Welche Römischen Personen sind in die Unterwelt hinabgestiegen?

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In einem engen Sinn (der sagenhafte Erzählungen zur frühen römischen Geschichte ausschließt) des Begriffs »Mythos« hat es nur wenige sehr alte eigenständige römische Mythen gegeben. Von römischer Seite ist die griechische Mythologie aufgegriffen worden. Es ist eine griechisch-römische Mythologie entstanden.

Personen, die nach der griechisch-römischen Mythologie freiwillig in die Unterwelt hinabgestiegen sind, haben fast alle einen Ursprung in griechischen Erzählungen.

Eine Ausnahme ist Psyche, die nach dem im 2. Jahrhundert n. Chr. geschriebenen mythologischen Kunstmärchen „Amor und Psyche“ Amor sucht und für diesen Zweck fast unlösbare Aufgaben erfüllt, die Venus ihr aufträgt, zuletzt das Befüllen einer Büchse mit Schönheitssalbe der Göttin Proserpina in der Unterwelt (Apuleius, Metamorphosen 6, 16 – 20). Die Freiwilligkeit ist nur eingeschränkt gegeben.

Es gibt Personen, die nach der griechisch-römischen Mythologie gewöhnlich in der Unterwelt leben und also auch freiwillig hinabgestiegen sind wie Hades (griechisch: ᾍδης: lateinisch: Pluto), Charon (griechisch: Χάρων; lateinisch: Charon) und die Erinnyen (griechisch: Ἐρινύες [Erinyes])/Furien (lateinisch: Furiae). Gottheiten kommen kurzzeitig zur Erledigung von Aufgaben und Plänen in die Unterwelt wie der Gott Hermes (griechisch: Ἑρμῆς; lateinisch: Mercurius) als Seelengeleiter oder Bote.

freiwilliger Hinabstieg (griechisch: κατάβασις [katabasis]) von Personen in die Unterwelt nach der griechisch-römischen Mythologie:

  • Orpheus (griechisch: Ὀρφεύς; lateinisch: Orpheus)

Orpheus will seine aufgrund eines Schlangenbisses verstorbene Ehefrau Eurydike (griechisch: Εὐρυδίκη; lateinisch: Eurydice) bzw. Agriope (griechisch: Ἀγριόπη; lateinisch: Agriope) zurückgewinnen.

Quellen: Apollodor(os), Bibliotheke 1, 14 - 15; Euripides, Alkestis (griechisch: Ἄλκηστις; Alkestis; lateinischer Titel: Alcestis) 357 – 362; Moschos 3, 115 – 126; Diodor(os), Bibliotheke historike (griechisch: Βιβλιοθήκη ἱστορική; Historische Bibliothek; lateinischer Titel: Bibliotheca historica) 4, 25; Vergil, Georgica 4, 453 - 506; [Vergil], Culex 286 – 295; Ovid, Metamorphosen 10, 1 - 75; Konon, Dihegeseis [griechisch: Διηγήσεις; Erzählungen; lateinischer Titel: Narrationes] 45; Manilius, Astronomica 3, 324 – 328; Seneca, Hercules Oetaeus 1061 – 1099; Seneca, Hercules Furens 569 – 591; Pausanias 9, 30, 6; Lukian(os) von Samosata, Nekrikoi dialogoi (griechisch: Νεκρικοὶ διάλογοι ; Totengespräche; lateinischer Titel: Dialogi mortuorum) 23, 3; Athenaios, Deipnosophistai (griechisch: Δειπνοσοφισταί; Gelehrtengastmahl; lateinischer Titel: Deipnosophistae) 13, 597 b - c; Hyginus, De astronomia/Astronomica 2, 7

  • Herakles (griechisch: Ἡρακλῆς; lateinisch: Hercules)

Herakles bekommt von König Eurystheus, in dessen Dienst zur Entsühnung einer Tötung seiner Kinder und Ehefrau Taten zu vollbrngen hat, die Aufgabe, den Wachhund Kerberos (griechisch: Κέρβερος; lateinisch: Cerberus) aus der Unterwelt heraufzuholen. Dies ist nicht richtig freiwillig. Aber Herakles holt freiwillig die jung verstorbene Alkestis (griechisch: Ἄλκηστις; lateinisch: Alcestis) aus der Unterwelt und ins Leben zurück und übergibt sie ihrem Ehemann, König Admetos (griechisch: Ἄδμητος; lateinisch: Admetus).

Quellen: Apollodor(os), Bibliotheke 1, 106 (Herakles hat, wie einige erzählen, Alkestis nach einem Kampf mit Hades zurückgebracht); Lukian(os) von Samosata, Nekrikoi dialogoi (griechisch: Νεκρικοὶ διάλογοι; Totengespräche; lateinischer Titel: Dialogi mortuorum) 23, 3 (Alkestis ist Herakles zu Gefallen zugesendet worden); Hyginus, Fabulae 51; nicht eindeutig ist Euripides, Alkestis 1040 – 1042, wonach Herakles mit dem Herrn der Daimones, Thanatos gekämpft hat, wobei er ihn in einem Hinterhalt beim Grab mit den Händen gepackt hat

  • Theseus (griechisch: Θησεύς; lateinisch: Theseus) und Peirithoos (griechisch: Πειρίθοος; lateinisch: Perithous)

Theseus und sein Freund Peirithoos wollen sich gegenseitig Frauen zu beschaffen helfen. Peirithoos möchte die Göttin Persephone (griechisch: Περσεφόνη; lateinisch: Proserpina) haben und die beiden steigen in die Unterwelt hinab, wo ihr Plan aber scheitert und sie längere Zeit festgehalten werden.

Quellen: Hesiod(os), Fragment 280 Merkelbach-West; Apollodor(os), Bibliotheke 2, 12; Apollodor(os), Epitome 1, 23 - 24; Diodor(os), Bibliotheke historike (griechisch: Βιβλιοθήκη ἱστορική; Historische Bibliothek; lateinischer Titel: Bibliotheca historica) 4, 26, 1; 4, 63, 1 - 4; Seneca, Phaedra 93 - 98; 147 - 151; 222 - 224; 625 - 628; 951 - 953; 1149 - 1153; 1217 - 1220; Statius, Thebais 8, 21 - 56; Plutarch, Theseus 31. 2; 35. 1; Pausanias 9, 31, 5; Klaudios Ailianos/Claudius Aelianus, Poikile historia (griechisch: Ποικίλη ἱστορία; Bunte Geschichte/Vermischte Forschung; lateinischer Titel: Varia historia) 4, 5; Tzetzes zu Aristophanes, Batrachoi (griechisch: Βάτραχοι; Die Frösche; lateinischer Titel: Ranae) 142 gemäß Euripides)

  • Odysseus (griechisch: Ὀδυσσεύς; lateinisch: Ulixes)

Odysseus will in der Unterwelt den Seher Teiresias (griechisch: Τειρεσίας; lateinisch: Teresias/Tiresias) über seine Heimkehr und sein weiteres Leben befragen.

Quellen: Homer, Odyssee 11. Gesang; Apollodor(os), Epitome 7, 17; Lukian(os) von Samosata, Nekrikoi dialogoi (griechisch: Νεκρικοὶ διάλογοι ; Totengespräche; lateinischer Titel: Dialogi mortuorum) 29, 1

  • Aineias/Aeneas (griechisch: Αἰνείας; lateinisch: Aeneas) und die Sibylle (griechisch: Σίβυλλα; lateinisch: Sibylla) von Kyme (griechisch: Κύμη; lateinisch: Cumae)

Aineias/Aeneas möchte in der Unterwelt seinen verstorbenen Vater Anchises (griechisch: Ἀγχίσης; lateinisch: Anchises) über die Zukunft befragen.

Quellen: Vergil, Aeneis 6. Buch; Ovid, Metamorphosen 14, 101 - 153

In einem Epos konnte ein Abstieg in die Unterwelt vorkommen. Silius Italicus, Punica 13. Buch, bietet in Anlehnung an literarische Szenen der Mythologie eine Darstellung, wie während des zweiten Punischen Krieges Publius Cornelius Scipio verstorbene Verwandte in der Unterwelt schauen möchte. Die Sibylle (griechisch: Σίβυλλα; lateinisch: Sibylla) von Kyme (griechisch: Κύμη; lateinisch: Cumae) begleitet ihn. Eine tatsächliche historische Person, keine mythologische Person steigt in einer fiktiven Erzählung in die Unterwelt hinab.