Was ist so philosophisch an der Frage "Wenn im Wald ein Baum umfällt und niemand hört es...."?

18 Antworten

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Nun, dahinter steht die Frage "Wie wirklich ist die Wirklichkeit?"
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Sprich es wird überlegt: kann es so etwas wie Objektivität überhaupt geben? Oder ist alles subjektiv und unsere Realität, die wir für wirklich halten, nichts weiter als das Ergebnis eines Kommunikationsprozesses?
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Dahinter steht die Frage: können wir objektive Aussagen über diese Welt machen (Ontologie) oder bewegen wir uns immer! nur im Rahmen unserer subjektiven Wahrnehmungs- und Denkkonstrukte.
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Für die Bewertung wissenschaftlicher Fragestellungen und Ergebnisse - auch und vor allem der Naturwissenschaften, deren Realitätsjunkies sich gerne im sicheren Hafen der Objektivität wähnen - ist das die Gretchenfrage schlechthin ... ist die Welt unabhängig vom Wissenschaftler so, wie er sie beschreibt oder ist die Welt das, was der Wissenschaftler beschreibt (...und in Wirklichkeit ganz anders?) Das würde nämlich auch bedeuten, Wissenschaft bestätigt und findet nur, was der Wissenschaftler denken kann. Das Undenkbare scheidet dabei aus ;-))
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Die Frage ist also eine uralte, als philosophische Tradition wurde hier z.B. der Solipsismus ausgebildet, der verkürzt gesagt die Aussage trifft: die Welt gibt es nicht. Alles ist subjektiv, entsteht und existiert nur im Kopf.
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Spätestens mit der Heisenberg'schen Unschärferelation hielt das Phantom des Beobachters Einzug in die Naturwissenschaften und kratzte erheblich an dem Mythos, die Welt würde sich dem Wissenschaftler in einem Abbildungsverhältnis von 1:1 und gänzlich unabhängig von ihm erfassen und beschreiben lassen. Vielmehr wurde deutlich: bereits die Anwesenheit eines Beobachters nimmt Einfluss auf das Beobachtete, sprich, verändert es.
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In der Folge bildete sich die philosophische Schule des Radikalen Konstruktivismus heraus ... dieser sagt in Abgrenzung zum Solipsismus: es mag eine Welt da draußen geben (umfallender Baum) - wir können nur über diese Welt keine objektiven, von uns losgelösten Aussagen machen (Geräusch), da jeder menschliche Beobachter den Beschränkungen seines Schädels (Wahrnehmungsorgane, Nervensystem, Wahrnehmungsfilter) unterliegt; aus diesem kann er nicht heraus.
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Alles was wir von dieser Welt wissen können, ist demnach allerhöchstens eine Landkarte. Nie das Gebiet selbst.
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Und insofern wird klar, dass Realität kein objektives sondern ein relationales Phänomen ist. Ein soziales wenn man so will. Demzufolge stellt sich wissenschaftstheoretisch auch viel weniger die Frage nach Wahrheit-Unwahrheit, sondern nach der Nützlichkeit oder der Passung von Forschungsansätzen und Ergebnissen... es gibt verschiedene Landkarten Deiner Heimatregion ... die eine ist vielleicht nützlich zum Fahrradfahren, eignet sich aber keineswegs zum Autofahren und vice versa.
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Wer das erkannt und verinnerlicht hat, ist frei, anders zu denken, neue Wege zu gehen ... jenseits vom wissenschaftlichen Mainstream. Jeglicher Wissenschaftenstreit, die Ausgrenzung von innovativen Wissenschaftlern, die neue Wege gehen, die Phänomene einbeziehen, die als "irreal" gelten ist letztlich ein Kampf dieser beiden Weltanschauungen.
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Dory1 
Fragesteller
 03.10.2009, 16:54

ok das muss ich erstmal in Ruhe verdauen.. danke und DH ;)

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Ohmygod  04.10.2009, 13:01

"Jeglicher Wissenschaftenstreit... ist letztlich ein Kampf dieser beiden Weltanschauungen." - Sehr interessante Ansicht! Als "großes, störendes Rauschen" würde ich aber da einfügen wollen, daß in diesem Streit die Lügner/Leugner (eher bei den "Schul-"Wissenschaftlern zu finden) und die Spinner (eher bei den sog. "Para-Wissenschaftlern") noch eine Rolle spielen.

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holodeck  04.10.2009, 14:30
@Ohmygod

Nein ... wir haben es hier lediglich mit dem Grad der Ausprägung zu tun, die Ebenen der Beschreibung klar zu unterscheiden. Bewege ich mich im Rahmen zeit-raumgebundener kausalattribuierender Denkansätze oder im Rahmen kybernetisch-informationstheoretischer Erklärungsansätze. Und kann ich als Wissenschaftler zwischen diesen Ebenen in Abhängigkeit von der Fragestellung wechseln. Oder schließe ich von vorneherein alles aus, was in ein klassisches Ursache-Wirkungs-Schema meines jeweiligen Fachgebietes nicht hineinzupassen scheint.
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Die Landkarten der Welt in unseren Köpfen, die zeichnen wir. Ebenso die Grenzen. Wenn wir es jedoch sind, die diese Grenzen einzeichnen ...
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Schliemann wurde lange als Spinner verlacht ... seine "Landkarte von Troja" war einfach mal eine andere als der angesehenen Wissenschaftler seiner Zeit.
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Schliemann ließ sich davon nicht beirren und fand Troja ... und einen sagenhaften Goldschatz noch dazu.

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Ohmygod  04.10.2009, 15:04
@holodeck

Na gut, ich wollte auch eher aufzeigen, daß unseriöse oder voreingenommene Leute den Fortschritt/Erkenntnisprozeß erheblich stören können, weil sie eben nicht so sauber trennen, wie Du. Ich denke, es gibt genug "schul-wissenschaftliche" Erkenntnisse, die wundersam und unvorstellbar sind (Teilchen- und Astrophysik), so daß die Leute dort offen sein sollten und genug "Parawissenschaftler", die lieber eine Feindschaft pflegen (oder Trost oder Aufmerksamkeit wollen), so daß sie ebenfalls nicht offen sind für die meist viel einfacheren Erklärungen der "Schulwissenschaftler".

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holodeck  04.10.2009, 15:18
@Ohmygod

Aber ja doch ...
ich bin ein großer Fan von Brian Greene und seinen Strings ;-))
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Wissenschaftler wie Popp mit seinen Biophotonen, die habe ich allerdings auch schon zu Zeiten ernst genommen und als zukunftsweisenden Ansatz betrachtet, als seine Kollegen ihn noch als "esoterischen Spinner" diffamiert haben. Inzwischen ist der Mann international rehabilitiert. Und wenn ich dann so wunderbare Dinge lese, wie das hier:
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Letztlich sind Biophotonen wohl ein Phänomen der Quantenphysik. Denn viele Erforscher der subatomaren Sphäre vermuten, dass unser gesamtes materielles Universum auf Information basiert. Der Wiener Quantenphysiker Anton Zeilinger, dem als erster die Teleportation von Lichtteilchen experimentell gelang, bekennt: "Richtig vorstellen kann ich mir auch nicht, was bei diesen Vorgängen jenseits von Zeit und Raum vor sich geht." Gleichwohl könne man "Lichtteilchen als reine Information betrachten."
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http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,370918,00.html
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... vermuten, dass unser gesamtes materielles Universum auf Information basiert...
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... das ist ein Satz, den muss man sich einfach genüsslich auf der Zunge zergehen und wirken lassen.
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Passt doch als Denkansatz auch wunderbar zu unserer Frage: "Wie kommt ein geistiger Vorgang in die Gene?"

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inocent16  22.05.2020, 11:56

wie kann man anfangen so zu denken, ich mein ich kapiere das geschiebene, weiß was dort drinne steht, dennoch habe ich keine Ahnung über die Bedeutung.

Ich möchte es verstehen, aber ich weiß nicht wie ich meinen Kopf dazu bekomme es zu kapieren

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Nightwing99  14.06.2021, 20:51

Das war wirklich gut und spannend zu lesen. Danke für deine Mühe ich habe die Frage zwar nicht gestellt aber trotzdem viel mitgenommen. Für Beiträge wie den deinen liebe ich gf ja. :)

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Die scheinbar naiv gestellte Frage hat ja eine wahre Lawine ausgelöst. Dabei komme es mir so vor, als ob letztlich wieder das alt bekannte Kommunikationsproblem den Anlass dazu liefert. Es dürfte den meisten Beteiligten doch wohl klar sein, dass jedes Wesen in seiner eigenen Subjektivität gefangen ist und insofern seine höchst private Realität in sich trägt. Doch um sich mit anderen Wesen überhaupt gezielt auszutauschen muss es eine verbindliche Ebene der Kommunikation (einen gemeinsamen Zeichenvorrat und gemeinsame Regeln der Zuordnung dieser Zeichen) nutzen oder ggf. gemeinsam herstellen. Wir müssen uns daher, um nicht ständig aneinander vorbei zu reden, auf eine sprachliche Kunstebene begeben, die von allen akzeptiert wird – ganz unabhängig davon, wie unser persönliches Universum aussieht. Und dazu ist es praktisch, eine von uns unabhängige Realität zu postulieren. Das Hauptproblem der Philosophie besteht m. E. darin, dass ihre Anhänger ständig neue Kommunikationssysteme kreieren und für verbindlich erklären, ohne dass andere ihnen darin allgemein zustimmen.

Da stellt sich die Frage: Was ist überhaupt ein Geräusch? Ein Geräusch ist letzendlich nur eine Schwingung in der Luft.

Gäbe es kein Lebewesen mit Ohren, dann könnte kein Lebewesen Geräusche wahrnehmen. Folglich ist ein Geräusch nur eine Interpretation unserer Ohren, weil es erst dadurch zum Geräusch wird, und ansonsten nur eine Schwingung in der Luft ist.

Die Frage macht schon Sinn.

Ich persönlich würde die Frage so beantworten:

Es handelt sich hierbei um ein theorethisches Geräusch. Würde es in unsere Ohren gelangen, dann könnten wir ein Geräusch interpretieren. Da es in die Ohren von niemanden gelangt ist, war es letzendlich nur eine Schwingung in der Luft, die als Geräusch interpretiert werden könnte.

Ist der Mond auch da, wenn niemand hinguckt?

wie sieht "Rot" aus? oder Grün? oder Blau?

das sind halt fragen über die man einfach mal nachgrübeln könnte, auch wenn es logische antworten zu diesen fragen gibt, so macht es doch spaß darüber zu philosophieren... nach dem motto "was wäre wenn?"

Ich interpretiere das als Beispiel für die Frage, ob die Welt an sich existiert oder nur für das Subjekt, womit in letzterem Falle das Geräusch, das für niemanden existiert, da niemand es hört, tatsächlich nicht existieren würde.

Eine andere Interpretationsmöglichkeit wäre, dass herausgehoben werden soll, dass letztlich keine sicheren Aussagen über etwas, das nicht beobachtet werden kann, keine definitiven sicheren Aussagen getroffen werden können. Wir folgern daraus, dass alle Bäume, deren Umfallen beobachtet wird, erkennbar dabei ein Geräusch machen, dass auch der Baum X beim Umfallen ein Geräusch macht. Die theoretische Möglichkeit, dass Baum X aufgrund irgend einer Ausnahme doch kein Geräusch macht, kann aber nicht völlig ausgeschlossen, sondern nur für absolut unplausibel erklärt werden.