Welche persönlichen Erinnerungen und Erlebnisse verbindet ihr mit dem Mauerfall bzw. der Wiedervereinigung?

 - (Politik, Deutsch, Deutschland)

18 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Der 9.11.1989, Tag des Mauerfalles war ein Donnerstag.

Am nächsten Tag, dem Freitag, bin ich wie schon häufig zuvor über die Transitstrecke mit dem Auto von Hamburg nach Berlin gefahren, um einen guten Freund zu besuchen. Mein damaliges Auto war eine Alpine A310, also ein seltener und ziemlich auffälliger Sportwagen.

Als ich an die Grenzstation Gudow/Zarrentin ankam, erlebte ich eine völlig neue Situation gegenüber den sonstigen Grenzübertritten. Waren zuvor die Grenzer immer eher streng, wortkarg, und sachlich-pflichtbewusst bis nahezu feindlich-ablehnend, erwartete mich an der Passkontrolle diesmal ein junger, völlig aufgekratzter Grenzer, der mich überaus freundlich und interessiert in ein Gespräch über mein Auto verwickelte und alles möglich darüber wissen wollte. Natürlich gab ich gerne Auskunft. Nach einiger Zeit meinte er dann: "Oh, ich glaube, jetzt fahren Sie besser weiter. Da hinten kommt mein Vorgesetzter und macht schon ein grimmiges Gesicht."

In Berlin angekommen, erwartete mich eine weitere Überraschung, Bei meinem Freund war schon Besuch da, eine gute Freundin aus Ostberlin. Da haben wir zusammen mit Sekt gefeiert und die Freundin dann irgendwann mal nachts nach Mitternacht zusammen zum Grenzübergang Bornholmer Straße zurückgebracht. Dort waren Menschenmengen und ein stetiger Strom von Menschen strömte hin und her. Die Stimmung dort am Grenzübergang war wirklich bemerkenswert.

Am nächsten Tag, dem Samstag, haben wir dann bei der Freundin in Ostberlin einen Gegenbesuch gemacht, wobei die Fahrt mit dem Auto nach Ostberlin weder an der Grenze noch in Ostberlin irgendwelche Probleme machte. Grenzkontrollen fanden praktisch keine statt.

SANY3000 
Fragesteller
 03.10.2019, 09:52

Schöne Anekdote.

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Dahika  03.10.2019, 12:47

Waren zuvor die Grenzer immer eher streng, wortkarg, und sachlich-pflichtbewusst bis nahezu feindlich-ablehnend, erwartete mich an der Passkontrolle diesmal ein junger, völlig aufgekratzter Grenzer, der mich überaus freundlich und interessiert

Na ja, ich fuhr im Februar 91 mit Freunden nach Prag. Am Grenzübergang trat uns ein Grenzer entgegen und schnarrte uns unfreundlich (mit sächsischem Akzent) an. "PAPIERE!" So was Unfreundliches habe ich selten erlebt. Ich konnte mir nicht verkneifen, unfreundlich zu kontern: "Wir sind hier nicht mehr bei der Stasi." Am liebsten hätte ich noch gesagt: "Und hier wird auch niemand mehr erschossen."

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Hamburger02  03.10.2019, 15:37
@Dahika

Manche konnten eben nicht aus ihrer Haut schlüpfen. Mit einem Vopo habe ich im Sommer 1990, also kurz vor der Wiederverinigung ein ähnliches Erlebnis gehabt. Wurde wegen einer geringfügigen Geschwindigkeitsübertretung angehalten und der VoPo war auch extrem unfreundlich. Als dann die Bearbeitung ewig gedauert hat, konnte ich mir die Bemerkung laut zu meinem Mitreisenden nicht verkneifen, sodass er mithören konnte: "Na bis die mal fertig sind, befruchte ich ja halb Indien. Kein Wunder die haben es zu nichts gebracht."

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zetra  03.10.2022, 11:56

Wir waren zu dieser Zeit mit der Berufsgruppe im Harz und ich telefonierte mit meiner Frau. Diese stand auf dem Balkon und hat diese Menschenströme ueber die Bornholmer Brücke, rüber nach dem Gesundbrunnen gesehen.

Die Rücktour aus dem Harz nach Berlin dauerte einen halben Tag, denn die Autobahn war knacken voll, nie wieder so einen Andrang erlebt. Gruss, zetra.

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zetra  03.10.2023, 09:37

Nichts hat sich seitdem geändert/gebessert, leider ist das so. Gruss, zetra.

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Ich habe dieses Ereignis als 20jähriger aus österreichischer Sicht erlebt. Man kann ja sagen, dass es sich im Frühling bzw Sommer vielleicht schon abgezeichnet hat, als einige von der DDR einen Weg über Ungarn nach Österreich als Fluchtroute gewählt hatten. Es war damals bei uns eher eine Sensation, dass Leute das geschafft hatten und ich erinnere mich , als es bekannt wurde, dass sie im östlichsten österr. Bundesland, dem Burgenland, empfangen wurden und von dortigen Bewohnern verpflegt wurden. Das waren ja so die Vorläufer einer großen Bewegung.

Im Herbst dieses Jahres mußte ich (und ein Freund von mir, der diesen Weg gemeinsam mit mir ging) zum österrr. Bundesheer. Empfand ich als "weniger amüsant", aber es mußte damals aufgrund weniger Alternativen eben sein (Zivildienst war damals nur unter Angabe von "schwerwiegenden Gründen, die den Umgang mit einer Waffe aussschließen" und der Vorsprache bei einer "Fachkommission" möglich, und wurde nicht immer genehmigt). Wir rückten Anfang Oktober ein und wurden zur Grundausbildung ins niederösterreichische Waldviertel verfrachtet. Dort waren wir immer von Mo bis Sa. Damals, noch lange ohne Internet oder Handys, hatten wir vom Morgen an bis zum Abend "Dienst" (und das besonders in dieser ersten Woche). Wir bekamen also auch gar nichts vom täglichen Geschehen mit. Keine Nachrichten, keine Infos, kein Telefon. Als wir am Samstag, es muss der 7. Oktober 1989 gewesen sein, wieder nach Wien kamen, fuhren wir mit der U-Bahn. Uns gegenüber saß eine ältere Frau, die uns in Uniform erblickte und mit uns ein Gespräch begann. Wir erzählten ihr, dass wir nun ein paar Tage vom aktuellen Geschehen schon nichts mehr mitbekommen hätten und fragten, was ja nun so passiert sei . Darauf erzählte sie und von den Ereignissen in Berlin und der Stürmung der Mauer. Das fand ich natürlich total arg und interessant. Dieses Erlebnis verbinde ich mit dem Herbst 1989, also mit dem Moment , als ich das Ganze erfahren hatte. Man konnte sich zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht vorstellen, dass es ein wiedervereintes Deutschland überhaupt geben konnte. Mein Vater hatte mir als Kind stets erklärt, wie und warum das mit der Mauer in Berlin überhaupt der Fall war (also in den 70er-Jahren), und dass dies "wohl immer so bleiben würde". Allerdings dachte ich mir auch als Kind schon: "Wer weiß, ob es nicht vieleicht doch mal anders sein wird ?". Und siehe da, nun war der Moment gekommen.

1 Jahr später, also Deutschland nun also auch offiziell wieder vereinigt wurde, gabe es in Wien unter dem damals regierenden Bürgermeister Dr Helmut Zilk und anderen Politikern eine große öffentliche Veranstaltung am Rathausplatz, die sich diesem Thema widmete.

Im Jahr 2007, im Alter von 38, war ich das bisher einzige und erste Mal im Berlin. Von einer Mauer war da schon nichts mehr zu sehen. Das Museum "Chackpoint Charlie" fand ich sehr interessant und auch die ganzen Geschichten mit Fluchtversuchen (Gräben graben, Flucht über den Fluss, Bauen eines Heißluftballons , auch vom Film "Balloon" bekannt).

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Ja, ich habe das Davor und das Danach mitbekommen, bin Jahrgang 1964.Auf Arbeit fehlten deshalb unentschuldigt Kollegen (und zwar in einem Betrieb, wo man nach 8 oder 12 Stunden Schichtdienst auf Ablösung wartet!), weil sie ja den Fall der Mauer hautnah mitbekommen wollten.

Hab am Fernseher gesessen und es nicht fassen können..Und nein: ich werde nie diesen Tag feiern, hab es im 1.Jahr schon nicht tun wollen und können..Und werde mich bei keinem Menschen rechtfertigen, weil er a) mein Vaterland nie kannte - nur so vom Hören-Sagen - b) meine private Geschichte nicht kennenlernen muss, weil es auch keinen zu interessieren hat und c) verbittert bin ich auch nicht: es war alles vorhersehbar, leider...

Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als Günther Schabowski so scheinbar ganz nebenbei verkündete, man könne in Berlin ab sofort in den Westteil reisen. Ich dachte mit: "Weiss der Mann überhaupt, was er da sagt?"

Offenbar nicht, denn nachher stellte sicher heraus, dass das eher ein Irrtum war. Da war es allerdings schon zu spät, denn noch in der selben Nacht wollten alle aus dem Osten nur noch "rüber". Die Grenzkontrollen konnten den riesigen Ansturm nicht bewältigen und die Menschen stürmten in ihrer Euphorie einfach die Mauer.

Wir im Westen aber hatten Angst, dass nun evtl. mal wieder geschossen werden könnte. Aber das blieb dann Gott sei Dank aus. Trotzdem war das damals so was wie ein Tanz auf dem Vulkan mit glücklichem Ausgang.

Ganz schlimme!

Ich war damals in Prag. Die Eingangshalle der deutschen Botschaft war bis unter die Decke vollgestellt mit Stockbetten. Auf den Straßen davor lagerten bei sehr niedrigen Temperaturen, Menschen aus der DDR, die drinnen keinenPlatz mehr fanden, wickelten ihre Babys auf den Motorhauben ihrer Trabis und die tschechischen Polizisten marschierten in Sechserreihen durch die Straße vor der Botschft, traten auch nach Menschen die auf den Bürgersteigen lagerten, ...

Einmal, auf dem Weg in ein Restaurant fragte mich eine junge Frau, ob sie mit uns ins Wirtshaus dürfte, um auf`s Klo zu gehen, wo sie schon am Eingang von einem übreifrigen Türsteher wieder hinauskomlimentiert wurde. Ich war so überrascht, weil ich noch nie ähnliches erlebt hatte, dass mir nichts dazu eingefallen ist - ich schäme mich bis heute dafür!

Die Entschuldigung, dass die Tschechei damals selber noch unter "russischer Aufsicht" stand, lasse ich nicht zu! 2014 passierte ähnliches obwohl die Russen längst raus waren.

Vielleicht erinnert sich die damals junge Dame an den für sie damals so enttäuschenden Vorfall, ich werde ihn nie vergessen können.