Warum physikalisch nicht schlau Fahrradreifen bis komplett voll zu pumpen?

11 Antworten

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Ich glaube, es geht dir mehr um den Druck als um die Füllung. Denn der Reifen ist immer komplett mit Luft gefüllt, wenn ihn nichts platt drückt. Der Unterschied liegt nur darin, wie viel Druck du rein gibst.

Da gibt es einmal das Problem, dass nicht nur der Reifen für einen bestimmten Maximaldruck konzipiert ist, sondern auch die Felge. Und die Felge kann reißen, wenn man den Reifen stärker aufpumpt. Es kann also sein, dass du beim Aufpumpen zwar noch nicht den Maximaldruck des Reifens erreicht hast, aber den Maximaldruck der Felge schon überschritten hast. Man darf natürlich den niedrigeren von beiden nicht überschreiten. Der Maximaldruck, den die Felge aushält, ist übrigens unterschiedlich je nach Reifenbreite. Bei schmalen Reifen darf der Druck höher sein als bei breiten Reifen.

Dann hat der Reifendruck natürlich einen Einfluss auf den Fahrkomfort. Ein knallhart aufgepumpter Reifen federt Unebenheiten weniger weg und dadurch wird das Fahren unkomfortabler.

Aber der hart aufgepumpte Reifen rollt besser auf glattem Asphalt.

Und wieder nicht auf unebenen Böden, und wenn es nur Kopfsteinpflaster oder ein paar Steine sind. Denn wenn wir jetzt mal einen wirklich knallhart Reifen annehmen, in den sich solche Unebenheiten nicht reindrücken können, dann muss bei jeder Unebenheit das ganze Rad und ohne Federung auch das ganze Fahrrad mitsamt Fahrer hochgehoben werden, um darüber zu rollen. Das kostet Energie, man wird also langsamer.

Bei einem weich aufgepumpten Reifen können sich Steine o.ä. in den Reifen reindrücken und Rad, Fahrrad und Fahrer können quasi geradeaus weiter rollen, ohne über dieses Hindernis drüber gehoben werden zu müssen. Rollt also besser.

Aus genau dem gleichen Grund hat ein Reifen mit geringem Luftdruck auch deutlich mehr Grip. Wenn du einen steilen Schotterweg bergauf fahren möchtest, kann es bei 3 bar Reifendruck sein, dass dein Hinterrad hilflos durchdreht und du nicht mehr vom Fleck kommst. Und wenn du den Reifendruck auf 1,5 bar absenkst, kannst du plötzlich ganz normal hoch fahren. Durch den halben Luftdruck hast du die doppelte Fläche an Reifen, die Kontakt zum Boden hat.

Ein Effekt, der wiederum jedem egal sein kann, der sowieso nur auf Asphalt unterwegs ist und der auch bei 3 bar kein Problem mit schlechter Bodenhaftung hat ;)

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Zu niedrig darf der Reifendruck aber auch nicht sein. Einmal steigt der Rollwiderstand auf festen Böden, zum anderen walkt der Reifen beim Kurvenfahren seitlich, was die Fahrstabilität beeinträchtigt und zum Dritten kann es dann beim Überfahren von Baumwurzeln, Bordsteinkanten usw. passieren, dass der Reifen bis zur Felge eingedrückt wird und dazwischen der Schlauch eingeklemmt wird. Was diesen aufschlitzt wie mit einem Messer, der Plattfuß ist vorprogrammiert. Man nennt das einen Durchschlag oder Snakebite.

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Fazit: Es gibt nicht "den einen" richtigen Reifendruck. Sondern man muss individuell schauen, welcher Reifendruck passt.

An einem Mountainbike, das auch im Gelände gefahren wird, wird man einen möglichst niedrigen Luftdruck wählen. So niedrig, wie es eben geht ohne ein schwammiges Fahrgefühl oder Durchschläge zu bekommen. Dass es Asphalt dann schlecht rollt, ist egal wenn man sowieso nicht auf Asphalt fahren will.

An einem Rennrad, das nur auf Asphalt gefahren wird, wird man einen hohen Druck bevorzugen und diesen bedarfsweise etwas absenken, wenn es zu unkomfortabel wird. Dass man damit schon Schotterwege kaum sinnvoll befahren kann, akzeptiert man damit es auf der Straße möglichst gut rollt.

Und an einem Trekkingrad wird man einen Mittelweg gehen und ggf. um 1 bar hin oder her experimentieren.

Ohne eine Druckanzeige an der Pumpe ist diese Frage ziemlich witzlos.

Auf den Reifen steht immer drauf, von wie viel bis wie viel Druck man den Reifen aufpumpen soll. Tatsächlich wird oft zu hart aufgepumpt. Der höchste erlaubte Druck ist nur von Vorteil, wenn jemand besonders schwer oder die Straße super eben ist.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Erfahrung mit Fahrrädern.

Dein Vater ist etwas älter, vielleicht hat er noch hakenlose Felgen erlebt, auf denen ein neuerer Mantel für heute übliche Hakenfelgen aufgezogen wurde und zu viel Druck bekommen hat. Der springt dann seitlich von der Felge.

Der Druck erhöht sich noch nach dem Aufpumpen, wenn man im kühlen Keller aufpumpt, und dann das Rad in die Mittagssommerhitze stellt.

Ein Fahrradreifen ist immer "komplett voll" mit Luft und sonst normalerweise mit nichts. Über den optimalen Reifendruck unter Berücksichtigung von Gewichtsbelastung, Reifenart, Straßenqualität und Verkehrssicherheit lässt sich immer diskutieren.

Wenn du den Reifen mit Luft füllst, ist er immer ganz voll. Gase verteilen sich nämlich im gesamten verfügbaren Volumen. Das mit "Platz lassen" ist Unfug.

Man könnte aber darüber fachsimpeln, ob man immer den maximal zulässigen Druck fahren möchte.