Menschenbild Epikur?

2 Antworten

Zum 1.

Lies doch mal Epikur oder zumindest Ausschnitte.

Das finde ich am Besten

Epikur: Briefe, Sprüche, Werkfragmente. Übersetzt und herausgegeben von Hans Wolfgang Krautz Reclam, Stuttgart 1980

Zum 2.

Wenn Du googelst findest Du abgesehen von WIKIPEDIA 100 x ....... Einträge.

FG

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Zu Epikur muss man meiner Meinung nach wissen, dass seine Philosophie ein Gegenentwurf zur platonisch geprägten idealistischen Philosophie ist. Die idealistische Philosophie arbeitet mehr mit abstrakten, idealistisch definierten Begriffen in oft dualistischen Gegensatzpaaren, was bereits Parmenides als falsch abgelehnt hat. Wer in der tradierten idealistisch-dualistischen Denkungsart den Epikur liest, verwickelt sich immer wieder in Widersprüche, weil diese Denkungsart auf Epikur nicht passt. Schon das Begriffspaar Geist und Materie wird von Epikur abgelehnt. Für ihn durchdringen sich beide, sind beide nur als denkerisches Hilfsmittel zu trennen, keineswegs aber ontologisch.

Epikurs Weltbild ist bereits evolutionär, wie es Heraklit beschreibt, in ständigem Verwandlungsprozess. Teil dieses Prozesses ist der Mensch und selbst gesellschaftlich in ständigem Wandel. Darum gibt es für Epikur weder starre Gesetze, noch starre moralische Werte und Normen. Alles entwickelt sich - wie es Marx später ausdrückt - gemäß den Bedingungen des jeweiligen Seins, auf die der Mensch flexibel reagiert. Bei Epikur finden wir dann auch den Begriff des Gesellschaftsvertrags, der dann später in der Aufklärung in unsere moderne Gesellschafts- und Staatsauffassung überführt wird.

Die Epikureer sind wahrscheinlich die ersten, die nicht von Wahrheit sondern von Wahrheitswahrscheinlichkeit sprechen. Darum findet man auch bei ihm in der Erkenntnistheorie erste Ansätze des Ende des 20. JH von Rainer Karl Popper ausgearbeiteten Falsifikationsprinzips. Epikur bewahrt sich immer ein beherrschbares Maß an Skeptizismus. Ebenso, Anfang des 20. JH taucht erst wieder bei den amerikanischen Pragmatikern ein Prinzip auf, das bereits bei Epikur zu finden ist: Alles was wirkt, hat existente Ursachen. Wenn Menschen an bestimmte Gottesbilder glauben und sich davon leiten lassen, wirken diese Götter über das Verhalten der Menschen. Insoweit sagt Epikur verkürzt: Götter gibt es, weil die Menschen nach Vorstellungen darüber handeln.

Für Epikur sind Menschen nicht nur verstandeskontrolliert sondern auch emotional angetrieben, was in Maßen gut ist, im Übermaß zu Fehlentwicklungen führt. So gibt es für ihn eine natürliche Angst, die vor Gefahren schützt, es gibt aber auch eine künstlich geschürte Angst, die sich nur in den Vorstellungen und Meinungen einnistet. Dieses Schüren von Angst und Hysterie ist ein immer wieder gern gebrauchtes Mittel politischer Lenkung, das die Menschen zu willfährigen Marionetten macht. Ebenso außer Kontrolle geraten können aber aus dem Ruder gelaufene Begierden, die sich in Süchte verwandeln, Sucht und Gier nach Macht, nach Reichtum, nach Bequemlichkeit. Alle natürlichen und guten Antriebe können außer Kontrolle geraten.

Epikurs höchstes Ziel ist nicht das Wohlleben sondern die persönliche Autarkie und Freiheit. Diese zu bewahren gilt es, sich weder von Ängsten noch von Begierden überwältigen zu lassen. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dass Epikur eher ein Asket ist, was übertrieben wäre. Wichtig ist für ihn ein gelingendes Leben (was zu seiner Zeit schwieriger war als heute, da es kaum soziale Absicherungen gab). Dafür gibt es keine allgemeine Regel, außer, sich nicht von falschen Emotionen überwältigen zu lassen. Menschen sind als Individuum zu verschieden. Epikur empfiehlt Freundeskreise, in denen man sich vertrauensvoll austauschen und beraten kann. Wer das Gefühl hat, dass sein Leben in einer guten Spur ist, erntet als Frucht die Gelassenheit, die besonders hilfreich ist, mit Emotionen vernunftkontrolliert umzugehen.

123Tangente  23.05.2019, 14:43

s. swikipedia

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berkersheim  23.05.2019, 15:17
@123Tangente

Über die Jahrhunderte der christlichen Dominanz, als die Philosophie zur Dienerin der Theologie degradiert wurde, war Epikur als Erzfeind der Christen vielen Entstellungen und Verleumdungen ausgesetzt. Von seinen wohl über 500 Büchern sind dann gerade mal 3 Briefe und einige Zitate, davon auch unechte von seinen Feinden, übrig geblieben. Warum Erzfeind: Epikur hatte offen gelehrt, dass es kein Leben nach dem Tod gibt. Seine Philosophie war auf das aktuelle Leben ausgerichtet. Die Macht des Christentums jedoch bestand darin, ein Leben nach dem Tod als das Wichtigste darzustellen, das aktuelle Leben gerade mal als Bewährung dazu, allerdings von den Segnungen der Kirche vermittelt. Es gab kein Heil außerhalb der Kirche. Genau dem widersprach Epikurs Philosophie. Leider finden sich auch bei Wikipedia Aussagen über Epikur, die noch ihre Wurzeln in den Verleumdungen der christlichen Propagandisten haben. Da werden Aussagen von Cicero oder Plutarch zitiert, die bereits in der Antike zu den Gegnern des Epikureismus gehört haben, und als epikureisch ausgegeben. Da wird Epikur als Lust- und Glücksphilosoph ausgegeben, was in dieser Verzerrung nicht stimmt. Fresser und Säufer waren die gängigsten Verleumdungen.

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123Tangente  23.05.2019, 21:15
@berkersheim

Das ist mir bekannt. Aber Herzchenmichi ist Schüler/Schülerin, möglicherweise an einem humanistischen Gymnasium und benötigt einfache Antworten für eine Schulaufgabe? Referat? Ich glaube nicht, dass er/sie so ohne weiteres den platonischen Dualsimus parat hat und damit in den Diskurs treten kann.

Was Du sehr fundiert vorträgst, ist eine fantastische Vorlage für eine Proseminararbeit. Chapeau!

Ich habe es mit großem Interesse gelesen. Vor allem den Teil über die Wirkungsgeschichte.

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