Übersprungshandlung?
Mir ist aufgefallen, dass auf dieser Plattform häufig Verhalten von Hunden mit "ist eine Übersprungshandlung" erklärt wird, meistens dann, wenn auf Stress und/oder Überforderung zu schließen ist.
Ich habe in meiner Ausbildung gelernt, dass man nur dann von Übersprungsverhalten spricht, wenn ein Motivationskonflikt besteht. Wenn der Hund also die Motivation dazu hat, zum Beispiel zu fliehen, gleichzeitig aber auch angreifen zu wollen. Geht nicht beides, die Motivationen blockieren sich, also erscheint ein drittes Verhalten, das mit der Situation an sich nichts zu tun hat.
Ein Verhalten, dass in der einen Situation Übersprung ist, ist in der anderen "nur" Anzeichen von Stress oder ähnlichem.
Deswegen wollte ich nun mal aus reinem Interesse nachfragen, wie ihr den Begriff für euch definiert, wann ihr ihn benutzt, und warum. Was macht ein Übersprungverhalten für euch aus?
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4 Antworten
Per Definition trifft Deine Beschreibung ja vollkommen zu, aber die Grenzen von Übersprung und Beschwichtigung sind für mich sehr schwammig und somit würde ich sagen, das die theoretische Beschreibung von Dir vollkommen korrekt ist, so hab ich es auch gelernt, aber in der Praxis verschwimmen da die Grenzen deutlich.
Ich denke die Grundursache für eine Übersprungshandlung ist Stress, ob dann da ein Konflikt mit drin ist oder nicht, wäre ja eigentlich erst einmal unwesentlich.
Beim Handfüttern bei ängstlichen Hunden sprechen wir doch eigentlich auch von einem Konfliktverhalten.
Hund möchte das Leckerchen hat aber Angst vor der Person, um sich aber das Leckerchen zu holen muß er zwangsläufig die Distanz zum Auslöser verringern, Ende vom Lied, das Fluchtverhalten wird (nicht in allen Fällen aber kann) verstärkt.
"Das reine Verhalten lässt keine Aussage darüber zu, ob es übersprungsverhalten ist oder nicht. Dazu muss man die ganze Situation kennen."
Ganz genau so sehe ich das auch.
Ja aber was mich persönlich viel mehr nervt ist das Rudelführergehabe.
Immer und immer wieder hört man nur "Du bist als Halter der Rudelführer" und "Du mußt Dich als Rudelführer durchsetzen" und wenn der Hund nicht hört, dann zeig ihm das dass was er macht falsch ist und die Methoden dann dazu die sind einfach manchmal nichts anderes als pure Gewalt an einem mehr oder weniger hilflosem Lebewesen.
Grob sehe ich es als Überforderung, im Sinne der Hund will fliehen, kann aber nicht wegen der Leine.
Der Hund will einen anderen Hund angreifen, kann aber nicht wegen der Leine und dreht dann gegen den Besitzer.
Es kann kein reiner Motivationskonflikt sein, IMHO. Es muss Stress, Überforderung dabei sein und der Hund hat keine "sinnvolle" Option den Stressauslöser zu beseitigen.
Ich glaube, ich würde da nochmal unterscheiden in Übersprungverhalten, und Barrierefrustration, was dein zweites Beispiel betrifft.
Und beim ersten Beispiel würde ich schauen, was der Hund für Verhalten zeigt. Geht er mehr Richtung Angriff? Dann würde ich sagen, dass er eben fight zeigt, weil flight nicht funktioniert. Selbiges gilt für Erstarren und freeze. Wenn er aber Verhalten zeigt, dass keine Funktion hat, also nicht dazu beiträgt, die Distanz zum Auslöser zu vergrößern, könnten es natürlich auch Stress sein. Gleichzeitig könnte man den Konflikt zwischen "fliehen, aber das geht nicht, weil Leine" ja auch als Motivationskonflikt bezeichnen. Zumindest so ansatzweise.
Aber klar, es muss immer Stress dabei sein, die Frage ist halt, ob ein Motivationskonflikt nicht immer auch Stress auslöst. Selbst wenn es zwei angenehme Motivationen sind.
Ich denke, das wichtigste ist, dass man weiß, dass immer Stress im Spiel ist. Egal ob es jetzt Übersprungverhalten ist, oder "nur" Stress oder Frust oder was auch immer.
In beiden Fällen gibt es Übersprungshandlungen.
Ich habe nicht abgestimmt weil ich eine Übersprungshandlung so einordnen würde, dass sie aufgrund eines Motivationskonflikt entstehen kann wie in deinem Beispiel fliehen oder kämpfen (bei einer Fremdhundebegegnung) = der Hund zeigt Freeze oder Fiddle about. Der Hund hat in dem Moment aber vermutlich auch Stress und ist mit der Situation überfordert.
Ich bin aber auch der Meinung, dass eine Übersprungshandlung nicht immer aufgrund eines Motivationskonflikt entsteht. Ein Beispiel hierfür wäre aus meiner Sicht: Einem Hund werden die Krallen geschnitten, dafür natürlich die Pfoten festgehalten, der Hund gähnt dabei. Dann hat er ja keinen Motivationskonflikt denn er würde weggehen wenn er könnte, er zeigt aber eine Übersprungshandlung bzw. ein Beschwichtigungssignal und hat in der Situation vermutlich Stress.
Daher würde ich das nicht so scharf trennen sondern meiner Meinung nach sorgt Stress/Überforderung für einen Motivationskonflikt und es kann sein, dass der Hund eine Übersprungshandlung zeigt.
Ich glaube, dass es grundsätzlich schwer ist, genau einzuteilen, wann welches Verhalten welcher Art von Verhalten zuzuordnen ist. Ist das Gähnen beim Krallen schneiden Stress? Oder ist es ein Signal das der Hund sendet, um zu beschwichtigen? Oder ist es Übersprungsverhalten, weil ein Konflikt entsteht zwischen zum Beispiel "Krallen schneiden ist blöd" und "aber ich bekomme dafür ein Leckerli". Mir geht es in der Frage weniger darum zu erkennen, wann es eine Übersprungshandlung ist, und wann Stress oder ähnliches, sondern mehr darum, wie man Übersprungsverhalten überhaupt definiert. Also welche Frage man sich stellt, wenn man herausfinden will, ob es eine Übersprungshandlung ist. Und die Frage, die ich mir stelle ist, ob ein Konflikt da sein könnte. Wenn ich keinen Konflikt sehe, dann würde ich das Gähnen eher in Richtung Beschwichtigung/Stress einordnen. Aber klar, im Endeffekt ist es wichtig zu wissen, dass immer Stress die Ursache ist, ob mit oder ohne Motivationskonflikt.
Ich glaube, dass das Problem auch ist, dass man halt nicht sagen kann, dass Verhalten xyz immer Übersprungverhalten, immer Beschwichtigung, immer Stress usw. ist. Man kann kein Verhalten fest einer Gruppe von Verhaltensweisen zuordnen. Ich glaube dass das was ist, was für viele Menschen schwer ist. Das reine Verhalten lässt keine Aussage darüber zu, ob es übersprungsverhalten ist oder nicht. Dazu muss man die ganze Situation kennen.
Aber ja, im Endeffekt ist das wichtigste, dass man kapiert, dass Stress mit im Spiel ist und man diesen Stress verringern sollte. Mich nervt es nur irgendwie immer ein bisschen, wenn alles als Übersprung bezeichnet wird, was erstmal keine erkennbare Funktion in der Situation hat. Oder wenn zum Beispiel Frust als Übersprung bezeichnet wird, einfach, weil dann oft keine Notwendigkeit gesehen wird, Frust in der Situation abzubauen.