Nominalisierung im Lateinischen

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Zu Beginn ein Blick auf nachfolgende deutsche Sätze:

Das Lieben ist Teil des Lebens. Dem Lieben schreiben wir viele verschiedene Facetten zu.

Was diese Sätze verbindet, sind die Formen des Verbs „lieben“. Das Verb wurde hier zum Substantiv, was man am davorstehenden Artikel erkennen kann. Diese Art des substantivierten Verbs nennt man „Verbalsubstantiv“.

Auch im Lateinischen gibt es diese Konstruktion, man bezeichnet sie als das Gerundium. Kennzeichen des Gerundiums sind die Buchstaben „-nd“, die (mit jeweiliger Kasusendung aus der a- bzw. o-Deklination) an den Präsensstamm gehängt werden.

Das Gerundium tritt in drei verschiedenen Kasus auf:

Genitiv: amandi des Liebens Akkusativ: ad amandum zum Lieben/um zu lieben Ablativ: (in) amando (beim) durch das Lieben

Einfacher Merksatz: -ndi, -ndo, -ndum – das ist das Gerundium!

Dieser Satz ist vor allem wichtig, um das Gerundium vom Gerundivum zu unterscheiden, das ebenfalls mit einer nd-Form gebildet wird.

Beachte: Bei der konsonantischen und i-Konjugation wird an den Stamm noch der Bindevokal „e“ gehängt, so dass sich dann z.B: ergibt: legendi (von legere), capiendi (von capere) und audiendi (von audire).

Übersetzungsmöglichkeiten:

Oft gibt es zwei Möglichkeiten der Übersetzung, nämlich einmal als Substantiv und als Infinitiv.

Beispiel:
ars amandi - die Kunst des Liebens oder die Kunst, zu lieben

Häufig tritt das Gerundium mit dem Präpositionen „ad“ (mit Akkusativ) und „causa“ (mit Genitiv) auf.

Beispiel: Ad amandum - um zu lieben Amandi causa - wegen des Liebens; Deutschlehrer freuen sich besonders über die Übersetzung "des Liebens wegen", weil sie streng genommen die einzig richtige Übersetzung ist. Schließlich wird "wegen" auch im Deutschen offiziellerweise nachgestellt. Leider wissen das aber 98% der deutschsprachigen Bevölkerung nicht.

Da das Gerundium wie gesagt eine Verbform ist, kann es auch Objekte und Adverbien bei sich haben:

Occasio bonos libros diligenter legendi - Eine Gelegenheit, gute Bücher gründlich zu lesen. [Wörtlicher: Eine Gelegenheit des gründlichen Lesens guter Bücher; das klingt im Deutschen allerdings unnötig kompliziert]

Octopamin  30.08.2011, 16:45

Gute Antwort! Jedoch wird die Kasusendung nur von der o-Deklination, nicht jedoch von der a-Deklination benutzt.

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Also gewöhnlich werden Verben in ein Gerundium umgewandelt, um sie zu substantivieren.

Beispiel : scribere => Nom:scribere-das Schreiben => Gen: scribendi - des Schreibens => Dat (sehr selten): scribendo => Akk: scribendum/scribere-das Schreiben => Abl: scribendo - durch das Schreiben

Partizipien und Adjektive verändern ihre Form nicht, können aber manchmal als Substantiv übersetzt werden.
Fortes fortuna adiuvat. Den Tapferen hilft das Glück. De mortuis bene loquamur! Lasst uns gut über die Toten (wörtlich: die Gestorbenen) reden. Orantem turbare nolo. Ich möchte den Betenden nicht stören.