Kann es sein dass es eine (von Gott gegebene) "Willensfreiheit" gibt?

11 Antworten

Die Philosophen (und auch die Psychologen) haben doch nun immer wieder nachgewiesen, dass der sog. "freie Wille" eine Illusion ist. Wir haben in einer Entscheidungssituation zwar das Gefühl, dass wir statt der Lösung A auch die Lösung B wählen könnten, doch tatsächlich wirken in uns (zum großen Teil unbewusst) soviel motivierende Anteile, dass wir zur Lösung A greifen. Motivierende Elemente sind dabei unsere Erziehung, unsere tausendfältigen eigenen guten sowie schlechten oder auch neutralen Erfahrungen, psychische Zwänge, Hörigkeiten, neurotische Persönlichkeitsanteile, gesellschaftliche Zwänge aus der Berufswelt, dem Bekannten- und Verwandtenkreis, der Familie, eigene körperliche Fähigkeiten oder Unzulänglichkeite, narzisstische Antriebe, Geltungsneigungen, usw, usw.

Die Resultierende aus diesen ungezählten motivationalen Elementen führt uns zu der Entscheidung A. Wir haben in diesem Moment einfach keine Möglichkeit B zu wählen. Wenn wir jetzt trotzdem B wählen würden, wären wir wie trotzige Kinder, die bewusst eine unsinnige Sache tun, um den Eltern zu beweisen, dass sie nicht gewillt sind deren Willen zu entsprechen (hier ist dann die dominierende Motivation die Auflehnung gegen die Fremdbestimmung der Eltern). Bei uns wäre es die Auflehnung gegen das Gefühl nicht frei zu sein, was dann die Entscheidung für B veranlassen würde.

Dass gläubige Menschen immer von einem "freien Willen" reden, ist lediglich der Trick der Priester, die erreichen wollen, dass wir uns bei Nichtbefolgung der kirchlichen Gebote sündig fühlen, womit sie Macht über uns ausüben können. Leider eine sehr bekannte Tatsache, die vor allem von Philosophen wie Schopenhauer, Nietzsche und Feuerbach entlarvt worden ist. Lies dazu von Nietzsche die "Genealogie der Moral".

Übrigens sind die Prozesse der Quantenphysik nur im atomaren Bereich wirksam, womit feinste Zufallsprozesse jegliche mögliche Determination denkunmöglich machen. Die recht groben Persönlichkeitsstrukturen sind dagegen schon viel manifester und stabiler, die dann primär für unsere Entscheidungen maßgeblich sind.

OlliBjoern  18.04.2023, 18:56

Das ist aber eine übliche Verwechslung von "durch Umstände kausal bedingt" mit "unfrei". Auch eine kausal bedingte Entscheidung kann frei sein. Das ist strenggenommen keine Sache von richtig/falsch, sondern eine Sache der sprachlichen Definition von "frei".

Würde man frei nur so definieren, dass diese Entscheidung "durch keinerlei äußere Umstände kausal bedingt" sein dürfe, wäre meine freie Entscheidung im Restaurant A oder B haben zu wollen, dann gegeben, wenn ich würfle (dann hat das nichts mit meiner Bevorzugung einer Speise oder meiner Historie zu tun).
Der Würfel gibt meiner Entscheidung die Unabhängigkeit.

Das kann man so machen (ist halt eine sprachliche Sache), nur entspricht das nicht der üblichen Verwendung des Terminus des freien Willens (z.B. in der Justiz).

Die Justiz arbeitet mit "Vorsatz" (der wird unterschieden von einem Unfall). Was würde ein "Vorsatz" für einen Sinn machen, würde man nicht von einem freien Willen ausgehen? Die Justiz sieht davon ab, Tiere vor Gericht zu stellen (hat man früher gemacht!). Weil wir diesen keinen freien Willen unterstellen (sondern instinkthafte Handlungen).

"frei" kann man unterschiedlich definieren, das ist auch der Grund, warum Philosophen zu verschiedenen "Ergebnissen" in dieser Frage gekommen sind.
Das lag nicht daran, dass einer der großen Philosophen da völlig falsch lag.

"Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache.“ (Ludwig Wittgenstein)

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rolfmengert  18.04.2023, 23:05
@OlliBjoern

Die Argumentation der Justiz betrifft eine ganz besondere Form der Freiheit. Hier soll der Mensch, der die "Verwerflichkeit" seiner Tat einkalkulieren kann, durch Abwägen der Gütekriterien zum Wohlverhalten gebracht werden. Wenn er sich dann trotzdem zur unrechten Handlung entschließt, kalkuliert er nur die statistische Möglichkeit des Scheitern ein und hofft, das die Sache zu seinen Gunsten auskommt. Bisweilen hat er dann halt Pech. Die philosophische Freiheitsproblematik wird hier gar nicht berührt.

Mit Wittgenstein kann man die Dinge oftmals auch nicht klären. Wem ist denn geholfen, wenn er von der "Verhexung des Verstandes" spricht. Ich bin und bleibe lieber bei einer "redlichen Abarbeitung der Probleme", um zu relativen Lösungen zu kommen, wobei mir meine Ambiguitätstoleranz hilfreich zur Seite steht.

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OlliBjoern  19.04.2023, 22:09
@rolfmengert

Ok, danke, ich habe mich vielleicht ein bisschen umständlich ausgedrückt.
Ich lasse den Wittgenstein mal weg.

Zwei Dinge: 1) mir ist noch nicht ganz klar, warum die philosophische Freiheitsproblematik davon nicht berührt wird. Ich hatte es so verstanden, dass der philosophische Begriff so "gut" sein sollte, dass er allgemein (also auch in der Justiz) angewendet werden könnte.

2) ich wollte nur sagen, dass das Adjektiv "frei" nicht eindeutig ist, also im Begriff "freier Wille". Man kann den Begriff auffassen als "unverursachter Wille" (den gibt es nicht, das hast du ja schon richtig erklärt) oder als "verursachter Wille, der aber dennoch im normalen Sprachgebrauch als frei angesehen wird".

Wenn man von einem "Freiwilligen" redet, meint man ja nicht, dass er diese Entscheidung unabhängig von der eigenen Historie oder unabhängig von den eigenen Wertüberzeugungen getroffen hat (also "unverursacht"). Man meint damit lediglich, dass er diese Entscheidung ohne äußeren Zwang (aus sich heraus) getroffen hat.

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rolfmengert  19.04.2023, 22:32
@OlliBjoern

Sofort konzidiert. Wenn du die eine spezielle Freiheitsdefinition als "Freiheit von außen Zwängen" siehst, dann bin ich ganz deiner Meinung.

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Die Quantenphysik hat ja den Determinismus widerlegt= Es ist alles Zufall und nicht determiniert...

Hat sie nicht. Sie hat nur gezeigt, dass es Situationen gibt, in denen man vom jetzigen Zustand Aussagen über zukünftige Ereignisse nur mit Wahrscheinlichkeiten machen kann. Ob es sich dabei um echten Zufall handelt oder einfach nur unser Modellgerüst noch nicht genau genug ist um in diesen Dingen ein tieferes Schema zu entdecken, ist nicht bekannt.

Von Experte OlliBjoern bestätigt

Es gibt diese Willensfreiheit, aber die kann nicht von einem Gott gegeben sein. Man kann immer nur wieder staunen, was man diesem Hirngespinst alles zubilligt. Warum hat Gott wohl die ersten beiden Menschen mit dem freien Willen ausgerüstet? Um sie dann aus dem Paradies zu vertreiben, nachdem die beiden vom Baum der Erkenntnis aßen?

Der Gedanke von der Freiheit des Willens ist nicht mehr als das, ein Gedanke, der entstanden war, um dem Wollen eine nachdrückliche allgemeine Grundlage zu verschaffen, die aus der banalen Erkenntnis resultiert, einen Willen zu haben, den man gegebenenfalls durchsetzen muss, um seine Bedürfnisse und Interessen durchzusetzen. Schon die Babys üben sich darin, wenn sie nach der Flasche schreien.

Selbstverständlich unterliegt auch der freie Wille Beschränkungen, die die physikalische, chemische, biologische, soziale und kulturelle Determiniertheit vorgibt. Aber das bedeutet nicht, dass das Hirn oder eines seiner Teile unseren Körper, unser Denken, Entscheiden und Handeln steuert, sondern wenn wir etwas wollen, dann entscheiden wir im Bewusstseinsstrom darüber, was wir tun oder lassen wollen. Wenn sogenannte Hirnforscher behaupten, dass kein freier Wille existiert, dass alle Entscheidungen vorweggenommen sind durch Nervenzellen in der Großhirnrinde, weil dies im MRT so angezeigt werde, dann bleibt nur zu antworten, dass vor jeder Entscheidung das Gedächtnis aufgerufen werden muss, um alte mit neuer Information abzugleichen, um die Entscheidung vorbereiten zu können und das dauert einen Moment, so dass der falsche Eindruck entsteht, das Hirn würde die Entscheidung vorwegnehmen.

Der Gedanke vom freien Willen kann kein statisches Phänomen sein, weil er ein Gedanke ist und bleibt, und, wie gesagt, nachdrücklich wirken soll und somit ein aktuelles Wollen unterstützt. Wo findet das statt? Im Bewusstseinsstrom, einem energetisch informationellen Prozess, der sich aus verschiedenen Formen von Energie zusammensetzt, aber vor allem, transformiert jeweils, die akustische Information transportiert, denn unser Bewusstsein ist vor allem durch die akustische Information bestimmt (weil wir auch verstehen müssen, worum es geht). Alle andere Information aus anderen Sinnesorganen ist mit der akustischen Information weitestgehend assoziiert, d.h. wir nehmen wahr und hören, was wir denken. Das Denken - die Assoziation von Informationen - ist ein akustisches Ereignis ...

Ich glaube es herrscht eine gewisse Erwartungshaltung an den "Freien Willen".

Man gewinnt den Eindruck, er wäre erstrebenswert, weil Freiheit erstrebenswert ist.

Doch in Bezug auf den menschlichen Geist ist das alles andere als Wünschenswert.

Freiheit des Willens würde bedeuten, dass der Wille auch nicht mehr an "Bedürfnisse" gekettet ist. Somit gäbe es auch keine Erfüllung von Bedürfnissen, da diese nicht relevant wären. Und ohne erfüllte Bedürfnisse würde man verhungern, verdursten, hätte keine Erfolgserlebnisse etc.

Der Wille ist nicht frei, sondern vielmehr selbstbestimmt und passt sich den eigenen Bedürfnissen an - und das ist auch gut so.