Welches Buch gilt als literarisch am "wertvollsten"?

10 Antworten

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Literarische Qualität ist objektiv und absolut nicht messbar. Das beginnt allein schon beim Literaturbegriff (Was ist Literatur? Was ist keine Literatur? Weitergehend auch: Was ist Text?), der durchaus problematisch ist.

Provokant aber vielleicht der einzig objektiv messbare Qualitätsfaktor ist: Ist ein Buch kommerziell erfolgreich? Das hat aber auch das Problem, dass Werbung etc. stark hineinspielen. Zudem ist auch diese Messung recht unglücklich, denn der "Massenmarkt" wird bevorzugt. Selbst Leser von "Bestsellern" tun sich mitunter schwer, dies dann als "literarisch wertvoll" zu bezeichnen... womit man wieder beim Grundproblem ist. Auch Nobelpreise usw sind kein echtes Kriterium. Diese sind oft politisiert. Provokant kann man auch fragen: Ist ein Werk literarisch wertvoll, wenn keiner außer einer Hand voll Kritiker es liest oder gut findet?

Es gibt keine objetive Messbarkeit literarischen Werts, keine Checkliste, kein Punktsystem. Allenfalls gibt es einen Konsens durch eine Masse subjektiver Meinungen - und selbst die können ganz unterschiedliche Gründe haben, warum Werk X literarisch (nicht) wertvoll ist.

Literaturius  04.08.2014, 17:17

Sehr kluge Antwort! Aber vielleicht sollte man aber noch auf das Sprachvermögen und die Sensibiltät beim Beschreiben menschlicher Konflikte & Probleme hinweisen. Ein gueter Roman oder eine gute Gerschichte spürt immer auch hinter den Hintergründen für's Tu'n und Handeln her. Der Simplizius Simplizissimus von Grimmelshausen beschreibt eben den "einfachen Soldaten" im Krieg und nicht den Helden Graf Koks von der Gasanstalt ....

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LiloB  05.08.2014, 12:21
@Literaturius

so ist es,- und das sollte u.a. auch das Kriterium für das "beste" Buch,- also gute Literatur sein, nicht wahr, lieber U. Literarius,?

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Das Einzige was in dieser Hinsicht als qualitativ meßbar gelten kann, ist die Dicke des verwendeten Papiers. Wobei man selbst da noch diskutieren kann, ob es sich nicht eher um eine quantitative Größe handelt.

Greenlitchi 
Fragesteller
 04.08.2014, 22:14

als ich deinen kommentar las, dachte ich mir "das muss ein ingenieur oder techniker sein". und ein blick ins profil gab mir recht ;-)

äußerst interessant, unter welch verschiedenen blickwinkeln die menschen ein und dieselbe frage sehen...

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FloydPepper  04.08.2014, 22:26
@Greenlitchi

Sorry, ich werde künftig versuchen, mich mehr zu verstellen. ;-)

Aber mal ehrlich: wie willst Du Kunst messen? Das läuft dem Sinn und Wesen der Kunst völlig zuwider. Das ist völlig undenkbar. Unmöglich.

Allein schon die grobe Einteilung in gute Kunst und schlechte Kunst. Das geht gar nicht. Wieviel Punkte bekäme z.B. Beuys' Fettecke? Und wer will sich anmaßen, das festzulegen?

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Greenlitchi 
Fragesteller
 04.08.2014, 22:36
@FloydPepper

möglicherweise kommt man mit den überlegungen haldors weiter. ich finde seine ausführungen über die "seele" eines werkes in verbindung mit der existentiellen aussage einen wunderbaren weg, sich ein literarisches stück oder kunst im allgemeinennähern und letztlich erschliessen zu können. mir hat haldor hier einen neuen horizont eröffnet. ich beginne anders zu sehen, anders zu denken.

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earnest  05.08.2014, 06:39
@Greenlitchi

Das ist erfreulich für dich, Greenlitchi.

Aber ich glaube nicht, daß "man" hier "weiterkommen" muß.
Ich zum Beispiel habe mit meinem eigenen, individuellen Zugang zu literarischen Werken noch nie Probleme gehabt.

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Messbar sind Lesbarkeit und Verständlichkeit eines Textes, das machen wir in meinen Seminaren für Werbetexten öfter (Wiener Sachtextformel, Flesch Reading Ease, Hamburger Modell). Aber Qualität ist eine so subjektive Angelegenheit, die auch noch vom Zeitgefühl abhängt, dass ein Urteil sehr oft unmöglich ist. Außer vielleicht, wenn man zwei Bücher vor sich hat und das eine ist "Der Zauberberg" von Thomas Mann und das andere sind die Lebenserinnerungen von Dieter Bohlen, dann geht das sicher.

Es gab Zeiten, da wurden Gedichte als qualitativ hochwertig eingestuft, die wir heute nur noch als banales nationalistisches Geschwafel empfinden. Heute finden wir die "Todesfuge" von Celan beispielsweise als unanfechtbar gut, ob Clemens Brentano oder Achim von Arnim damit etwas hätten anfangen können, kann ich mir schwer vorstellen. Mit einem Jandl-Gedicht hätte man sie wahrscheinlich sogar ins Koma geschickt.

Was ich hier über Literatur gesagt habe, gilt übrigens für Bilder, Skulpturen und Musik in übertragener Form gleichermaßen.

LiloB  05.08.2014, 12:27

schade, dass der (durchaus verdiente) Stern schon vergeben ist,- hier wäre noch einer fällig. Eine wunderbare Antwort!

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Greenlitchi 
Fragesteller
 05.08.2014, 17:55
@LiloB

da muss ich lilo recht geben. ich bedanke mich für deine sehr interessanten ausführungen. und bedauere, dass ich nicht eine tasche voller sterne habe....

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Letztlich ist das Geschmacksache. Wie auch die Definition von Kunst eine Geschmacksfrage ist. Denn die Frage nach der Qualität eines literarischen Werkes ist eng verknüpft mit der Frage, inwiefern wir es mit einem Kunstwerk erster Klasse zu tun haben. Nach meinem Verständnis gelten für ein Kunstwerk die folgenden unerlässlichen Merkmale: Ein Kunstwerk muss Seele haben, es muss den Leser oder Hörer ansprechen und ihm unter die Haut gehen, es muss eine eminente geistige Ausstrahlung haben, und es muss über die existentielle Situation des Menschen umfassende, gültige Aussagen in großer Dichte und Fülle aufweisen. Deshalb scheiden für mich alle diese modernen (oder auch älteren) Werke aus, die einen völlig kalt lassen, die keine Seele haben, die quasi tot sind. In der Musik z.B. erkennt man dieses unlebendige Zeug sofort an dem seelenlosen Gestampfe oder mechanisch-rhytmischen Klappern und Scheppern oder total uninteressantem, langweiligem Klanggewebe. Desgleichen in der Literatur: das künstlerisch wertlose Werk geht auch hier keinem unter die Haut, es spricht einen nicht an, weil es ohne Seele ist, weil es nichts als materialistische Motivation verrät (der Materialismus kann keine Kunst hervorbringen), weil es eben - wie auch die Materie - tot ist (auch die Regiemätzchen moderner Regiekünstler können das „totgeborene Kind“ nicht zum Leben erwecken). Welche Werke der Weltliteratur sind aber voll Seele, voll geistiger Ausstrahlung und verfügen über eine unerhörte Dichte der existentiellen Aussagen über das menschliche Schicksal? Für mich kommen hier 3 Werke in Betracht: Goethes „Faust“ (1. und 2. Teil), Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ und Shakespeares „Hamlet“.

Greenlitchi 
Fragesteller
 04.08.2014, 18:56

Das ist die Antwort, nach der ich gesucht habe. Wunderschön und wahr. Danke, lieber Haldor.

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Wertvoll kann in verschiedenen Situatiionen ein jeweils anderes Buch sein.

Für den Selbstmörder ist das Buch am wertvoillsten, das ihn letztlich von Selbstmord abgehalten hat.

Für den Süchtigen das Buch, das ihm geholfen hat von seiner Sucht wegzukommen.

Und für den Schiffbrüchigen ein Buch über Floßbau.

Und literarisch wertvoll sind so viele unter den Millionen veröffentlichten Büchern, dass es unmöglich ist, da ein einziges rauszufiltern. Wenn Du mir drei oder zehn nennst, kann man vielleicht das wertvollste Buch davon benennen, aber von Millionen???

Sag mir doch mal welcher Song von allen der schönste ist. Oder welche Blume. Manchmal sind solche im Fernsehn beliebten Countdowns bis zum Platz eins, einfach hirnrissig.

earnest  04.08.2014, 20:49

DH.

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