Von Sozialarbeit zur Psychotherapie?

4 Antworten

Es gab zumindest die Möglichkeit als Diplom-Sozialpädagogin mit Zusatzausbildungen und Berufserfahrung Therapeutin für Kinder zu werden. Die Möglichkeit gibt es Laut Wikipeda immer noch:

http://de.wikipedia.org/wiki/Kinder-\_und\_Jugendlichenpsychotherapeut

Ist dir ausserdem bekannt dass du, um Psychotherapeut zu werden, nach dem Studium auch erstmal eine recht teure Therapeutenausbildung zu absolvieren hast, die du aus eigener Tasche bezahlen musst? Das muss man halt bedenken. Also diese Ausbildung kannst du nicht machen wenn du Soziale Arbeit studiert hast.Aber mit dem Studium Soziale Arbeit hast du halt generell trotzdem viele Möglichkeiten, auch beratend tätig zu sein, zB in unterschiedlichsten Beratungsstellen, was sicherlich auch spannend ist.Auch da gibts spannende Zusatzausbildungen, wie zB Paarberatung, aber eben nicht Paartherapie.


Hallo liebe Leute. Ich möchte hier einmal mit einem (Vor)Urteil aufräumen, dass Menschen, die Sozialpädagogik oder Soziale Arbeit studiert haben nicht Psychotherapeut/in für Erwachsene werden können. Eigentlich ist es so, dass Absolventen der Sozialarbeit/Sozialpädagogik "nur" Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeuten werden können/ dürfen. Das ist richtig, wenn man direkt nach diesem Studienabschluss in den Therapeutenberuf gehen möchte. Anscheinend traut man SozialarbeiterInnen von je her nur zu mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten und nicht mit Erwachsenen, dabei wird genau das Gegenteil seit Jahrzehnten in der Praxis bewiesen. Wenn man aber gern gerade Erwachsene therapieren möchte, kann man direkt einen Master in klinischer Psychologie draufsatteln (4 Semester Studienzeit, ohne nochmal den BA in Psychologie machen zu müssen aber mit 3-4 verpflichtenden Brückenkursen u.a. in Statistik, Entwicklungspsychologie und Allgemeine Psychologie) und dann direkt Psychologische/r Psychotherapeut/in werden. Allerdings, und das ist der Jammer und wirklich extrem ungerecht, geht das nur an privaten Hochschulen, die aber immerhin staatlich anerkannt sind. Und leider kostet so ein Studium viel Geld. Ich selber habe Sozialpädagogik (FH) und anschließend an der IPU-Berlin den Master in Psychologie studiert. Zwar darf man sich mit diesem Master nach Ansicht des Bundesverbands Deutscher Psychologen (BDP) nicht "Psychologe" nennen (das ist leider eine berufspolitische und ideologische Diskussion, den dieser Verein seit Jahren propagiert, umgekehrt hat niemand etwas dagegen, wenn sich Psychologen, die keine Sozialarbeit studiert haben, sich Sozialarbeiter/in nennen...). Dafür müsste man (nach BDP Ansicht) den vorherigen Bachelorabschlus in Psychologie nachweisen, der BA oder das Diplom in Sozialpädagogik reicht diesem Verein, der in dieser Diskussion die Deutungshoheit für sich beansprucht nicht aus. Dennoch, und das kann der BDP nicht verhindern, darf man nach dem Master in Psychologie auch als "nur"Sozialarbeiter/in die 3-5 jährige Weiterbildung zum Psychotherapeuten für Erwachsene absolvieren und sich später auch in einer Praxis, die von der Kassenärztlichen Vereinigung anerkannt ist, niederlassen. (Übrigens: In Österreich dürfen sogar ErzieherInnen Krankenpfleger/innen Psychotherapeuten für Erwachsene werden und dort gibt es nicht nur 4 anerkannteTherapieverfahren wie bei uns, sondern 14. Die sind uns also schon lange um einiges Voraus und denken nicht so verstaubt, wie hier in Deutschland). Aber Achtung: Dieser leider sehr unbekannte aber mögliche Weg geht nur noch, wenn man bis Wintersemester 2022/23 das Studium in Teilzeit oder bis Oktober 2023 Vollzeit aufnimmt. Für die Absolvierung der Weiterbildung zum/zur Psychologischen Psychotherapeutin nach altem Recht hat man dann noch bis 2032 Zeit. Diesen tatsächlich ungewöhnlichen und bis heute kaum bekannten Weg haben seit 2009 (seit dem ist es möglich in nur 4 Sem. den Master in Psychologie zu machen) viele Sozialarbeiter/innen gewählt und einige sind heute hochangesehene Psychologische PsychotherapeutInnen, die den KollegInnen, die vohrer nur Psychologie studierten, in keinster Weise nachstehen, oftmals sogar im Gegenteil. Aber wie oben beschrieben, ist dieser Weg ab 2023 wieder versperrt und es wird dann wieder nur den üblichen Einheitsbrei aus nur psychologischer Vorbildung geben, um TherapeutIn für Erwachsene werden zu können. Vor der Psychotherapeuten-Reform von 1999 konnten sogar LehrerInnen, PädagogInnen oder TheologInnen Therapeuten für Erwachsene werden. Seit dem ist dieser Weg, von der Ausnahme, die ich weiter oben beschrieben habe, wieder nur PsychologInnen vorbehalten. Dies vernichtet meiner Ansicht nach die Diversität, die gerade in der heutigen Zeit immer wichtiger ist. Aber der Deutsche Staat und einige wenige aber mächtige TherapeutInnen-Verbände wollen von ihren Scheuklappen nicht lassen und machen damit die Therapeuten-Landschaft zukünftig zu einem sehr einseitigen, um nicht zu sagen langweiligen Unterfangen. Ansonsten bleibt für Sozialarbeiter und SozialpädagogInnen, die gerne Erwachsene therapieren wollen, wie vor 2009 nur die Möglichkeit, eine therapeutische Weiterbildung bei privaten Instituten zu absolvieren und nach HPG-Gesetz zu therapieren. (HPG= Heilpraktiker für Psychotherapie) Der Vorteil dabei ist immerhin, dass man sich als HPG Therapeut/in überall niederlassen kann. Als Psychologische/r PsychotherapeutIn gibt es nur festgelegte Kassensitze, für die man teilweise dann auch noch hohe Ablösesummen bezahlen muss. So gesehen wäre HPG gar nicht so schlecht. Aber man hat auch viele MitbewerberInnen auf dem Markt und viele können alleine davon nicht leben, will heißen, viele machen Therapie nach HPG nur als Nebenjob.

Tut mir Leid, dass mein Text etwas länger wurde, aber mir war es wichtig einmal Wege aufzuzeigen, von denen viele von Euch gar nichts wissen. Und ich finde SozialarbeiterInnen sollten mit viel mehr Selbstbewusstsein in die Welt gehen und die wissenschaftlichen Loorbeeren nicht nur PsychologInnen überlassen. SozialarbeiterInnen haben ein wirklich tolles Fach studiert und sind in Sachen Diversität und breitem Wissen vielen viel zu speziell ausgebildeten PsychologInnen um einiges voraus. Viele in unserer Gesellschaft denken aber, dass SozialarbeiterInnen bessere KindergärtnerInnen, Basteltanten und Onkel sind und bei einer Tasse Kaffee nicht viel mehr sagen können "ach das wird schon wieder". Nein SozialarbeiterInnen sind heute ebenfalls wissenschaftlich qualifiziert und können eine sehr interessante Alternative bei der Therapie auch gerade von Erwachsenen sein. Diesen Anspruch muss die SozialarbeiterInnen Welt aber, will sie ernstgenomen und gehört werden, viel lauter als bisher kundtun.

Als Sozialarbeiterin/-pädagogin kannst Du Kinder- und Jugendlichentherapeutin werden, aber nicht Psychotherapeutin für Erwachsene. Das geht nur über ein Medizin- oder Psychologiestudium plus Zusatzausbildung. Eine Beratungstätigkeit ist natürlich in jedem Fall möglich.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Seit 30 Jahren Psychol. Psychotherapeut in eigener Praxis