Was sind die (auschlaggebenden) Unterschiede zwischen dem Feudalismus und Kapitalismus?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Erstens: Der Feudalismus war im Wesentlichen eine Naturalwirtschaft, während der Kapitalismus ausschließlich eine Geldwirtschaft ist. Der Feudalherr herrschte über denjenigen, der ihm Frohndienste leisten musste. Das konnten Bauern sein, aber auch andere Adlige. So konnte ein Fürst z.B. Lehnsherr eines anderen Fürsten sein, der von dem ersten Lehnsherren mit irgendeinem diesem zustehenden Recht beliehen wurde. Die zahlenmäßig häufigsten Frohndienste wurden aber von abhängigen Bauern geleistet, die nicht auf eigenem Grund wirtschafteten, sondern auf geliehenem Grund. Viele Bauern waren aber auch freie Bauern, und Leibeigenschaft war eher selten.

Die Frohndienste bestanden in der Regel nicht etwa darin, dass dem Lehnsherren Geld gezahlt wurde, sondern in Natural- und Dienstleistungen. Der Verpflichtete musste seinem Lehnsherrn z.B. Kriegsdienste leisten oder ihm kostenlos beim Bau seiner Gebäude helfen. Die Bauern mussten in der Regel einen Teil ihrer Ernte an den Lehnsherren abgeben, damit dieser und seine Familie sowie alle seine Bediensteten davon leben konnten. Es war also - jedenfalls in der Früh- und Hochphase des Feudalismus - im Wesentlichen eine Naturalwirtschaft.

Zwar gab es auch schon im Feudalismus Geldbeziehungen und es gab auch schon einen gewissen Warenmarkt. Das war aber auf die Gesamtgesellschaft bezogen immer nur ein kleiner Teil. Die große Masse der Bauern hatte so gut wie gar kein Geld. Bei den städtischen Handwerkern sah es teilweise anders aus, aber selbst die wurden teilweise in Naturalien "bezahlt". Es gibt heute noch Listen, woraus man ersehen kann, dass z.B. die Baumeister des Kölner Doms als "Bezahlung" soundsoviel Liter Wein bekamen, dazu sagen wir mal jeden Monat ein geschlachtetes Schwein, außerdem vielleicht noch jedes Jahr ein neues Gewand usw.

Zweitens: Aus dem Gesagten ergibt sich bereits, dass Geld im Feudalismus nur eine untergeordnete Rolle spielte. Die Masse der Bauern hatte überhaupt kein Geld. Die Bauern waren froh, wen se das Nötigste für sich und die Familie erwirtschaften und dem Feudalherren noch einen Teil des Getreides, der Eier usw. abliefern konnten.

Im Kapitalismus dagegen spielt Geld die wesentliche Rolle. Schon im Wort "Kapital" scheint ja das Geld durch. Kapital ist Geld, dass sich vermehrt. Dem Kapitalisten geht es nicht darum, möglichst viel Getreide, möglichst viel Milch oder möglichst viel von irgendeinem beliebigen Produkt zu produzieren, sondern ihm geht es darum, aus dem eingesetzten Geld mehr Geld zu machen. Niemand investiert eine Summe von z.B. 100.000,- Euro, um hinterher nur 100.000,- Euro heraus zu bekommen. Das würde ja keinen Sinn machen. Der Kapitalist erwartet vielmehr, dass aus seinen 100.000,- Euro sagen wir mal mindestens 110.000,- Euro werden.

Drittens: Da im Kapitalismus immer mehr Geld zurückfließen muss, als investiert wurde, ergibt sich für den Kapitalismus ein ständiger Wachstumszwang, den es im Feudalismus nicht gab. Als Feudalherr kann ich zufrieden sen, wenn mir meine Bauern Jahr für Jahr die gleiche menge Schweine, Hühner, Eier usw. liefern, damit ich, meine Familie und meine Bediensteten sch davon satt essen können. Eine Steigerung ist nicht nötig und oft sogar sinnlos - denn immer mehr essen geht ja gar nicht. Der Kapitalist braucht aber das Wachstum seiner Geldmenge. Denn er muss - ob er will oder nicht - einen Teil des Geldes immer neu investieren, um größer zu werden oder um sich modernere Maschinen zu kaufen. Würde er sich nicht vergrößern oder modernisieren, würden andere Konkurrenten, die z.B. modernere Maschinen einsetzen, billiger produzieren als er, und er würde vom markt verschwinden. Er ist also zur Modernisierung gezwungen, was wiederum die anderen dazu zwingt, noch mehr zu modernisieren bzw. noch mehr zu produzieren, usw. Ein Ewiger Kreislauf, der dem Kapitalisten durch die Konkurrenz aufgezwungen wird. Deshalb sind alle Versuche, z.B. aus Umweltschutzgründen das Wachstum zu begrenzen, zum Scheitern verurteilt, solange auf kapitalistischer Grundlage produziert wird.

Viertens: Im Kapitalismus herrscht Lohnarbeit, im Feudalismus dagegen nicht.

Der Bauer, der einen Teil seines Produkts dem Lehnsherren liefern muss oder der ihm beim Straßenbau usw. helfen muss, bekommt dafür keinen Lohn gezahlt. Er ist also kein Lohnarbeiter. Er ist auch in gewisser Weise freier als der Lohnarbeiter. Denn während dieser für eine bestimmte zeit für den Kapitalisten arbeiten muss - 8 oder 10 Stunden täglich -, so ist dem Lehnsherren völlig egal, wie lange "sein" Bauer arbeitet. Ob der Bauer besonders tüchtig ist und nur wenig Zeit braucht, sein Getreide zu ernten, oder ob der Bauer faul ist und längere Zeit dafür braucht, dafür interessiert sich der Lehnsherr nicht, solange er am Ende den geforderten Teil bekommt.

Kapitalismus hingegen ist ohne Lohnarbeit nicht denkbar. Denn um den Mehrwert, um den es im Kapitalismus geht (siehe oben), produzieren zu können, müssen nicht Sklaven oder Leibeigene angestellt werden, sondern Lohnarbeiter. Einerseits müssen die Arbeiter einen Lohn in Geld bekommen (statt nur in Naturalien bezahlt zu werden), damit die Arbeiter ihrerseits die hergestellten Produkte kaufen können und überhaupt erst der gesamte Geldkreislauf in Gang kommt. Andererseits muss der Wert der von den Arbeitern hergestellten Produkte höher sein als der Lohn, damit es eben einen Mehrwert gibt.

Fünftens: Im Feudalismus ist die Herrschaft eine persönliche Herrschaft. Der Lehnsherr oder der Fürst herrschen als Person. Ihr Wille ist entscheidend. Sie sind "Herrscher".

Im Kapitalismus dagegen ist die Herrschaft nicht persönlich, sondern dinglich. Obwohl viele Menschen vom Alltagsverstand her anders denken, ist es nicht etwa so, dass die Kapitalisten die Macht hätten. Die "Macht" hat vielmehr "das Kapital". "Kapital" ist eine bestimmte soziale Struktur, wie in einer Gesellschaft Produkte hergestellt und verteilt werden. Im Kapitalismus wird bekanntermaßen nicht unmittelbar gemeinschaftlich produziert, sondern individuelle Produzenten wirtschaften grundsätzlich erst einmal für sch alleine und ohne Rücksicht auf andere. Die hergestellten Produkte gehören ausschließlich dem Produzenten, der sie verkauft, also gegen Geld tauscht. Dabei muss mehr Geld zurückfließen als investiert wurde. Über diesen Zwang habe ich bereits geschrieben. Der zwang, aus Geld mehr Geld zu machen, st ein Zwang, der sich unmittelbar aus dem Kapitalverhältnis ergibt. Erstens macht es, wie gesagt, keinen Sinn, 100.000,- Euro zu investieren und nur nur 100.000,- Euro zurück zu bekommen. Kein Mensch würde das machen. zweitens zwingt die Konkurrenz dazu, ausreichenden Gewinn zu machen, da nur so die Mittel vorhanden sind, um in neue Produktionsweisen zu investieren. Diese Moderniserungsinvestitionen sind notwendig, weil sonst die Konkurrenz siegen würde.

Karl Marx hat deswegen in seinem Werk "Das Kapital" erklärt, dass es nicht etwa die "Gier" der Kapitalisten ist, sondern dass die Kapitalisten durch das "System" dazu gezwungen werden. in einer anderen Schrift hat Marx erklärt, dass deshalb auch der Kapitalist "entfremdet" ist - nur mit dem Unterschied, dass der Kapitalist in der regel gut lebt und er daher anders als der einfache Arbeiter unter dieser Entfremdung nicht leidet.

Im Kapitalismus herrschen also letztlich nicht die Kapitalisten - und die Politiker ohnehin nicht -, sondern alles muss sich nach dem Verwertungszwang des Kapitals richten. Marx spricht deshalb vom Kapital als dem "automatischen Subjekt", das heißt praktisch als dem Herrscher, der allerdings gar keinen eigenen Willen und keine eigenen Sinnesorgane hat.

MK0523X 
Fragesteller
 28.09.2020, 17:29

Sehr schön geschrieben, sehr interessanter Beitrag!

Danke!

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Im Feudalismus kommt es zu keiner erweiterten Reproduktion, also wurde da nicht reinvestiert, sondern alles auf den Kopf gehauen. Auch gab es noch keine Mehrwertbildung über ein Fabriksystem, damit verbunden einer Lohnarbeit.

Weiterhin gibt es anders als im Feudalismus keine Knechtschaft der Bauern gegenüber ihrem Grundherrn, eine Hörigkeit und Zwangsabgabe gegenüber den Großgrundbesitzern, den Adlighen, gibt es im Kapitalismus nicht. Dazu gehört auch eine fehlende Leibeigenschaft, so dfass ein Bauer im Kapitalismus sich in keiner Leibeigenschaft gegenüber adligen Herren befindet. Er muß denen keinen Tribut, keinen Bodenzins, sprich Abgaben, entrichten, kann freizügig umher reisen, seinen Arbeitsplatz selbst aussuchen und somit die Scholle verlassen. Auch wann und wen er heiratet ist des Bauern eigene Sache.

Was sind die (auschlaggebenden) Unterschiede zwischen dem Feudalismus und Kapitalismus?

Im Feudalismus waren die Leute bis zur Leibeigenschaft hin, dem Grundherren verpflichtet, was auch Zwang bedeutet. Mit der Gerichtsbarkeit nicht anders, sie waren keine freien Buerger die dort eingespannt waren.

Der Kapitalismus entwickelte sich mit der Industrialisierung, wobei sich eine Arbeiterklasse herausbildete, die am Anfang auch keine Rechte hatte.

Erst mit der Bildung von Gewerkschaften, schufen sie sich selber ein kleines Gegengewicht, um ihre berechtigten Interessen einigermassen, durch zu setzen.

Der 1. Mai ist der Tag der Arbeit, er wurde nach einem Streik in Chicago zum Feiertag erhoben, als bei einem Streik viele Arbeiter erschossen wurden.

https://www.welt.de/politik/deutschland/article115756481/Tag-der-Arbeit-2018-Es-begann-mit-einem-Massaker.html

Woher ich das weiß:Recherche