Wie war es in der DDR aufzuwachsen?

12 Antworten

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In einem Schifferdorf mit 2 weiteren Geschwistern, der Vater im Februar 1945 gefallen, musste unsere Mutter ihren Laden alleine schmeißen, der noch als Kolonialladen bezeichnet wurde, weil er Furz und Feuerstein führte bis hin zu Brikett und Koks.

Ich wurde bei meinem Großvater groß, nach der Schule gleich weiter bei ihm in die Lehre, denn er hatte ein Baugewerbe. Die Jugendzeit war unbeschwert, die Einschulung wurde mit 42 Schüler vorgenommen, etliche noch zurückgestellt, weil es schon zu viele waren. Heute existiert schon lange keine Schule mehr, es gibt keine Kinder, die Jungen Leute sind der Arbeit nachgezogen. Soviel dazu, allerdings die Jugendzeit war unbeschwert mit Freunden wurde viel unternommen, hauptsächlich mit den Fahrrädern waren wir unterwegs, die Elbe Baggerseen usw. waren unsere Reviere.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
zetra  29.12.2021, 08:18

Danke für den Stern.

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guenterhalt  28.09.2022, 19:55

erst heute drauf gestoßen.

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zetra  28.09.2022, 21:06
@guenterhalt

Da werden Erinnerungen wach, von wegen Pioniermärsche jeden Tag.

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guenterhalt  28.09.2022, 22:49
@zetra

So wie sich eben ein Wessi die DDR vorstellt. Jeden Tag um ein Bild von Ulbricht, später Honecker tanzen

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RealChrist  02.10.2022, 11:37
@guenterhalt

Anscheinend stellt sich ein Ossi so einen Wessi vor. Das denken scheint beschränkt zu sein.

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guenterhalt  02.10.2022, 12:00
@RealChrist

Denken ist da ja auch nicht notwendig. "einen Wessi" schränkt schon ein, dass es nicht alle sind. Fragen und Meinungen einiger meiner Arbeitskollegen ab 1990 waren schon haarsträubend. Die haben tatsächlich all das geglaubt, was sie gesagt haben.
Da hast Recht. "Das denken scheint beschränkt zu sein."

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Ich war 11 als die Mauer fiel.

Meine ersten 3 Lebensjahre lebten wir in einer 3-Zimmer Wohnung - einem Altbau ohne integriertes Badezimmer im Zentrum einer Kleinstadt.

Die Toilette befand sich auf dem Hof, zum Waschen gab es ein separates Waschbecken in der Küche und gebadet wurde in der Waschküche, die sich ebenfalls auf dem Hof befand und wofür man Wasser für die Wanne erwärmen musste.

Da ich noch klein war, kam ich aber nicht mehr in den Genuss der ''Sanitäranlagen'' (Töpfchen und Kinder-Plastikbadewanne sei dank). Meine Eltern und meine große Schwester gingen aber häufig bei meinen Großeltern duschen oder baden, die nebenan wohnten und sich auf eigene Faust ein kleines Badezimmer intalliert hatten.

Das Schlafzimmer meiner Eltern war ein Durchgangszimmer und meine große Schwester (3 Jahre älter) und ich teilten uns das Kinderzimmer.

Als meine Uroma verstarb erbte mein Vater ihr Haus. Das war allerdings sehr klein und schon recht alt, sodass meine Eltern es aus- bzw. nahezu neu bauten.

Ich erinnere mich daran, dass es keine klassischen Arbeiter auf der Baustelle gab, sondern alles von Freunden und Nachbarn gemacht wurde -eben jeder den Bereich von dem er Ahnung hatte und Abends saßen alle im Rohbau und haben Muddern's belegte Brötchen gegessen und sich ein Feierabendbier gegönnt.

Ich mochte die Stimmung, weil wir Kinder auch (nach unseren Möglichkeiten) mithelfen durften.

Meinen 4. Geburtstag feierte ich dann bereits im neuen Haus. Ich hatte nun ein eigenes Zimmer und wir hatten ein richtiges Bad. Dazu einen großen Garten und direkt vor der Türe einen Spielplatz, wo sich jeden Abend sämtliche Kinder aus der Nachbarschaft trafen und zusammen spielten.

Ich erinnnere mich generell kaum drinnen gespielt zu haben. Ich war irgendwie immer draußen unterwegs. In der Nähe gab es ein kleines Wäldchen in dem wir häufig Buden bauten für die uns die Nachbarn öfter Utensilien gaben (alte Zaunteile, Planen etc.).

Jeden Sommer fuhren wir für 3 Wochen in den Urlaub. Meistens an die Ostsee nach Markgrafenheide. Das war von der Arbeit meines Vaters aus. Dort wohnten wir in einem Wohnwagen auf einem großen Campingplatz. Ich war sehr gerne dort.

Nach dem Urlaub ging es dann meistens noch 2 Wochen ins Ferienlager. Mir kam das als Kind immer sehr weit weg vor - später merkte ich, dass wir keine 2km von zu Hause weg waren :D

Den Rest der Ferien verbrachten wir zu Hause. Da beide Eltern berufstätig waren, gingen wir zum Mittag meistens zu den Großeltern, die die Straße runter wohnten oder aber fuhren mit dem Rad zum See und verbrachten den ganzen Tag dort.

Mit 6 wurde ich eingeschult. Ich ging gerne zur Schule und hatte gute Noten ohne mich groß anstrengen zu müssen. Über die Schule gab es dann verschiedene Möglichkeiten an Aktivitäten teilzunehmen. Ich entschied mich für Sport und Chor, sodass ich 2 Nachmittage in der Woche jeweils damit beschäftigt war.

An einem dritten Tag ging ich dann zur Musikschule und lernte verschiedene Instrumente spielen.

Mittwochs nach der Schule war immer Pioniernachmittag. Da traf sich die Schulkasse dann zu Keksen und Kakao und bastelte oder musizierte.

Kurzum- ich war fast jeden Wochentag nach der Schule (sinnvoll) beschäftigt und ich hatte Spaß an den Aktivitäten.

Manchmal wurde ich mitten im Unterricht von meiner Mutter abgeholt. Das war meist, wenn es Cordhosen gab. Die gab es nicht immer und sie waren meistens schnell vergriffen, weshalb es total normal war, wenn die Eltern ihre Kinder kurz aus dem Unterricht holten um eine Cordhose o.ä. zu kaufen.

Meine Mutter arbeitete bald nur noch halbtags, sodass ich nach der Schule dann zu ihrer Arbeit ging und dort noch eine halbe Stunde wartete bis sie Schluss machte und wir nach Hause fuhren. Sie arbeite in einem Dienstleistungskombinat als Lohnbuchhalterin. In dem Gebäude gab es auch eine Reparaturwerkstatt für Spielzeuge, zu der es mich natürlich besonders zog.

Die Angestellten dort waren immer sehr nett und kümmerten sich solang um mich, bis meine Mutter fertig war.

Manchmal bekamen wir was man allgemeinh als Westpaket bezeichnete von meiner Großtante, die in Westberlin wohnte. Die Pakete rochen immer ganz besonders. Nach einer Mischung aus Kaffee und Waschpulver. So roch es auch im Intershop zu dem wir manchmal fuhren, wenn meine Eltern etwas ''Westgeld'' von meiner Großtante bekommen hatte.

Der Intershop war gut 30km entfernt und manchmal fuhren wir nur dahin um eine Stange Kaugummi zu kaufen. Schon krass, wenn man sich das heute so überlegt. Aber man freute sich eben über solche Kleinigkeiten.

Von der Mangelwirtschaft bekam ich als Kind nicht so wirklich viel mit, bis auf das mit den Klamotten, aber das war für mich normal. Weil es wenig individuelle Kleidung gab, war Handarbeit sehr gefragt. Meine Oma war Näherin - sie nähte uns vieles und meine Mutter strickte uns Pullover, sodass wir schlussendlich doch individuell kleiden konnten.

Zu Essen gab's reichlich und da es auf dem Land keine Konserven gab, war das Essen immer frisch zubereitet und regional. Heute würde man Bio dazu sagen.

Ich habe nach der Wende wohl nie wieder so gesund gegessen wie in meiner Kindheit.

Natürlich darf das Bananen-Klischee nicht fehlen. Die gab es 1-2 Mal im Jahr bei uns und weil jeder nur eine bestimmte Menge bekam, stellten sich alle Familienmitglieder einzeln an.

Ich hatte alles in Allem eine sehr unbeschwerte und glückliche Kindheit in der DDR. Auch meine Eltern schienen damals sorgenfrei und zufrieden mit ihrem Leben, wenngleich es sicherlich nicht einfach war gerade als gebaut wurde, mit 2 Kindern + Vollzeitjob und heute weiß ich natürlich auch wie schwer es teilweise war die ganzen Baumaterialien ran zu kriegen.

Aber ich hatte nie das Gefühl, dass sie gestresst oder sorgenvoll waren.

Es war zudem völlig normal, dass wir von Anfang an allein zur Schule gingen. Auch wenn wir Freunde treffen wollten, wurde mangels Telefon eben dorthin gelaufen und gefragt ob die Freunde da sind und Zeit haben. Wenn nicht lief man eben wieder zurück. Undenkbar heutzutage, aber völlig normal als ich ein Kind war (zumindest drohte kein Bewegungsmangel).

Mit der Wende brach diese kleine Welt für mich zusammen. Von heute auf morgen waren meine Außerschulischen Aktivitäten gestrichen. Kein Sport mehr, kein Chor mehr, Musikschule wurde so teuer, dass es sich meine Eltern, die zudem beide ihre Arbeit verloren dann nicht mehr leisten konnten. Auch der jährliche Ostseeurlaub war dann nicht mehr möglich. Ich weiß noch, dass ich beim letzten Mal Urlaub Rotz und Wasser heulte und mir Sand vom Strand als letzte Erinnerung mit nahm.

zetra  29.09.2022, 09:12

So sieht es aus, aber negative Berichte werden bevorzugt, denn es kann doch nicht wahr sein, das jemand in der DDR zufrieden sein konnte. Gruss, zetra.

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earnest  29.09.2022, 10:09
@zetra

Woher weißt du, wer was "bevorzugt"?

Die Fragestellung jedenfalls war neutral.

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RealChrist  02.10.2022, 11:59
@zetra

Zufrieden ja, aber auf dem Niveau der 1950er Jahre.

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earnest  29.09.2022, 10:11

Danke für deine so lebendige Schilderung.

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Giovanni47  02.02.2023, 21:54

Für mich ein sehr interessanter Beitrag. Ich habe 1972 einen Bürger der DDR in Budapest kennen gelernt. Ich habe ihn in den Folgejahren dreimal in der Hauptstadt besucht. Er hat stets für ein interessantes Programm gesorgt. Ich habe ihm den Zwangsumtausch abgegeben und ihm beim Abschied einen Betrag in Franken für den Intershop gegeben.

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Darf ich Dir dazu DAS Buch schlechthin empfehlen?

Titel: Aufgewachsen in Ost und West: 64 Geschichten für eine wirkliche Wiedervereinigung

Herausgeber: Katrin McClean & Torsten Haeffner

Autoren: 38 Autoren aus der ehemaligen BRD und DDR

ISBN: 3967890082

In diesem Buch wirst Du autobiographische Geschichten finden, von Menschen, die genau das erzählen, wie es war - wie man eben aufgewachsen ist diesseits und jenseits der Mauer. Die meisten Geschichten stammen tatsächlich aus dem "Osten" und schildern Erlebnisse, welche unwiederbringlich in der Zeit verloren sind und von einer DDR berichten, welche weit mehr gewesen ist als "Die Partei" und ihre Organisationen.

Es gibt auch Geschichten von Berührungspunkten zwischen Ost und West - und Erzählungen, wie es nach der Wiedervereinigung weiter gegangen ist für die Menschen.

Ein äussert intressantes Buch und sicherlich interessanter Lesestoff für jeden, der gerne mal gewusst hätte, wie es "drüben" so war - oder ob die Wessis wirklich alles nur kapitalistische Systemfeinde gewesen sind.

Achja - ich habe inzwischen einige "gelernte" DDR-Bürger persönlich kennengelernt (in ihrem natürlichen Umfeld - sprich in ihrer Heimat) und musste feststellen: Es gibt vieles, was man uns Wessis nicht erzählt hat damals.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Menschlichkeit ist mein persönlicher Grundsatz!

Zum Aufwaschen nahm man Fit und Wasser. Geschirrspülmaschien gab es ja nicht.

Mir Interessiert, wie ist es in der DDR aufzuwachsen, wie war eine typische Kindheit in der DDR und wie war die DDR allgemein?

Es gab in der DDR noch nicht einmal Internet. Das können sie die Jugendlichen von heute gar nicht vorstellen. Und Handies gab es auch keine. Allerdings hat das auch keiner vermisst das es das ja noch nie gegeben hatte. Wenn man Glück hatte, gab es einen in Nachtbarschaft, der ein Telefon hatte.

Gibt es etwas was in der DDR besser war als aktuell bei uns in der Bundesrepublik ?

Die Leute waren freundlicher und netter und hielten mehr zusammen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
matrix791  26.02.2022, 23:14

stell dir vor- in der BRD gab es auch kein Internet und Handy- lach

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Silo123  11.06.2023, 07:35
@matrix791

Und im Westen nahm man statt Fit Pril und Wasser. Dollster Unterschied: die Prilblumen, die eine regelrechte Modeerscheinung waren und sonstwo hingeklebt wurden.( Wer die nicht mehr kennt: das waren ablösbare Aufkleber auf den Prilflaschen)

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Rotfuchs716  11.09.2022, 00:02

Internet gab Ende der 80er auch im Westen nicht! Handys waren auch erst nach dem Mauerfall auf dem Markt. Das allererste Mobiltelefon (grösser als ein Kofferradio zum Preis von umgerechnet 5000 Euro) wurde 1988 auf der SICOB Messe in Paris vorgestellt.

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Das Aufwaschen in der DDR musste mit Leitungswasser, mit stinknormalem Leitungswasser erfolgen. Die hatten ja nichts.

ichweisnix  19.02.2022, 14:35

Also Geschirrspülmittel gab es schon.

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matrix791  26.02.2022, 23:13

und wie wäscht du dich heute? gehst du jedesmal vor dem Duschen zum Getränkemarkt und holst dir Adelholzer Sanf ?

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