Mir fällt es schwer mich von meiner Kindheit zu trennen?

3 Antworten

Vielleicht werden in fernster Zukunft einmal Zeitreisen möglich, aber bis dorthin kannst du nichts dagegen machen, dass du immer älter wirst. So ist das nun einmal, egal ob es einem gefällt oder nicht.

Glaub mir, auch ich hatte in deinem Alter das Gefühl, dass ich früher viel befreiter und mehr im Hier und Jetzt gelebt hatte ;-) Da geht es nicht nur uns zweien so. Viele vermissen die (vermeintlich) tolle Kindheit. Ganz so toll war sie aber meist gar nicht, wie schon der Titel "Wann wird es endlich wieder so wie es nie war" eines Buches von Joachim Meyerhoff andeutet. Nostalgie (die Einstellung, der Vergangenheit nachzutrauern) ist ein psychologischer Effekt, der manchmal auftritt, wenn wir uns (so wie du gerade, weil du nun mal in der Pubertät bist) in emotional herausfordernden Situationen befinden. Dabei bereiten uns Erinnerungsfetzen an positive Ereignisse Freude (wobei die Ereignisse in dem Moment, in dem wir sie erlebt haben, oft gar nicht so positiv waren, wie wir sie jetzt empfinden), während wir negative Erinnerungen weitestgehend ausblenden. Nostalgische Gefühle liefern uns also ein verklärtes Bild der Vergangenheit. Natürlich können solche Gefühle auch schön sein und sind grundsätzlich absolut in Ordnung. Nur darfst du ihnen nicht zu viel Macht über dich geben und solltest dich stattdessen bestmöglich auf die Gegenwart konzentrieren. Die Pubertät ist keine einfache Zeit, aber sie geht vorbei (und damit auch der Stress mit der Schule und deinen Eltern). Erfreu dich einfach an den Gedanken an das, was dir und uns die Zukunft noch alles bringen kann: viele neue und interessante Kontakte, einen spannenden Beruf, neue Erfindungen und Technologien, ...

Alles Gute für dich!

Oh, ich kann Dich sooo gut verstehen, denn es ging und geht mir genauso. Ich bin jetzt 59 Jahre alt und trauere immer noch meiner verlorenen unbeschwerten Jugend nach.

Leider gibt es nichts, was man dagegen tun kann, dass man erwachsen wird. Aber das Leben geht weiter, und es hat auch seine positiven Seiten.

(Spoiler) Es folgt eine interessante, aber lange Geschichte mit fast 1000 Wörtern:

Als ich 13 war, begann für mich ein völlig neuer Lebensabschnitt. Ich wechselte von der Realschule in ein Internat mit Gymnasium, weil mein damaliger Englischlehrer erkannte, dass ich mit einem IQ von 145(!) hochbegabt war und meinte, dass ich in einem Gymnasium besser aufgehoben wäre. Das war mitten im Schuljahr, und mir fehlten die ersten fünf Monate Latein – ein Rückstand, den ich nicht aufholen konnte.

Eines Tages – es war Hausaufgabenstunde – brachte ich deswegen nichts zustande. Der Konrektor (ein Engländer, der im Verdacht stand, pädophil zu sein) ging durch die Klassenzimmer, um zu sehen, ob alle fleißig arbeiteten. Er sah die leere Seite in meinem Heft, und ohne etwas zu sagen, gab er mit eine Ohrfeige. Damals war man noch der Meinung, dass eine Ohrfeige noch niemandem geschadet hätte...

Diese fatale Ohrfeige hat mir jedoch die Lust auf die Schule für immer gründlich verdorben. Die Folge war, dass ich die 7. Klasse wiederholen musste. Aber auch dann kam ich nicht weiter, denn meine Motivation war für immer zerstört.

Während dieser Zeit fand ich aber auch neue Freunde, und einer von ihnen ist heute (nach 46 Jahren Freundschaft) immer noch mein engster Vertrauter und der Mensch, der mir heute am nächsten steht.

Nach 2 1/2 Jahren flog ich dann aus dem Internat und kam in die Hauptschule, also die unterste Stufe. Dann hatte ich erst recht keine Lust mehr und habe immer öfter geschwänzt. Das ging so weit, dass mein Vater wegen Verletzung der Schulpflicht ein fettes Bußgeld zahlen musste.

Mein Abschlusszeugnis war verheerend. Ich hatte mehrere Fünfer, weil ich einfach keine Leistungen mehr erbracht hatte.

Als die Schule vorbei war (ich war damals 16), beschloss ich, meine Bildung selbst in die Hand zu nehmen. Seitdem habe ich, bis heute, alles Wissen, das ich nur kriegen konnte in mich aufgesaugt, egal ob ich es brauchen konnte oder nicht.

Nach einiger Zeit fand ich einen Job als Verkäufer in einem Geschäft für elektronische Bauteile, und dort lernte ich, mit den ersten Computern für den Hausgebrauch umzugehen. Es war total faszinierend, diese ganz neue Technik als einer der Ersten kennen zu lernen. Doch weil ich mich mehr für die Computer interessierte als für die Kundschaft, verlor ich diesen Job bald wieder. Es begann eine wahre Odyssee mit vielen Jobs, die ich alle nicht länger als ein halbes Jahr hatte.

Nach einiger Zeit beging ich immer wieder „Jugendsünden”, die mich für drei Jahre ins Gefängnis brachten; eine Zeit, die ich damit verbracht habe, in Eigenregie Physik zu studieren. So habe ich diese verlorene Zeit wenigstens genutzt, um mein Wissen sehr zu erweitern. Ich habe zwar nie eine Universität von innen gesehen, aber weiß heute fast so gut Bescheid wie ein Doktor der Physik. — In Mathe bin ich aber eine totale Niete...

Nach der Entlassung zog ich zu meiner Mutter. Ich lernte durch sie viele berühmte Jazzmusiker kennen, die alle Englisch sprachen, und so habe ich echte englische Umgangssprache gelernt. Ich fand einen Job in einer Fabrik für Transformatoren, der mir Spaß machte und blieb dort für fast 3 Jahre. Dann starb meine Mutter und ich fiel in ein seelisches Loch, das mich lange Zeit gefangen hielt. Dann verlor ich die gemeinsame Wohnung und musste in eine Notunterkunft, wo ich viele Leute aus der untersten Bevölkerungsschicht, also bettelarme Abgestürzte, Alkoholiker und Drogensüchtige kennen lernte. Während dessen ging meine Odyssee mit den Jobs weiter. Ich hatte immer wieder nur für kurze Zeit einen Job, den ich bald wieder verlor.

So ging das über 20 Jahre. Ich kam einfach nicht mehr hoch. Eines Tages jedoch, wendete sich alles zum Guten. Ich bekam eine Wohnung, in der ich nun seit 10 Jahren lebe und vor 6 Jahren fand ich den Job, den ich auch heute noch habe. Ich bin dort das „wandelnde Lexikon” und habe mich mit meinem Wissen unentbehrlich gemacht. Meine Kollegen kommen mit allen technischen Fragen zu mir und sind froh, dass ich ihnen so kompetente Auskunft geben kann, inklusive wissenschaftlichen Erklärungen.

Ich habe mir einen passablen Lebensstandard aufgebaut und ein paar Tausend Euro angespart. So sehe ich einer schönen Zukunft entgegen. Leider merke ich aber auch, dass ich langsam richtig alt werde und mein Körper wird immer mehr gebrechlich, weil ich nie Sport getrieben habe. — Ich fühle mich manchmal wie ein 80-Jähriger, obwohl ich noch wie ein 45-jähriger aussehe...

In meinem Innersten bin ich aber der Junge geblieben, der ich mit 13 war. Ich liebe technische Herausforderungen und kann mir jeden Tag aufs Neue beweisen, dass es ein weiser Entschluss war, immer weiter zu lernen, was ich nur in meinen Kopf kriegen konnte. Ich bin beliebt und werde wegen meines ungewöhnlich großen Wissens von allen geschätzt und respektiert.

Alles in Allem hatte ich ein interessantes Leben und habe viele revolutionär neue Technologien kennen gelernt und lerne auch heute noch jeden Tag etwas Neues dazu. Wahrscheinlich ist es meine bis heute unstillbare jugendliche Neugier, die mich am Leben hält.

Das ist also meine Lebensgeschichte. Meine Kindheit und Jugend war wunderschön und entspannt, die Pubertät war auch noch recht schön, aber ich hatte danach Höhen und Tiefen, die mich zu dem machten, der ich heute bin.

Du musst Dich nicht von Deiner Kindheit trennen. Du kannst Dir einen Teil davon für immer bewahren und daran immer weiter wachsen. Auch Du wirst Höhen und Tiefen erleben, aber das ist das Leben – ein ständiges Auf und Ab.

Ich wünsche Dir alles Gute und hoffe, dass Du es besser machst als ich. Das dürfte nicht schwierig werden, denn ich habe es lange Zeit ziemlich schwer gehabt. Aber ich habe mich nach Rückschlägen immer wieder aufgerappelt und nie aufgegeben und das solltest auch Du niemals tun, denn das Leben kann sehr schön sein, wenn Du positiv denkst und Dir das „Kind im Manne” bewahrst.

Viel Glück beim erwachsen Werden!

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
verreisterNutzer  01.07.2021, 13:59

vielen vielen dank das sind mega gute worte und danke für den langen text

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VeraLife  01.07.2021, 17:42

denn wer aufgibt hat schon verloren vom kind im weibe

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Pubertät ist, wenn die Eltern anfangen schwierig zu werden - ich denke, du solltest dir dein inneres Kind erhalten und das unbefangene Wesen auch es wird dir helfen, die ernsten Zeiten im Leben leichter zu bewältigen, in denen wir überlegen müssen und immer mehr Verantwortung erhalten und übernehmen müssen .