Kann Gott gütig, allwissen und allmächtig sein? Oder ist das ein Widerspruch in sich?

18 Antworten

Von Experte Kajjo bestätigt

Dieses Paradoxon (das in der Grafik übrigens sehr schön dargestellt wird👍) ist eines der stärksten Argumente gegen den jüdisch-christlich-islamischen Gott "YHWH/Gottvater/Allah". Es gibt natürlich noch sehr viele weitere Argumente, aber allein die Tatsache, dass die Theodizee-Frage von Seiten der monotheistischen Gläubigen bis heute nicht gelöst werden konnte, macht sie zu einem Juwel in der Argumentation gegen den Glauben an einen persönlichen Schöpfergott.

Es gibt eigentlich nur einen Rettungsanker für die Gläubigen: man nimmt eine oder mehrere dieser postulierten Eigenschaften wieder weg. Die Götter im Hinduismus sind zum Beispiel nicht allmächtig, manche sind auch nicht grenzenlos gut/gütig. Andere Religionen kommen ohne einen Schöpfergott aus, zum Beispiel der Taoismus, der mit dem "Tao" einfach nur einen weiteren undefinierbaren Faktor in die Kausalkette "Wie entstand das Universum?" einbringt.

EDIT: gerade ein paar Antworten von Gläubigen gelesen. Natürlich habe ich das ultimative und unschlagbare "Argument" wiedermal vergessen:

"Des Herrn Wege sind unergründlich!" - gerne auch als "Wir kleinen Menschen können Gott eben nicht völlig verstehen!", oder - etwas salopp - "Es steht uns nicht zu, Gott so zu hinterfragen!"...

Das Theodizeeproblem ist ein wirklich gutes Argument gegen die Existenz des klassischen Gottes. Ich glaube aber, dass es intellektuell schon gelöst wurde und nur noch eine emotionale Stärke hat. Schließlich berührt Leid uns alle.

Die Grafik zeigt sehr gut die Grenze des Argumentes. Denn der Knackpunkt ist genau, dass das Problem des Bösen nicht die Möglichkeit betrachtet, dass Gott etwas Gutes aus dem Leid hervorbringen kann. Die Grafik zeigt nämlich nur vier Begründungen: freier Wille, Test, Satan oder die Einschränkung einer seiner Eigenschaften. Es fehlt aber die Möglichkeit, dass Gott Gutes aus dem Leid hervorbringen kann, auch wenn wir aus unser begrenzten menschlichen Sicht nicht immer wissen können, was dieses Gut ist.

Wenn jemand diese Powition ablehnen will, nimmt er eine extreme Beweislast auf sich. Denn dann muss man beweisen, dass es Leid gibt, das so absolut ist, dass Gott niemals ein größeres Gut daraus hervorbringen könnte. Um das aber zu beweisen, müsste man die Gottes Perspektive haben und die haben wir letztlich nicht.

Damit ist das Paradox gelöst.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
Aequitas49 
Fragesteller
 12.07.2021, 11:25

Was ist denn das Gute an einem kleinen Kind mit Knochenkrebs, dass nach einigen Monaten unter Qualen stirbt?

Die Lösung des Paradoxons besteht für dich in der Aussage: Wir können es nicht wissen, aber es ist so.

Das ist nun keine befriedigende Antwort. Zumal Gott ja sehr wohl in der Lage zu sein scheint, einen Ort ohne Leid zu schaffen. Bestes Beispiel: Der Himmel. Er hat es halt einfach unterlassen und uns in einem Universum zurückgelassen, welches eben Leid enthält. Also entweder konnte er nicht anders, oder er wollte nicht.

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DesideriumFinis  12.07.2021, 19:04
@Aequitas49
Was ist denn das Gute an einem kleinen Kind mit Knochenkrebs, dass nach einigen Monaten unter Qualen stirbt?

Ich habe ja vorher geschrieben, dass wir aus unserer Sicht nicht immer das Gute sehen können, dass Gott daraus hervorbringen kann. Aber ja, ich glaube, dass Gott selbst aus so einer Situation Gutes hervorbringen könnte. Ansonsten müsstest du beweisen, dass es ein Leiden gibt, dass absolut ist, dass also niemals, nicht Mal aus der Perspektive der Ewigkeit etwas Gutes hervorbringen könnte. Klar, es bleibt ein emotionales Problem.

Die Lösung des Paradoxons besteht für dich in der Aussage: Wir können es nicht wissen, aber es ist so.

Ne, die Lösung besteht darin, dass Gott selbst aus dem Bösen oder Leid etwas Gutes hervorbringen kann. Genau diese Möglichkeit beachtet das Argumebt und die Grafik nicht. Das ist übrigens die Lösung des Paradox, die Thomas Aquin schon vor 700 Jahren ausführlich beschrieben hat. Es lohnt sich wirklich, die Abschnitte der Summa Theologicae darüber zu lesen, egal ob du Theist oder Atheist bist...

Zumal Gott ja sehr wohl in der Lage zu sein scheint, einen Ort ohne Leid zu schaffen. Bestes Beispiel: Der Himmel. Er hat es halt einfach unterlassen und uns in einem Universum zurückgelassen, welches eben Leid enthält. Also entweder konnte er nicht anders, oder er wollte nicht.

Hier muss man vorsichtig sein. Gott hat das Leid oder Böse nicht erschaffen. Metaphysischen gesehen, existiert es ja auch nicht, da es nur ein Fehlen eines Guts ist oder in der Fachsprache "Privatio Boni". Jedes Leid ist im Grubde nur das Fehlen eines entsprechenden Gutes (Gesundheit, Leben,...) Gott ist also nicht die Ursache des Leidens oder des Bösens, sondern Leiden und Böses treten als Akzidenten in einer endlichen Welt auf (sie werden "per accidens" verursacht, wie man in der Philosophie sagt). Übertragen in eine nicht finite Welt (Himmel) gibt es diese Verursachung nicht mehr...

Wir Theisten vertreten die Position, dass Gott einen hinreichenden Grund hatte, eine endliche Welt zu schaffen, auch wenn diese Leiden möglich macht. Wir behaupten nur, dass dieser Grund "besser" ist als das Leiden. Was dieser Grund im Detail ist, wissen wir nicht und ist auch für die Lösung des Paradoxes egal. Im Himmel wird es diesen Grund nicht mehr geben.

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Aequitas49 
Fragesteller
 12.07.2021, 19:59
@DesideriumFinis

Aber ist nicht die Grundannahme von der du ausgehst eine Annahme sui generis? Also die Gutheit Gottes wird vorausgesetzt. Und wenn etwas nicht gut erscheint, dann ist es trotzdem gut, nur in einem metaphysischen oder anderen Sinne, den wir nur nicht verstehen. Also löst du das Problem in dem du erklärst, dass Leid in Wirklichkeit gar kein Leid ist, wenn ich dich jetzt richtig verstehe. Keine akzeptable Botschaft für das Kind mit Knochenkrebs. Und ehrlich gesagt auch für weniger evidente Fälle nicht. Warum leide ich, wenn Gott das Leiden auch einfach beenden könnte? Selbst wenn du es auf die Abwesenheit eines Guts schiebst, wäre es für einen Allmächtigen Gott ja ein leichtes, jene Abwesenheit sofort zu beenden. Zum Beispiel könnte ein gütiger und allmächtiger Gott den Krebs verschwinden lassen.

Warum kann er das vermeitnlich Gute was durch das Leid entsteht nicht ohne das Leid bereitstellen? Bzw. wenn er es kann, warum tut er es dann nicht?

Was Thomas von Aquin angeht, so versucht er ja keinen handelnden bzw eingreifenden Gott (geschweige denn menschen-liebenden) zu beweisen, sondern überhaupt einen Schöpfer des Universums (Ich gebe aber zu, dass ich mich nicht besonders mit Thomas von Aquin beschäftigt habe).

Gehen wir jetzt aber von einem liebenden bzw. handelnden Gott aus, wie ihn das Christentum voraussetzt, wird man sofort auf die Frage kommen, warum Gott kein Universum ohne Leid (Meinetwegen konkreter, ohne Krankheit, ohne Schmerzen, ohne Sorgen) geschaffen hat. Wie gesagt, selbst wenn man auf das Fehlen eines Guts wie Gesundheit abstellt, könnte ein Allmächtiger Gott diesen Zusand entweder beenden (indem er eine Krankheit verschwinden lässt), oder es gar nicht erst aufkommen lassen. Warum gibt es auf dieser Erde Bakterien, deren Existenz mir Leid verursacht? Warum verdursten Menschen, weil ihre Flüsse austrocknen? Warum kommt bei manchen Menschen das biochemische Gleichgewicht im Gehrin durcheinander, sodass sie Depressionen bekommen? Und warum ist das Leid so unterschiedlich vertreilt? Hier auch nochmal der Hinweis, dass die Bibel einen solchen Ort ohne Leid mit dem Paradies sogar proklamiert. Nur eben nicht in diesem Universum. Warum das an der endlichkeit der Welt liegen soll, erschließt sich mir nicht. Leid und kein Leid ist grundsätzlich sowohl in einer endlichen, wie auch einer unendlichen Welt denkbar. Jedenfalls fällt mir kein Grund ein, der dagegen spräche. Na gut, in einer unendlichen Welt müsste man nicht sterben. Das ist aber auch das einzige. Leid gibt es auch unabhängig vom Tod.

Das lässt nur zwei Schlussfolgerungen zu, wenn man von einem handelnden Gott ausgeht: Entweder Gott kann es nicht, oder Gott will es nicht.

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DesideriumFinis  13.07.2021, 19:46
@Aequitas49

Klar, ich gehe in meiner Argumentation von einem perfekt guten Gott aus. Es geht schließlich bei dieser Frage darum, ob er im Angesichts des Leides überhaupt existieren könnte und nicht darum, ob er wirklich existiert. Das wäre eine andere Diskussion.

Also löst du das Problem in dem du erklärst, dass Leid in Wirklichkeit gar kein Leid ist, wenn ich dich jetzt richtig verstehe.

Nicht wirklich. Leid ist Leid und existiert, aber nicht als Sache an sich, sondern nur als Abwesenheit. Genauso wie Dunkelheit an sich nicht als Sache existiert, sondern nur die Abwesenheit von Licht ist. Aquins Lösung des Problems ist aber nicht, dass daher das Leid nicht existiert. Der Punkt des Bösen als Abwesenheit eines Guts ist nur wichtig, um zu zeigen, dass Gott nicht die Ursache von Leid und Bösen ist. Die Lösung von Aquin ist, dass Gott selbst aus dem Leid Gutes hervorbringen kann und dass er deshalb einen hinreichenden Grund hat, dieses Leid zuzulassen. Er nimmt es also nicht einfach weg, weil er einen besseren Grund hat es zuzulassen. Das ist die Antwort auf alle Beispiele, die du gegeben hast. Warum nimmt Gott den Krebs nicht weg? Warum lässt er Depression zu? Etc.. Weil er einen hinreichenden Grund hat, es nicht zu tun und dieser Grund ist besser als das Leid.

Warum kann er das vermeitnlich Gute was durch das Leid entsteht nicht ohne das Leid bereitstellen? Bzw. wenn er es kann, warum tut er es dann nicht?

Das ist natürlich jetzt die richtige Frage. Die Antwort ist aber simpel. Gott kann diese Gûter nicht einfach so hervorbringen. Selbst Gott kann z.B. kein Gut hervorbringen, das sich nur durch die Erfahrung des Leidens hervorbringen lässt. Ein solches Gut wäre z. B. die Erfahrung einer Liebe selbst im Leid oder die Größe der Liebe, die selbst Leiden auf sich nimmt. Ist Gott also nicht allmächtig, wenn er diese Güter nicht einfach so hervorbringen kann? Nein, weil Allmacht nicht definiert ist als die Fahigkeit alles denkbar mögliche tun zu können, sondern nur alles in sich nicht widersprüchliche tun zu können. Thomas von Aquin listet eine Reihe von Dingen und Konditionen auf, die Gott nicht machen kann, weil sie widersprüchlich sind z.b. runde Quadrate, etc. Allmacht ist also sehr genau definiert und nicht willkürlich... Eine dieser widersprüchlichen Dinge wäre Güter hervorbringen ohne Leid, die man aber nur mit Leid hervorbringen kann...

Nochmal zum Himmel. Der Unterschied zwischen Erde mit Leid und Himmel ohne Leid, ist das Gott einen hinreichenden Grund hat, auf der Erde Leid zuzulassen. Dieser Grund existiert im Himmel nicht mehr und daher gibt es dort auch kein Leid mehr...

Mit endlich meinte ich im Kommentar davor nicht so sehr etwas zeitliches, sondern mehr etwas beschränktes...

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Zur Frage der Theodizee empfehle ich das Buch Hiob, es ist sehr Lehrreich was das angeht.

Hier ist ein Video zu diesem Thema, schön illustriert und einfach erklärt.

https://www.youtube.com/watch?v=Fb0FBrvO7zQ&list=PLElFHqz-rjx6nXfgNai5YuUQbBbOD3pc4&index=27

Kurz gesagt: Du als Mensch hast gar nicht das Wissen, bzw. die Perspektive um darüber zu urteilen ob das was Gott tut oder zulässt gerecht ist oder nicht. Ein Mensch hat nur seine eigene Perspektive, sein eigenes Leben, seinen eigenen Horizont, während Gott das gesamte Universum, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Blick hat und leitet.

Du weißt nicht was für eine Auswirkung eine Katastrophe auf das Universum haben wird, Gott schon. Der Holocaust war beispielsweise natürlich eine Katastrophe, dennoch hat grade dieser Völkermord (unter anderem) dazu geführt, dass Israel heute wieder ein eigener Staat ist, wie Gott es verhießen hat.

Vielleicht sagt dir der Butterfly Effect etwas? Du hast gar nicht das Wissen zu erahnen was für Auswirkungen irgendwas auf die Zukunft und Gegenwart haben kann. Nur weil Leid existiert und Gott dies in dieser gefallenen Welt zulässt heißt das nicht, dass er nicht etwa gerecht, oder gütig ist. Dir fehlt schlicht die Perspektive um darüber ein Urteil zu fällen. Wir sollen einfach auf Gottes Wesen vertrauen, und dass er alles was geschieht dazu benutzt etwas Gutes und gerechtes zu tun, auch wenn wir es im Moment nicht verstehen.

MarioNaette  24.05.2020, 17:24

Ich verstehe auch nicht, warum Gott den millionenfachen Mord an Juden zugelassen hat und waraum der Holocaust etwas Gutes und Gerechtes war. Könnte das Gott mir mal erklären, so dass ichs verstehe?

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BadWolf27  25.05.2020, 09:56
@MarioNaette

Warte auf den nächsten Wirbelsturm. Vielleicht verbirgt er sich darin und antwortet dir.

Oder auch nicht.

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Olidi443  29.12.2022, 12:26

Wäre Gott allmächtig was er nicht ist weil er nicht existiert könnte er Israel auch ohne den Holocaust erschaffen

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Schon allein die Eigenschaften allwissend und allmächtig schließen sich gegenseitig aus. Wer allwissend ist kennt auch alle seine Entscheidungen in der Zukunft. Wer allmächtig ist kann sich frei entscheiden etwas anders zu tun. Die Eigenschaft allwissend verlangt aber das man diesen Sinneswandel vorher kennt, damit ist man aber nicht frei seine Meinung spontan zu ändern, also nicht allmächtig. Wenn man den Sinneswandel nicht vorher kennt ist man nicht allwissend.

>Epikur lehrte, die Götter seien an der Menschheit überhaupt nicht interessiert und würden nicht in die Angelegenheiten der Menschen eingreifen. Die Götter, so Epikur, hätten das Universum nicht erschaffen und das Leben sei durch Zufall entstanden. Widersprach das nicht eindeutig der Lehre der Bibel, daß es „e i n e n Gott“, den Schöpfer, gibt und daß er für seine menschlichen Geschöpfe sorgt? (1. Kor. 8:6; Eph. 4:6; 1. Pe. 5:6, 7).

Epikur lehrte auch, es könne kein Leben nach dem Tod geben. Das widersprach natürlich der biblischen Lehre von der Auferstehung. Als der Apostel Paulus auf dem Areopag sprach, werden es wohl auch Epikureergewesen sein, die ihn wegen der Lehre von der Auferstehung angriffen (Apg. 17:18, 31, 32; 1. Kor. 15:12-14).

Das gefährlichste Element der Philosophie Epikurs war womöglich auch das heimtückischste. Da er ein Leben nach dem Tod leugnete, kam er zu dem Schluß, der Mensch solle in der kurzen Zeit, die ihm auf der Erde vergönnt sei, so glücklich wie möglich leben. Wie wir gesehen haben, stellte er sich darunter nicht unbedingt ein Leben in Sünde vor, sondern er empfahl, die Gegenwart auszukosten, weil sie alles sei, was die Menschen hätten. ...

Was war denn für Christen so gefährlich an der Philosophie Epikurs? Seine Ratschläge basierten auf der von Unglauben geprägten Lebensauffassung: „Laßt uns essen und trinken, denn morgen werden wir sterben“ (1. Kor. 15:32).<

(Quelle: „Wachtturm“ 97, 1.11., S. 24)