Warum "Hexenverfolgung im Mittelalter", obwohl es in der Frühzeit war?

4 Antworten

Von Experte ruhrgur bestätigt

Ich denke, das ist so, weil das Wort "Mittelalter" als Inbegriff der Rückständigkeit und Primitivität mißverstanden wird, seit einige italienische Intellektuelle, die Fans der römischen und griechischen Antike waren, die Idee hatten, den langen seither vergangenen Zeitraum "Mittelalter" zu nennen und daran glaubten, daß dieses vorüber sei und nun eine neue Zeit von anderer Qualität begänne. Später kamen dann auch Gerüchte in Umlauf wie das von Dir genannte, und auch der verbreitete Irrglaube, die Menschen des Mittelalters hätten sich die Erde als Scheibe vorgestellt.

Mit der "Steinzeit" und insbesondere den "Neandertalern" ist es ja ganz ähnlich: Die Menschen dieser langen Epoche dienen auch immer wieder als Projektionsfläche für entwertende, geringschätzige Phantasien wie die vom "Höhlenmenschen", der mit der "Keule" auf die Jagd geht und sich notdürftig mit Grunzlauten verständigt.

Das eine wie das andere sind Ausgeburten des Hochmuts, den wiederum nur eine Kultur nötig hat, die sich nicht traut, den eigenen Minderwertigkeitskomplexen und Versagensängsten offen ins Gesicht zu schauen.

"Als Mittelalter wird die Epoche in der europäischen Geschichte zwischen dem Ende der Antike und dem Beginn der Neuzeit, also etwa die Zeit zwischen dem 6. und 15. Jahrhundert, bezeichnet." (Wikipedia)

In der Tat gab es im Mittelalter kaum Hexenprozesse, im Gegenteil, so genannte Kräuterhexen (engl. Cunning Folk) waren in kleineren Dörfern wichtiger Bestandteil der Gemeinschaft und dienten als Ärzte, Geistliche, oder Orakel.

Der erste Hexenprozess in Deutschland war wohl im späten 14. Jahrhundert, also noch im Mittelalter, aber die Hochzeit der Verfolgung war tatsächlich erst in der frühen Neuzeit. Selbiges gilt auch für Nordamerika.

Warum so weit verbreitet ist, dass die Hexenverfolgung angeblich im Mittelalter war, ist mir auch etwas schleierhaft. Die Vermutung von @Franz1957 teile ich hier, wer nicht so viel über das Mittelalter weiß, hat vielleicht den falschen Eindruck, dass die Menschen damals noch extrem rückständig waren. Der Begriff "Neuzeit" klingt eben viel gesitteter und moderner, als er eigentlich ist.

LG

Ganz falsch ist es ja nicht, denn die ersten Hexenverfolgungen gab es schon im 13. Jahrhundert. Der Höhepunkt der Verfolgung war zwischen 1550 und 1650.

Da hast Du recht. Der Höhepunkt der europäischen Hexenverfolgung war zwischen 1550 und 1650. Aber schon im Altertum fürchtete man Zauberer und schwarze Magie und versuchte diese einzudämmen.

Im eigentlichen Mittelalter gab es tatsächlich keine bzw. kaum HV. Erste Belege einer gerichtlichen Verfolgung sind aus dem Zeitraum um 1400. Zwar fing die Inquisition ca. hundert Jahre vorher an Hexen zu finden, wählte aber fast immer die Möglichkeit zu deren Umkehr.

Eine extreme Zunahme und massenhafte Hinrichtung kam erst später und unterlag weltlichen Gerichten. Ab 1500 spricht man eigentlich von Neuzeit.

Woher ich das weiß:Hobby