Wie hätte Caeser den Konflikt mit den Helvetier friedlich lösen können?

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Von Experte Neugier4711 bestätigt

Ein Krieg der Römer mit den Helvetiern ist damals leicht vermeidbar gewesen.

Gaius Iulius Caesar hätte Streitfragen mit den Helvetiern friedlich lösen können, wenn er Frieden mit ihnen gewollt hätte und nicht Anlässe für einen Krieg in Gallien gesucht hätte.

Der Krieg wurde erst durch Caesars Reaktion auf den Auszug der Helvetier ausgelöst. Seine Darstellung verfolgt den Zweck, sein Vorgehen zu rechtfertigen und gegenüber einem römischen Publikum darzulegen, er habe einen (regel)gerechten Krieg (lateinisch: bellum iustum) geführt.

Gaius Iulius Caesar hat offenbar gezielt eine Auseinandersetzung gesucht, um mit einem gewonnenen Krieg, Eroberungen und Beute etwas leisten zu können und seine politische Stellung zu sichern und auszubauen.

Als Konsul im Jahr 59 v. Chr. hatte Caesar sich mehrfach auf harte Weise durchgesetzt und Gegnern von ihnen als demütigend empfundene Niederlagen zugefügt. Er hatte beachtliche Gegner unter den Optimaten (Anhänger einer auf den Senat gestützten Politik mit einer Vorherrschaft der Nobilität, der Spitzengruppe der politischen Führungsschicht), die ihn anklagen und wegen Gewaltmaßnahmen verurteilen wollten. Caesar drohte das Exil und das Ende seiner politische Karriere, wenn es ihm nicht gelang, eine hervorragende politische Position einzunehmen (als Privatmann konnte er angeklagt werden, dagegen solange er ein politisches Amt ausübte, nicht).

Nach Wertmaßstäben der römischen Gesellschaft brachten insbesondere bedeutende militärische Leistungen Ansehen/Ehre/Würde/Prestige (lateinisch: dignitas) und Autorität (lateinisch: auctoritas). Erfolgreiche militärische Unternehmungen boten zusätzlich auch Chance auf finanziellen Gewinn, der Caesar Machtmittel vergrößern konnte.

Diese Umständ legen nahe: Gaius Iulius Caesar suchte eine günstige Gelegenheit zu einem Konflikt, bei dem er in einem größeren Krieg Erfolge erzielen konnte.

Möglichkeiten für Caesar zur friedlichen Lösung und Vermeidung eines Krieges (zu verschiedenen Zeitpunkten):

1) Erlaubnis eines Durchzugs durch die römische Provinz Gallia transalpina für die Helvetier

Gesandte der Helvetier haben Caesar um die Erlaubnis eines Durchzuges durch die römische Provinz gebeten und erklärt, dabei keinen Schaden anrichten zu wollen. Caesar hielt sie zunächst mit der Mitteilung hin, er werde sich Bedenkzeit nehmen, traf Gegenmaßnahmen und lehnte dann ab. Helvetische Versuche einer Flussüberquerung über die Rhône (lateinisch: Rhodanus) haben die Römer zurückgeworfen (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 7 – 8). Caesar hätte auch die Erlaubnis zum Durchzug durch ein kleines randliches Gebiet der römischen Provinz geben können, bei starkem Wunsch nach Absicherung dann zum Beispiel unter Garantien der Helvetier und Römer zum gegenseitigen friedlichen Verhalten.

2) Verzicht auf Propaganda über schlimme Übeltaten der Helvetier beim Durchzug durch das Gebiet gallischer Stämme und Vormarsch des römischen Heeres mit überfallartigen Angriff

Der Wahrheitsgehalt der Aussagen über schlimme Übergriffe der Helvetier ist äußerst zweifelhaft. Geringfügige Schäden sind denkbar, darüber hinausgehende Übergriffe wenig glaubwürdig. Die Helvetier hatten durch Vermittlung des Haeduers Dumnorix von den Sequanern Durchzugserlaubnis durch ihr Land bekommen, wobei sie sich gegenseitig Geiseln für Wohlverhalten stellten (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 9, 3 - 4). Gewalttaten der Helvetier auf dieser Strecke werden nicht berichtet. Es ist nicht einleuchtend, dass sie im Land des mit ihnen befreundeten Haeduers Dumnorix plötzlich sehr viele schlimme Übeltaten begangen hätten. Eine Behauptung über schlimme Verwüstung und Raub bei den Allobrogern steht in Widerspruch zu einer eigenen Angabe Caesars, die bei den Allobrogern reichlihen Getreidebesitz voraussetzt. Die Berichte über Übeltaten und Bitten um stammten allem Anschein nach von mit Caesar zusammenarbeitenden römerfreundlichen Galliern wie dem Haeduer Diviciacus. Caesar bekam so einen Vorwand, in angeblich nötiger Hilfeleistung für römische Verbündete kriegerisch vorzugehen. Zur Beibehaltung von Frieden hätte Caesar zurückhaltender handeln können, eine unabhängige Überprüfung der Aussagen zulassen und nicht sofort einen Angriff beginnen.

3) Unterlassen kaum zumutbarer ungerechter und demütigender Forderungen an die Helvetier

Nach einem Überfall der Römer auf die Helvetier, bei dem sie viele töteten, schickten die Helvetier Gesandte, die sich bei friedlicher Behandlung bereit zeigen, sich an einer von Caesar festsetzten Stelle anzusiedeln. Caesar verlangte für einen Frieden von den Helvetiern, Geiseln zu stellen und den Häduern und ihren Verbündeten und den Allobrogern Entschädigung zu leisten (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 13 – 14). Eine Einigung kam so nicht zustande und als die Helvetier aufbrachen, verfolgte Caesar sie. Caesar hat seine Forderungen so hoch getrieben, dass sie für die Helvetier nicht gut zumutbar waren. Es war gar keine Überprüfung vorgesehen, ob die Helvetier tatsächlich einen solchen Schaden angerichtet hatten. Es war vorhersehbar, dass die Helvetier dies als ungerecht und demütig empfanden. Die Forderungen kamen einer völligen Unterwerfung nahe. Ein Unterlassen so weitgehender Forderungen hätte eine friedliche Lösung bringen könne.

tendenziöse Darstelung bei Caesar

Caesar selbst nennt als Gründe für sein Vorgehen gegen die Helvetier:

  • Erinnerung an eine Schlacht (107 v. Chr.), bei der Helvetier den Konsul Lucius Cassius Longinus töteten, ein römisches Heer schlugen und es unter ein Joch schickten (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 7, 4)
  • eigene Überzeugung, die Helvetier würden als ein Volk mit den Römern feindseliger Gesinnung bei einem Weg durch römisches Provinz Unrecht und Übeltat begehen (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 7, 5)
  • Gefahr, die durch die Helvetier als kriegerisches Volk und den Römern feindseliges Volk entstehen würde, wenn sie Grenznachbarn der römischen Provinz würden (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 10, 2)
  • Verwüstungen, Fortschleppung von Kindern in die Sklaverei, Eroberungen fester Plätze durch die Helvetier im Gebiet der Haeduer, Ambarrer, Allobroger und Hilferufe dieser gallischen Stämme an Caesar, wobei die Gesandten der Haeduer daran erinnern, die Haeduer hätten sich um das römische Volk verdient gemacht (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 11)

Caesar schildert die Helvetier als wilde und kriegerische Menschen, von den Römern feindseliger Gesinnung. Nach seiner Darstellung wollten sie zuerst einen Weg durch römisches Provinzgebiet einschlagen, aber Caesar ließ eine Brücke über die Rhône (lateinisch: Rhodanus) abreißen. Gesandte der Helvetier, die um Einwilligung zu einem Durchzug baten, hielt er zunächst mit dem Nehmen von Bedenkzeit hin, um Zeit zu gewinnen, alle seine Soldaten zusammenzubringen, und ließ den Weg mit Befestigungen versperren. Dann lehnte Caesar einen Durchzug durch die römische Provinz ab. Die Helvetier hätten einen erfolglosen Versuch unternommen, die Sperrlinie am Fluss zu durchbrechen.

Daraufhin hätten die Hevetier den Weg durch das Gebiet der Sequaner gewählt und der Häduer Dumnorix hätte von ihnen den Auftrag übernommen, eine Durchzugserlaubnis zu erreichen, und die Stämme dazu gebracht, einander Geiseln zu stellen, die Sequaner dafür, den Durchgang nicht zu verwehren, die Helvetier dafür, ohne böswillige Schädigung und Gewalttätigkeit durchzuziehen (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 9).

Caesar stellt das Unternehmen als für die römische Provinz gefährlich bedrohlich, da die Helvetier in das Gebiet der Santonen, die nicht weit weg von den Tolosaten wohnten, einem Stamm der römischen Provinz, zögen und damit kriegerische Menschen, Feinde des römischen Volkes, Nachbarn der offenstehenden und getreidereichen Gegenden sein würden (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 10, 1 – 2). Caesar nutzt anscheinend schwache geographische Kenntnisse einer römischen Leserschaft aus. Denn tatsächlich betrug die Entfernung, die angeblich nicht weit weg war, rund 200 Kilometer.

Nach Caesars Darstellung hat er Bitten um Hilfe gegen die Helvetier von Gesandten der Häduer erhalten, deren Felder verwüstet, deren Kinder in die Sklaverei fortgeführt und deren Städte erobert würden, gleichzeitig hätten Ambarrer Freunde und Stammesverwandte der Häduer gemeldet, ihre Felder seien verwüstet und sie könnten den Ansturm der Helvetier kaum noch von ihren Städten abwehren und die Allobroger hätten Zuflucht bei Caesar gesucht und berichtet, außer dem Grund und Boden ihrer Felder sei nicht mehr übrig (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 11).

Die Häduer hätten sich darauf berufen, sich jederzeit um das römische Volks verdient gemacht zu haben, und Caesar erwähnt später, die Häduer seien vom römischen Senat oft Brüder und Blutsverwandte (fratres consanguineosque) genannt worden (Commentarii de Bello Gallico 1, 33, 2). Ein Eingreifen außerhalb der Provinz erscheint so als Hilfe für Freunde und Bundesgenossen berechtigt. Römerfreundliche Häduer, besonders Diviciacus, sind also insofern an der Auslösung des Krieges beteiligt, als sie mit Hilfsersuchen Caesar einen Rechtfertigungsgrund geben.

Bei einem Durchzug von Menschenmassen sind einige Reibereien und Abnahme von Lebensmittelvorräten möglich. Die behaupteten schweren bösartigen Übergriffe mit kriegerischem Angriff sind in ihrem Wahrheitsgehalt aber sehr zweifelhaft. So ist angeblich den Allobrogern nur der Boden ihres Landes übriggeblieben (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 11, 5), aber Caesar befiehlt bald danach den Allobrogern, den von Hunger bedrohten Überlebenden des Helvetierauszuges Getreide zu geben (Gaius Iulius Caesar, Commentarii de Bello Gallico 1, 28 3). Die Äußerungen über Übergriffe könnten von römerfreundlichen Galliern wie Diviciacus wunschgemäß gelieferte Berichte sein, die maßlos übertreiben, verzerren und entstellen, sogar falsche Darstellungen geben. Caesar benötigte einen handfesten Vorwand. Als die Helvetier die Saône (lateinisch: Arar) überquerten, überfiel Caesar die Nachhut, etwa ein Viertel der Helvetier, und ein Großteil von ihnen wurde getötet (Gaius Iulius Caesar Commentarii de Bello Gallico 1, 12, 2 -3).

Neugier4711  21.01.2023, 22:25

Danke für die interessanten vielen Fakten. Wie immer sind deine Antworten sehr lesenswert.

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