Was sind Halbtöne, warum gibt es sie?

4 Antworten

Hallo Astronymous,

Was ist eine Tonart?
Eine Tonart ist ein bestimmter Vorrat an Tönen, mit dem man Musik machen kann.

Was ist eine Tonleiter?
Eine Tonleiter ist die schrittweise Abfolge der Töne dieses Tonvorrates, auf- oder abwärts.

Wie ist es dazu gekommen, dass gerade das Tonmaterial zusammengestellt wurde, mit dem man z. B. eine C-Dur-Tonleiter bilden kann?

Dafür muss man zunächst ein Stück in die Geschichte zurück gehen.

Menschen haben immer schon empfunden, dass bestimmte Töne miteinander gut klingen, also 'harmonisch', und andere weniger. In Europa war Pythagoras der erste, der das erklären konnte. Er hat berechnet, dass Intervalle (die Abstände von Tönen) um so reiner klingen, je einfacher das Verhältnis ihrer Frequenzen (Schwingungen pro Sekunde) ist.
Das Frequenzverhältnis 1:2 entspricht der Oktave. Wenn eine Frau und ein Mann die 'gleiche' Stimme singen, singen sie im Abstand einer Oktave.
Das Frequenzverhältnis 2:3 entspricht der Quinte.

Wenn man 4 (reine) Quinten übereinanderschichtet, erhält man:
C - G - D - A - E
Rückt man diese Töne durch Oktavieren dichter zusammen, hat man eine einfache Skala aus 5 Tönen, die pentatonische: C - D - E - G - A - (C).
Hier gibt es noch keine Halbtonschritte, sondern Ganztonschritte und kleine Terzen.

Nimmt man 2 weitere Quinten dazu, kommt man auf 7 Töne, weshalb das Tonmaterial daraus nach den griechischen Worten heptá für 'sieben' und tonós für 'Ton' Heptatonik genannt wird. Ich beginne einmal mit F um Vorzeichen zu vermeiden. Man könnte jedoch auch mit jedem anderen Ton beginnen:
F - C - G - D - A - E - H

(Ergänzt man weitere 5 Quinten, kommt man auf die 12 Töne, mit denen die chromatische Tonleiter gebildet wird. Aber das gehört nicht mehr zu Deiner Frage.)

Wieder entsprechend zusammengerückt sieht es so aus:
D - E - F - G - A - H - C - (D)
Das ist der '1. Ton', auch Dorisch genannt, eine der sog. Kirchentonarten. Mit diesem Tonmaterial werden alle modalen (kirchentonalen) und tonalen (Dur-Moll-Tonalität) Skalen gebildet. Die Abstände der Ganz- und Halbtonschritte sind immer gleich, nur die Position der Halbtonschritte innerhalb der Skala ändert sich, sie macht die Charakteristik der Tonart aus. Die verschiedenen Positionen der Halbtonschritte sind Folge der Verschiebung des tonalen Zentrums, des Grundtones:

D E F G A H C D E F G A H C D: Phrygisch
D E F G A H C D E F G A H C D: Lydisch
(usw.)
D E F G A H C D E F G A H C D: Dur
D E F G A H C D E F G A H C D: Moll

Nun muss man etwas rechnen:

Der Tonschritt C - D entspricht 2 Quinten aufwärts (C -> G -> D) minus 1 Oktave abwärts (D -> D).
Rechnerisch: 1 Quinte: 1 : 3/2 || 2 Quinten: 1 : 9/4 || abzüglich 1 Oktave: 1 : 9/8
Frequenzverhältnis C -> D also 1 : 9/8 oder 1 : 1,125 --> Ganztonschritt

Der Tonschritt E - F entspricht 5 Quinten abwärts und 3 Oktaven aufwärts.
Rechn.: 1 Quinte 1 : 2/3 || 5 Quinten: 1 : 32/243 || zuzüglich 3 Oktaven: 1 : 256/243
Frequenzverhältnis E -> F somit 1 : 256/243 oder 1 : 1,053... --> Halbtonschritt

Diese Berechnung zeigt, dass es in Tonleitern naturgemäß größere und kleinere Tonschritte gibt. Sie ist korrekt für die pythagoreische Stimmung. Für die gleichstufige Stimmung sind die Zahlen 'krummer', aber das Prinzip ist gleich.

Alles klar? Ansonsten: Frage! 😉

LG
Arlecchino

PS: Wenn es jemand kürzer erläutern kann, ich bin gespannt... 🤔

Der Dur-Dreiklang kommt durch Frequenzverhältnisse von 4 : 5 : 6 zustande. Hätte man zwei gleich große relative Abstände, könnnte man dies nicht durch so kleine ganze Zahlen ausdrücken. Zwei große Terzen wären z.B. 16 : 20 : 25 und zwei kleine 25 : 30 : 36. Dies hört man am Klang. Größere kleinste gemeinsame Vielfache klingen dissonanter. Besonders rein klingen die Prime (1 : 1), die Okatve (1 : 2) und die Quinte (2 : 3).

Durch die wohltemperierte Stimmung wurde erzielt, dass die relativen Abstände zwischen zwei Halbtönen immer gleich sind. Bei Dur sind die Verhältnisse dann nicht mehr ganz 4 : 5 : 6 aber der Unterschied ist kaum hörbar.

Im Bild sieht man oben Schwingungen eines Dur-Dreiklangs und unten die eines übermäßigen Dreiklangs mit zwei großen Terzen. Der Dur-Dreiklang sieht gleichmäßiger aus und hört sich deshalb auch konsonanter an. Bild zum Beitrag

 - (Musik, Noten, Musiktheorie)

Arlecchino  19.02.2022, 13:46

Was hat das jetzt mit den Halbtonschritten der Tonleiter zu tun?
Gibt es Halbtonschritte erst seit der Erfindung der 'wohltemperierten Stimmung'?
Ist die 'wohltemperierte Stimmung' das Gleiche wie die gleichstufige Stimmung?

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Mathmaninoff, UserMod Light  19.02.2022, 14:34
@Arlecchino

Anscheinend ist 'wohltemperiert' eine etwas ungenaue umgangssprachliche Bezeichnung. Ich meine 'gleichstufig'. Zuvor waren es keine gleichen Halbtonschritte. Aus den obigen Gründen besteht ein Dur-Dreiklang aus unterschiedlich großen Terzen, sodass man irgendwo einen kleineren Schritt einbauen muss.

Ich interpretiere die Frage so: "Warum unterteilt man bei einer Tonleiter die Oktave nicht in gleiche Stufen?" Es gibt die chromatische Tonleiter mit 12 Halbtönen. Wenn man jetzt aber in weniger gleiche Stufen unterteilen möchte, dann bekommt man die konsonanten Intervalle nicht so gut hin.

Zu den Halbtonschritten kann man noch erwähnen, dass diese eine Leittonfunktion haben können. Durch den Halbton ist die Spannung größer das H zu einem C aufzulösen.

Und es gab und gibt auch andere Tonysteme, Tonarten und Stimmungen.

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Ohne sie gäbe es auch keine Ganztöne; ist eben ein bewährtes System, ds sich im Lauf von Jahrhunterten entwickelt hat.

Vor ein paar Jahren habe ich bei den Jazztagen in Wien ein Ensemble gesehen, gehört, das auf Tasteninstrumenten jeweils nur eine Oktave über die volle Klaviatur aufgeteilt spielte.

Die Idee fand ich damals großartig, an die Musik kann ich mich nicht mehr erinnern, war wohl zu strange für mich.

Weil sie sich nur dadurch wie eine Dur-Tonleiter anhört. Ich weiß zwar nicht warum, aber wenn man die Halbtonschritte verschiebt oder weglässt, ist das nicht mehr so.