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Die "sinnbefreite" Regelung wurde auf Initiative des Fachausschusses Technik der Deutschen Feuerwehren in die StVZO aufgenommen.

Ich würde mal behaupten das 80% der Einsatzfahrzeuge die aktuell auf Deutschlands Straßen unterwegs sind weniger Blaulicht verbaut haben als durch die SINNVOLL Neuregelung maximal zulässig ist.

Mit der Regelung sollten zwei Dinge passieren, zum einen sollte sinnbefreiter Wildwuchs an Frontblitzern reduziert werden und gleichzeitig ein legaler Weg für Kreuzungsblitzer geschaffen werden, denn!: Gerichtete Kennleuchten zur Seite sind verboten, waren sie vor der Regelung und sind sie auch heute noch.

Das Problem an der Neuregelung war nicht das Gesetz selbst sondern die Dummheit mancher Beschaffer und mancher Hersteller die das Gesetz völlig falsch verstanden haben und dachten es darf nur noch ein einziges Blaulicht aufs Fahrzeug gebaut werden. Zu diesen Spezialisten gehörte auch die RKISH, die das Ganze über den NDR richtig schön publik gemacht hat.

Es gibt Zulassungsseitig drei Arten von Kennleuchten:

  • H = Hauptkennleuchten, also Drehspiegelkennleuchten, Doppelblitzbalken, LED-Dachkonsolen, also eigentlich alles, was man oben aufs Dach schrauben kann und was als Einheit freistehend in Radius von 360° gesehen werden kann
  • X = gerichtete Kennleuchten, also Front- und Heckblitzer, theoretisch auch Seitenblitzer, aber wie oben schon gesagt, gerichtete Kennleuchten mit einer Hauptabstrahlrichtung zur Seite besaßen noch nie eine Zulassung
  • HT = halbe Hauptkennleuchten und hier wird es interessant, eine HT Kennleuchte hat eine Sichtbarkeit von 270° und kann vorne oder hinten verbaut werden. Das sind zum einen auch integrierte Kennleuchtenmodule, da kommt es ganz drauf an wie der Hersteller seine Anlage hat abnehmen lassen. Ist der Integralaufbau als H-Kennleuchte eingetragen, zählen alle Elemente der Anlage baulich als eine Einheit, das ist beispielsweise bei den RTW von Ambulanz Mobile Schönebeck der Fall, deswegen können die auch so viele Einzelelemente haben, weil es ist eintragungstechnisch nur ein Blaulicht. Ist der Integralaufbau allerdings als HT-Kennleuchte zugelassen, dann können vorne und hinten einzeln verbaut werden und auch eins von beiden durch normale H-Kennleuchten ersetzt werden. Beispiele dafür sind die Dachaufbauten von Rosenbauer oder Lentner, dort findet sich ja teilweise ein normaler Blaulichtbalken oder normale Kennleuchten auf dem Fahrzeugdach. UND JETZT DIE INTERESSANTESTEN HT-Kennleuchten und der Grund für die Gesetzesänderung. Zuerst die Firma Standby und kurz darauf oder ziemlich gleichzeitig sogar auch Hänsch sind auf die Idee gekommen, eine Kombination von mehreren gerichteten Kennleuchten des Typs X als eine HT-Kennleuchte zu zertifizieren, damit man in Deutschland auf legalen Wegen die im Ausland verbreiteten Intersection-Lights verbauen kann, diese als HT-System zugelassenen Kennleuchten haben dann auch kein X mehr als Zulassung auf der Glasscheibe stehen sondern eben jenes HT.

So und da wir nun wissen was eine Hauptkennleuchte, was eine gerichtete Kennleuchte und was eine halbe Hauptkennleuchte ist, können wir wieder zurück zur Gesetzesänderung kommen.

Reguliert wurden ausschließlich die gerichteten Kennleuchten, es darf also nur ein Paar Frontblitzer verbaut werden! In der jüngeren Vergangenheit kam der Trend auf, zwei Paar Frontblitzer zu verbauen, manche haben wie verlinkt auch übertrieben und dadurch nur einen dauerblau leuchtenden Blobb erschaffen und da genaue Gegenteil von mehr Sichtbarkeit erreicht.

So und nun erinnern wir uns, die HT-Systeme gelten nicht als Frontblitzer, deswegen darf zusätzlich zu dem einen Paar Frontblitzer auch noch ein HT-System in der Front verbaut werden und schon haben wir wieder das, was vor der Gesetzesänderung Standard war für alle, die das Maximum an Sichtbarkeit nach vorne haben wollten, es aber noch nicht übertrieben haben und gleichzeitig gibts für die Fahrzeugbesatzung den zusätzlichen Schutz durch seitliche Kennleuchten an der Fahrzeugfront.

Und jetzt schließen wir noch den Bogen zur eingangs erwähnten RKISH, die hatten nämlich vor der Gesetzesänderung schon genau das, ein HT-System im Kühlergrill und der Stoßstange und dazu ein Paar Frontblitzer in den Außenspiegeln. Dann hatten sie es ein paar Monate nicht, weil oh mein Gott, die böse Bundesregierung hat uns beschnitten und durch den Aufschrei hat dann unter anderem die RKISH den Brief vom Verkehrsministerium erhalten, den davor auch schon der Deutsche Feuerwehrverband, sämtliche Aufbauhersteller und Blaulichthersteller bekommen haben, wo genau das drin steht und seitdem haben die auch endlich wieder Ruhe gegeben und bestellen ihre Autos wieder so wie davor.

Und das von 26Sammy112 mit dem Abstand der einzelnen Leuchtelemente möchte ich noch aufgreifen, denn das ist gar nicht so falsch und eben die schon erwähnte RKISH hat das sehr gut gelöst. Man kann die Frontblitzer und das HT-System natürlich beide in den Kühlergrill knallen, aber dann hat man vier Frontblitzer auf einer Höhe, Mehrwert für die Sichtbarkeit gleich null. Dadurch das die echten Frontblitzer der RKISH sowohl beim RTW als auch beim NEF im Außenspiegel verbaut sind, ist zum einen in der Höhe ein deutlicher Unterschied gegeben, dadurch kommt man sowohl beim flachen PKW als auch beim höheren SUV oder Kleinbus durch die Heckscheibe und durch die Position maximal außen am Fahrzeug sieht man die Frontblitzer sofort wenn das Einsatzfahrzeug die Kulisse vom vorrausfahrenden Fahrzeug verlässt.

https://www.youtube.com/watch?v=8zii7k6UlxM

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Zugführer in einer größeren bayerischen Feuerwehr

Ja, diese Regelung gibt es noch.
Und ehrlich gesagt ist die gar nicht einmal so verkehrt.

Es ist mittlerweile erwiesen, dass zu viel Geblinke an einem Einsatzfahrzeug genau das Gegenteil von dem erzeugt, was man damit eigentlich bezwecken möchte:

  • Aus der Entfernung wirken zu viele Blinklichter auf zu kleiner Fläche (vor allem Frontblitzer) wie ein einzelnes Dauerlicht, was den Warneffekt zunichte macht
  • zu viele blitzende Lichter sorgen vor allem nachts für eine Blendung des übrigen Verkehrs, was wiederum zu gefährlichen Situationen führt

Weniger ist also manchmal mehr.
Denn einige haben es in der Vergangenheit wirklich übertrieben. Ich habe mal ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr gesehen, das 12 (!) Frontblitzer im Kühlergrill verbaut hatte! Aus der Entfernung war das tatsächlich nur noch ein einziger, großer Lichtkegel.

Die neue Regelung verbietet dabei lediglich mehrere Lichter, die in dieselbe Richtung abstrahlen (also z.B. Frontblitzer). Das braucht es aber auch gar nicht.

Viel besser sind Systeme, die aus mehreren, rund um das Fahrzeug verteilten Blitzleuchten mit verschiedenem Abstrahlwinkel bestehen (z.B. HT-System der Fa. Hänsch). So sind beispielsweise Einsatzfahrzeuge, die aus Seitenstraßen kommen, deutlich besser und früher zu erkennen.

Ok, ich persönlich würde die Regelung dahin gehend ein wenig ändern, dass ich die maximale Anzahl an Frotblitzern von der Fahrzeuggröße/-klasse abhängig machen würde... beispielsweise 1 Paar Frontblitzer bei Pkw, 2 Paar Frontblitzer bei Transportern und 3 Paar bei großen Lkw - aufgrund der größeren Fläche der Fahrzeuge.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Stv. Wehrführer und Zugführer bei der Freiwilligen Feuerwehr