie anerkannt oder gleichgestellt mit den großen Kirchen. Das ist aber eine Lüge! Sie haben damit lediglich einen neuen Rechtsstatus erwirkt, der ihnen in erster Linine Steuerliche Vorteile bietet. Es geht also nur ums Geld und ums Inmage!

Zeugen Jehovas werden nur sehr unwahrscheinlich den Kirchen oder anderen Sekten angepasst werden. Denn damit würden sie ihre ganze Basis zerstören.

Aristokrat1  02.08.2013, 07:57

Ich darf hier insoweit etwas richtig stellen und aufklären. Die röm. katholische Kirche und die EKD sind Körperschaften mit einem entsprechenden Rechtsstatus aufgrund eines Staatsvertrages. Der Rechtsstatus einer Körperschaft unterscheidet sich schon von dem eines Vereins. Aufgrund dieses Schverhaltes gelten sie aber schon als staatlich anerkannt. Desweiteren spricht man von "anerkannten" Kirchen, die in der Ökumene zusammenarbeiten und sich somit gegenseitig als solche anerkennen.

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wildcarts  02.08.2013, 09:22
@Aristokrat1

Das ist so nicht richtig. Es gibt definitiv keine "annerkannte Kirche" in Deutschland. Natürlich unterscheiden sich diese Rechtsformen, aber sie haben nichts mit der Religion zu tun. Es gibt genauso andere Körperschaften. Es bezieht sich lediglich auf dir Form, nicht aber auf den Inhalt dieser Gruppen. Daher ist die Aussage, man sei als Religion anerkannt defintiv falsch. Sie sind als Organisation anerkannt, aber das kann für die Mitglieder egal sein, weil es nur organisatorische Auswirkungen hat.

Die Anerkennung in der Ökumene ist untereinnander gegeben, aber nicht seitens des Staates. Der DARF sich darin gar nicht einmischen per Verfassung!

Die RKK und die KD haben aber als einzige Kirchen einen besonderen Vetrag mit dem Staat, aufgrund ihrer Machtstellung in der Vergangenheit. Aber auch das hat nichts mit ihren Inhalten zu tun, sondern ist nur auf politischer Ebene eine Sonderstellung. Sie dürfen daher in Ethikkommissionen und bei bestimmten Dingen ihre Meinung einfließen lassen, haben aber keine Entscheidungsgewalt sondenr nur eine Beraterstellung.

Und DAS trifft eben nicht auf Sekten oder kleinere religiöse Gruppen zu.

Von einer "anerkannten Kirche" zu sprechen mag in Fachkreisen möglich sein, aber in der Allgemeinheit davon zu sprechen verwirrt nur. Aus diesem Grund nehmen die meisten Zeugen Jehovas z.B. an, sie dürfe man nun nicht mehr als Sekte bezeichnen, weil sie eine "annerkannte Religionsgemeinschaft/Kirche" seien. Und das ist nunmal nicht korrekt.

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Aristokrat1  02.08.2013, 19:33
@wildcarts

Ich habe auch nicht von Religion oder Glaubensinhalten gesprochen, sondern aufgrund des Staatsvertrages von einer "Anerkennung" geredet.

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Was kennzeichnet eine Sekte?

Der Glaube an eine absolute Führerfigur, an einen Guru, an einen Erlöser

Die Lehren einer solchen Gemeinschaft sind nicht hinterfragbar - es herrscht ein massiver Gruppenzwang auf die einzelnen Mitglieder.

Der Glaube das man in einer solchen Gemeinschaft einem elitären Zirkel angehört. Alle anderen Kirchen und Glaubensrichtungen werden nicht anerkannt (man kann als evangelischer oder katholischer Christ vor Gott nicht existieren) - die anderen kommen alle ausnahmslos in die Hölle - nur die eigene Gemeinschaft nicht...

Dann kommen noch intransparente Firmenbeteiligungen und Wirtschaftsunternehmen dazu. Irgendwie müssen sich diese Sondergemeinschaften ja auch finanzieren....

Der Bhagwan-Gründer besass schließlich 99 Rolls-Royce.

Bei den 7-Tage-Adventisten sind im Laufe der Zeit diese extremen inneren Strukturen weggefallen - das machte es ihnen leichter innerkirchliche Anerkennung zu erfahren.

LA

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Habe eine theologische, kirchliche-diakonische Ausbildung.
helmutwk  03.08.2013, 11:32

Bei den 7-Tage-Adventisten sind im Laufe der Zeit diese extremen inneren Strukturen weggefallen

Hat es die jemals gegeben? halte ich auf Grund der Geschichte für unwahrscheinlich. hast du Belege für problematische "innere Strukturen" bei den STA?

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Linuxaffiner  05.08.2013, 10:23
@helmutwk

In der Gründerzeit dieser Gemeinschaft, so um 1863 in den USA, gab es bei den Siebentage-Adventisten Bestrebungen die Endzeit zu berechnen. Sie haben versucht anhand der Offenbahrung das zweite Wiederkommen Christi auszurechnen. Von dieser Endzeitberechnung sind sie allerdings abgekommen. Ebenso wie das Festhalten an altmosaischen Gesetzen. Außerdem sind sie Gastmitglieder in der Arbeitsgemeinschaft der christlichen Kirchen, auch wenn sie die Aufnahme kindergetaufter Christen ablehnen, und ihre Mitglieder zur Erwachsenentaufe zwingen. Und sie erkennen jetzt auch andere Kirchen an.

Das erleichterte ihnen den Dialog mit den etablierten Großkirchen. Die STA würde ich jetzt nicht als Sekte betrachten, sondern als eine Freikirche mit eigenen Glaubens, und Gemeindestrukturen....

Quelle - Friedrich Wilhelm Haak aus der Münchner Reihe - die STA....

LA

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helmutwk  05.08.2013, 11:49
@Linuxaffiner

In der Gründerzeit dieser Gemeinschaft, so um 1863 in den USA, gab es bei den Siebentage-Adventisten Bestrebungen die Endzeit zu berechnen.

Genauer: das war vor der Gründungszeit der Adventisten, zur zeit der Millerbewgung.

Erst als klar war, dass die Berechnung falsch war, kam es zur Entwicklung, die zum Adventismus führte.

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