Wo ist mein Denkfehler? ( Musiktheorie Kirchentonarten)

7 Antworten

Mich hat die Materie anfangs auch etwas verwirrt... aber im Prinzip ist es recht einfach:
So wie die Dur-Tonleitern (Ionische Skala) ihre fixen Halbtonschritte (3-4, 7-8) haben, egal, auf welchem Grundton sie beginnen, haben natürlich auch die Kirchentonleitern ihre festen Halbtonschritte - die Dorischen Skalen also entsprechend 2-3, 6-7; egal, mit welchem Grundton sie beginnen.
Spiele (und singe) die Skala (und dann die anderen Kirchentonleitern) einfach mal mehrere Male hintereinander, damit du auch ein Gefühl für den Charakter der jeweiligen Skala bekommst. Dann wirst du das Prinzip auch leichter auf andere Grundtöne anwenden können.

uschischicki  08.03.2014, 18:53

Daumen hoch!

Kapieren ist besser als alle Eselsbrücken, die zwar funktionieren aber in ihrer Logik voll an der Materie vorbeischießen...

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Viele lernen die Kirchentonarten sehr falsch finde ich. Ich habe sie am Anfang auch so gelernt: mit dem Marerial der C-Dur Tonleiter, nur auf einem anderen Ton beginnend. Es ist aber sehr viel Umdenlen nötig, wenn man nicht auf dem Ton beginnen will, den man bei dem C-Dur-Material nehmen müsste. Deshalb ist es leichter, die Tonarten so zu lernen: Erstmal teilst du sie in Dur-ähnliche und Moll-ähnliche auf. Das heißt, wo sie mit den Vorzeichen am wenigsten von abweicht. Dorisch käme zum Beispiel zu Moll, weil die Halbtonschritte weniger von Moll abweichen als von Dur. Wenn du das dann aufgeteilt hast, lernst du das erst einmal (also was wohin gehört). natürlich solltest du die Tonschrittfolge von Moll und Dur kennen. und wenn du das dann gemacht hast, lernst du, wie die Tonarten von Moll oder Dur abweichen (bei Dorisch wird beispielsweise die 6. Stufe um einen Halbtonschritt erhöht). Und wenn du das dann erstmal drauf hast, geht es ganz leicht: sagen wir mal, wir wollen Dorisch von g beginnend. Dann guckst du, wie g-Moll geht, g-a-b-c-d-es-f-g. Jetzt weißt du auch, dass die 6. Stufe erhöht werden muss, in diesem Falle das es zu e. Ich fand diese Methode es zu lernen echt leicht, weil ich Dur und Moll fest in meinem Kopf habe und mich jetzt immer daran orientieren kann :)

uschischicki  28.03.2014, 15:46

Viele lernen die Kirchentonarten sehr falsch finde ich.

Ja, und du bist eine*r von ihnen. Was du machst, funktioniert zwar auch, ist aber ebenfalls eine Eselsbrücke, die auf wackligen Beinen steht.

Es gibt nicht nur "hell oder dunkel" und "alt oder jung" und "groß oder klein". Und genau so gibt es eben nicht nur "Dur oder Moll". Dass wir die Kirchentonarten eher dem einen oder dem anderen zuordnen, liegt ausschließlich an unserer Hörgewohnheit. Unsere Ohren denken quasi nur noch in Dur und Moll. Vor ein paar hundert Jahren wäre kein Mensch auf diese abwegige Idee gekommen...

Kirchentonarten sind keine undurchdringbare Wissenschaft. Aber man kann sie zu einer machen, indem man Erklärungen und Herleitungen konstruiert ohne die Materie verstehen zu wollen bzw. verstanden zu haben. Oberflächlich betrachtet mag einem das das Lernen ja erleichtern, aber eigentlich ist das unnötig.

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TheStone  04.04.2014, 02:16
@uschischicki

"Es gibt nicht nur "hell oder dunkel" und "alt oder jung" und "groß oder klein". Und genau so gibt es eben nicht nur "Dur oder Moll". Dass wir die Kirchentonarten eher dem einen oder dem anderen zuordnen, liegt ausschließlich an unserer Hörgewohnheit. Unsere Ohren denken quasi nur noch in Dur und Moll. Vor ein paar hundert Jahren wäre kein Mensch auf diese abwegige Idee gekommen..."

Je nach musikalischem Kontext macht das durchaus Sinn, die Kirchentonleitern in Dur- und Molltonarten zu unterteilen. z.B. wenn es um die Akkordskalentheorie geht, mit der man viele Jazzthemen und Jazzsoli sehr gut zu fassen bekommt. Das Grundprinzip der Akkordskalentheorie ist erstmal jeden Akkord als potentiellen Siebenklang (mit eventuell weggelassenen Tönen) zu sehen. Ein Solcher Siebenklang besteht aus einem Vierklang und sogenannten Optionstönen (Die neun, die elf und die dreizehn) Man stapelt also Terzen, bis man wieder beim Grundton ist. (dass es dabei avoid Notes, also zu vermeidende Noten gibt, wie Beispielsweise die 11 in Dur Akkorden lass ich jetzt mal zur Theoretischen Betrachtung außen vor...) Wenn man mit dem Tonmaterial dieser Siebenklänge eine Skala aufschreibt (und es sehr einfach harmonisierter Jazz ist), erhält man eine Kirchentonleiter. In so fern enthält ein Akkordsymbol auch immer die Information aller möglichen Skalen, die über den Akkord gespielt werde können. Dementsprechend sind dorisch, phrygisch und äolisch die Skalen, die über Mollakkorde gespielt werden können (wobei die konkrete Angabe von Optionstönen im Akkordsymbol den Solisten durchaus auf eine bestimmte Skala festnageln können. Auch gibt es Skalen, die für bestimmte Stufen naheliegender sind als andere. So ist bei einem Mollakkord auf der zweiten Stufe dorisch die erste Wahl. Jedoch auch nicht vorgeschrieben. Es gibt durchaus Ausnahmen...) Ionisch und lydisch sind die Skalen, die man am ehesten in den Fingern haben sollte, wenn man einen Dur maj7 Akkord sieht (wobei die 11 in Dur-Akkorden eine Avoidnote ist, die #11 allerdings auch in Dur-Akkorden auf der ersten Stufe, zumindest ab der zweiten Hälfte der 50er Jahre durchaus gebräuchlich ist. Es lohnt sich also, bei maj7 akkorden grundsätzlich in lydisch zu denken und entweder die #11 oder eben gar keine 11 zu spielen...) Die mixolydische Skala ist den Dominanten vorbehalten. (wobei mixo b9b13, mixo #11, alteriert Halbton-Ganzton und alteriert stiltypischer für dominanten sind. aber ich versuche ja auch erstmal nur das Grundprinzip dieser Denkweise zu erklären.)

Auf Grund dieser Betrachtung macht es durchaus Sinn, die Kirchentonarten auf Grund der Akkorde, zu denen sie gespielt werden können, einzuteilen.

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TheStone  04.04.2014, 02:20
@uschischicki

"Vor ein paar hundert Jahren wäre kein Mensch auf diese abwegige Idee gekommen..."

Schönberg unterteilte die Kirchentonarten ebenfalls in "durähnliche" und "mollähnliche" und durch meine musikalische Sozialisation empfinde ich das ebenfalls ähnlich.

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Wenn du mit dem Tonmaterial von C-Dur eine Tonleiter con D bis D spielst, ist das nicht C-dorisch sondern D-dorisch. Tonleitern werden immer nach ihrem Grundton benannt... ;)

Dorisch definiert sich durch die Mollterz und die kleine Septime. Alle anderen Intervalle sind groß bzw. rein, wie bei Dur.

C-dorisch hat dementsprechend ein Eb (kleine Terz) und ein Bb (kleine Septime). Alle anderen Töne sind identisch mit C-Dur.

uschischicki  08.03.2014, 18:58

Ich bin immer so begeistert von deinen Antworten, aber hier muss ich doch wiedersprechen!

Der Begriff Mollterz ist in diesem Zusammenhang ein bisschen verwirrend und auch ein bisschen falsch. Im letzten Absatz sagst du dann kleine Terz, das ist neutraler und treffender.

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TheStone  09.03.2014, 23:44
@uschischicki

"Der Begriff Mollterz ist in diesem Zusammenhang ein bisschen verwirrend und auch ein bisschen falsch." Ich gebrauche diesen Ausdruck, weil ich das beim hören so empfinde... ;)

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Eine dorische Tonleiter hat immer dieselben Vorzeichen wie die Dur-Tonleiter, deren Grundton eine große Sekunde tiefer als der dorische Grundton liegt. Wie plessbox schon richtig sagte, ist das im Fall C dorisch die B-Dur-Tonleiter. Dorisch ist wie aeolisch, nur mit goßer statt kleiner Sexte.

Du hast hier schon hilfreiche, richtige und teilweise gute Antworten bekommen. Ich möchte an dieser Stelle zusammenfassen.

Dir ist tatsächlich ein Denkfehler unterlaufen:

dorisch in C-Dur

Das geht nicht. Entweder Dur oder Dorisch! Es gibt eben nicht nur Dur und Moll. Es gibt eben auch noch das, was man Kirchentonarten nennt. Wenn du es tatsächlich verstehen willst, und nicht nur mit Eselsbrücken irgendwelche wackeligen Konstruktionen in den Raum stellen willst, dann empfehle ich dir Folgendes:

Lern nicht nur auf dem Papier. Wie oetschai vorgeschlagen hat, solltest du das, was du lernst, auch singen und spielen und dadurch aktiv beherrschen. Nicht nur erkennen, sondern auch erzeugen.

An deiner Stelle würde ich beim Lernen schrittweise und chronologisch vorgehen. Setz nicht das System als gegeben voraus, sondern versuche, die Entwicklung nachzuvollziehen!

Fang mit den Tetrachorden und den Modi an. Eine Möglichkeit ist der Wikipediaartikel dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Tetrachord (Geschichte - Mittelalter) und dann /wiki/Kirchentonarten#Geschichte und dann auch #Unterscheidung_ authentisch_ und_ plagal. Damit hast du dann die alten Kirchentonarten.

(Wenn du das verstanden hast, dann geht's mit #Moderne_Erweiterungen weiter, womit du dann direkt in der Jazz-Harmonielehre gelandet wärst.)

Oder noch besser: Bitte den Kantor deiner Gemeinde oder einen Schul- oder Kirchenmusikstudenten in deiner Nähe um ein oder zwei Unterrichtsstunden. So kannst du Theorie und Gehörbildung mit einem direkten Feedback verbinden.