Warum wird das Perfekt im lateinischen manchmal so gebildet?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo,

das zweite ist eine Kurzform. Wir sagen ja auch schon mal fürs für für das.

Kann gerade in der Dichtung nützlich sein, wenn man eine kurze statt einer langen Silbe braucht.

Herzliche Grüße,

Willy

Lotta0508 
Fragesteller
 18.12.2022, 11:19

Bedeutet das, dass die längere Form der Perfektform immer am Ende lang ist, weil die Endung ja -unt ist und es damit eine Positionslänge wäre?

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Lotta0508 
Fragesteller
 18.12.2022, 11:20
@Lotta0508

Und kann die kürzere Version auch am Ende lang sein? Oder ist die kürzere Version immer kurz am Ende?

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rhenusanser  18.12.2022, 11:35
@Lotta0508

es handelt sich nicht immer um eine Positionslänge, weil "n" + "t" = muta + Liquida sind und dann ergibt sich die Positionslänge nur, wenn es die Metrik erfordert.

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rhenusanser  18.12.2022, 11:39
@Lotta0508

ob die kürze Version immer kurz ist, lässt sich ebenso wenig klar beantworten. Denn angenommen auf "effecere" folgt das Wort "ut", kommt es zur Verschleifung, d.h. das "e" fällt weg und man spricht: e-ffe-ce-rut. Und damit wird die Silbe "rut" wieder betont gesprochen.

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Lotta0508 
Fragesteller
 18.12.2022, 14:36
@rhenusanser

Okay, vielen Dank.
Wenn nach der verkürzten Version zwei Konsonanten folgen würde, wäre das dann auch eine Positionslänge?

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rhenusanser  18.12.2022, 15:58
@Lotta0508

ja, außer es würde sich bei den beiden Konsonanten erneut um Muta + Liquida handeln:

(muta + liquida)

Es kommt nur dann zur Positionslänge, wenn es die Metrik erfordert!!!

Folgendes passiert: folgen den Konsonanten: b, p, d, t, g und c (diese nennt man Muta oder Verschlusslaute) die Konsonanten: l, m, n oder r (diese wiederum nennt man Liquida oder Fließlaute), dann gilt diese Ausnahmeregel

üblicherweise wenn Muta+Liquida auf einen Vokal folgen, erfolgt keine Positionslänge, nur wenn es die Metrik unbedingt erfordert.

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nun zu deinem "verkürzten" Beispiel, wenn auf "effecere" ein Wort beginnend mit 2 Konsonanten folgt - 1x eines mit Muta + Liquida und 1x eines mit "normalen" Konsonanten

effecere creatores -> dies ist ein Beispiel, wo trotz Muta+Liquida, die folgen, das "e" positions-lang wird. Das liegt aber am Wort "creatores", das du "cre-a-to-res" auf der Silbe "to" betonst und daher, damit die Metrik funktioniert, das "e" von "effecere" ebenfalls betont wird = e-ffe-ce-re cre-a-to-res = / uu | / uu | _ _ |

effecere spebusque -> hier hast du nachfolgend 2 Konsonanten und daher eine Positionslänge

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Lotta0508 
Fragesteller
 18.12.2022, 19:54
@rhenusanser

Wenn man erst ein l,m,n oder r und anschließend ein b,p,d,t,g oder c hat, gilt dann auch die Ausnahme? Oder muss es immer andersherum sein?

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vxkey  19.12.2022, 14:09
@rhenusanser

n+t sind nicht mūta cum liquidā, sondern nāsālis cum mūtā. Selbstverständlich erzeugen sie immer Positionslänge.

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vxkey  19.12.2022, 14:31
@Lotta0508

Dann gilt sie nicht. Tatsächlich betrifft die Regel nicht m/n, sondern nur die "Explosionslaute" b/d/g/p/t/k, und zwar wenn sie gleich vor "fließenden", d.h. liquiden Lauten r/l stehen. Außerdem gilt die Regel auch für fr und fl.

Der Grund dafür ist leicht einzusehen: diese Konsonantenverbindungen rücken sehr eng zusammen und lassen sich im Silbengefüge nicht gut auseinanderziehen. Damit die vorige Silbe geschlossen wäre (und damit metrisch lang bzw. positionslang), müsste der Explosionslaut zum Ende der vorigen Silbe gezogen werden, um sie damit zu schließen. Der will das aber normalerweise nicht, weil er dem folgenden Gleitlaut so eng zugehört

Man teilt also wie lū-gu-bris, aber nicht *lū-gub-ris, weil diese Auseinanderziehung dem Römerohr wehtut. Und tatsächlich hat das eine Auswirkung auf den Akzent: denn deshalb spricht man lúgubris und nicht *lugúbris. Oder vólucris und nicht *volúcris (hört sich ja auch doof an), weil eben k und r so gut zusammenpassen und so schnell zusammen gesprochen werden.

In der Dichtung darf diese Regel missachtet werden, und das geschieht auch häufig. Die Römer realisieren es in diesen Fällen so: sie verdoppeln einfach den "Explosionslaut" , d.h die mūta, und sprechen vo-luc-cris.

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vxkey  19.12.2022, 14:35
@vxkey

Korrektur: nicht "Gleitlaut", sondern "Fließlaut". "Gleitlaut" wären w und j.

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Willy1729  25.12.2022, 14:34

Vielen Dank für den Stern.

Willy

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Der weit verbreitete Glaube, dass die Form auf -ēre eine Kurzform zu -ērunt sei, ist falsch. In Wahrheit handelt es sich dabei um eine archaische, d.h. altertümliche Form, die sehr sehr alt ist und bis ins Indoeuropäische zurückreicht, während das -unt in -ērunt aus der Präsensendung -unt übernommen wurde, was viel später geschah. Man kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass -ērunt das Produkt einer Vermengung ist zwischen der alten Endung -ēre und einer jüngeren Endung -erunt (mit kurzem e), wobei dieses -erunt auf älteres -isont zurückgeht. dieses -is- findet man im Perfekt wieder: -is-se; außerdem in -is-tī und -is-tis. Es ist also eine Art von Vergangenheitsmarker. Dann nahm man das lange ē von -ēre und setzte es statt des kurzen e des jüngeren -erunt ein; heraus kam das ganz junge -ērunt, welches für das Klassische Latein zur Hauptform wurde. Bedeutungsunterschiede gibt es zwischen diesen Formen nicht; aber die -ēre-Formen klingen altertümlich.

Die ältere Form tritt in der Dichtung sehr viel häufiger auf als in Prosa, weil sie kürzer ist und damit weniger Raum im Vers einnimmt, was eine nütze Eigenschaft ist

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung