Hat die Quantenmechanik den Determinismus widerlegt?

3 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Quantenmechanik, insbesondere in Verbindung mit Chaos, macht den Determinismus schon ziemlich platt. Aber auch einfachere Überlegungen sprechen dagegen:

Determinismus führt zu einem Selbstreferenz-Widerspruch ähnlich dem Friseursparadoxon, dem Gödelschen Unvollständigkeitssatz und Turings Halteproblem. Wenn alles vorherbestimmt ist, dann liegt die detaillierte Information über die Zukunft im Universum bereit und ist im Prinzip auslesbar und durch Menschen vermeidbar, außer wenn auch die Information über das Auslesen der Information und die Vermeidung schon bereitliegt, genau wie die Infomation über das Auslesen der Information über das Auslesen usw. ad vomitum, um das Paradox zu umgehen. Der Speicherplatz auch eines unendlichen Universums kann aber nicht mächtiger sein als das Universum selbst.

nobytree2 
Fragesteller
 01.09.2022, 14:15

Dankeschön!

0

Zuerst muss natürlich gefragt werden, was wir unter Determinismus verstehen wollen, denn ist das nicht geklärt, redet man aneinander vorbei.

Fakt ist, unser Universum besteht nur aus Energie und Materie und deren Bewegung, von daher ist alles physikalisch determiniert und haben die Gesetze der Physik einen Vorrang. Die physikalische Determination rangiert an erster Stelle gegenüber der chemischen, biologischen, sozialen und kulturellen Determination. Alle nach der physikalischen Determination folgenden Determinationen sind möglich, weil die Gesetze der Physik diese zulassen.

Lassen die Gesetze der Physik 'Zufall' zu oder kennen wir die konkreten physikalischen Bedingungen dieser so bezeichneten Erscheinung nicht? Lassen sich überhaupt die konkreten Bedingungen beobachten oder werden sie nur mathematisch eruiert, also bloß behauptet?

Die Quanten-Physik wird seit einiger Zeit schon herangezogen, um das vermeintliche Bewusstseinsrätsel als solches nicht etwa einer Lösung zuzuführen, sondern es bis zum Sankt-Nimmerleinstag zu verstetigen.

Der freie Wille ist Teil unserer Wert- und Begriffssysteme, d.h. unserer Gedanken. Informationell bestehen unsere Gedanken aus Worten, die sich aus der erlernten Muttersprache ergeben. Die Sprache dominiert den größten Teil unserer Bewusstseinsinhalte und erfasst jegliche andere Sinneswahrnehmung mit einem Wort oder Begriff. Die Sprache ist ein akustisches Phänomen, d.h. sie ist, abstrakter ausgedrückt, eine Sonderform mechanischer Energie mit einer informationellen Bedeutung. Das ist schon das ganze Geheimnis unseres Bewusstseins: das ist die Sprache in unserem Kopf, in der wir allen Sinneswahrnehmungen, Erfahrungen, Interessen und Bedürfnissen Ausdruck verleihen, in der wir das kollektive oder gesellschaftliche Bewusstsein zu unserem Vorteil modifizieren, indem wir darin denken und träumen.

Die Sprache kam in den Kopf als Energie, die auf das Trommelfell drückt, Hammer, Amboß und Steigbügel wird bewegt, d.h. die akustische Energie wird in rein mechanische Energie transformiert und in der Endolymphe der Cochlea ins Corti-Organ zu den inneren Stereozilien (Sinneshaar) transportiert, die, stimuliert, subjektiv einen Höreindruck vermitteln, objektiv ein Aktionspotential freisetzen und Gleichstrom bewegt sich zum Hirnstamm.

Mit der Transformation der akustischen Energie zu rein mechanischer Energie bleibt die akustische Information immer erhalten und so auch bei allen weiteren Transformationen von einer Energieform in die andere.

Der Gleichstrom transportiert die akustische Information in den Hirnstamm, hier wird aus Gleichstrom Wechselstrom, einhergehend mit allen Erscheinungen des Elektromagnetismus, aber immer bleibt die akustische Information erhalten. Vom Hirnstamm fließt der Wechselstrom zum Thalamus, wo wieder umgeschaltet wird auf Gleichstrom, der zu den einzelnen Hirnarealen in der Großhirnrinde fließt, nun ist die akustische Information gesplittet, fragmentiert, abstrahiert und wird als chemische Verbindung gespeichert.

Diesen Weg geht die akustische Information zurück, wenn sie abgerufen bzw. erinnert wird, sie geht zurück, bis sie wieder im Corti-Organ der Cochlea angekommen ist, nach den Transformationen der verschiedenen Energieformen in umgekehrter Reihenfolge. Nun werden die äußeren Stereozilien von innen stimuliert. Dabei wird elektrische Energie in rein mechanische Energie transformiert, aber immer bleibt die akustische Information erhalten. In der Endolymphe der Cochlea wird die mechanische Energie zu den inneren Stereozilien transportiert, und nun hören wir, was wir erinnern wollten.

So vollzieht sich der Bewusstseinsstrom: wir nehmen unser Denken wahr als inneren Monolog über das Für und Wider unserer Erwägungen, als akustisches Ereignis. Nur im Bewusstseinsstrom denken wir. Nicht mit Teilen des Hirns denken wir oder gar das Hirn denkt selber.

Wir haben einen Begriff vom freien Willen durch unser kollektives oder gesellschaftliches Bewusstsein, durch unsere dadurch geprägte Persönlichkeit, die sich nur entwickeln konnte, weil uns die soziale Interaktion zur Sprache gebracht hat. Natürlich ist der freie Wille eingeschränkt durch gesellschaftliche und kulturelle Konventionen, durch unser biologisches Wesen und letztendlich durch die physikalische Determination. Aber das Maß an Freiheit bleibt doch trotzdem groß genug, einen freien Willen nicht nur zu beanspruchen, sondern davon auszugehen, dass wir einen freien Willen haben ...

nobytree2 
Fragesteller
 01.09.2022, 21:00
Informationell bestehen unsere Gedanken aus Worten, die sich aus der erlernten Muttersprache ergeben. 

Ich glaube, das ist nicht ganz richtig. Es gibt meines Wissens empirische Befunde, dass manche Menschen zwar von etwas eine Vorstellung, jedoch keinen Wort-Begriff haben. Klares Beispiel Kleinkinder, aber auch bestimmter Ureinwohner / indigene Völker. Teilweise werden die Worte erst mit bereits vorhandenen Gedanken assoziiert, können daher nicht dasselbe sein.

Aber davon unabhängig, vielen Dank für die Antwort! Da war eine gehörige Portion Biologie am Start.

Aber das Maß an Freiheit bleibt doch trotzdem groß genug, einen freien Willen nicht nur zu beanspruchen, sondern davon auszugehen, dass wir einen freien Willen haben ...

Dem stimme ich absolut zu, das ist ein notwendiges Fazit.

0
bundesanwalt  02.09.2022, 14:34
@nobytree2

Nein, das ist ein Irrtum, kein Mensch kann selbständig existieren ohne Sprache.

Gerade das von Dir angeführte Kleinkind ist der Beweis dafür. Das hat noch keine Sprache, weil es die erst erlernen muss. Das ist in etwa so, wie die Menschheit erst durch soziale Interaktion eine Sprache nach und nach entwickeln musste, und sich damit aus dem Tierreich verabschiedete. Ein Kind ohne Sprache und ohne jedwede Zuwendung würde verkümmern, d.h. so etwas wie Tarzan kann es nicht geben.

Ich wage von daher zu bezweifeln, dass es solche solche Menschen gibt, wie Du oder etwaige Studien behaupten. Um von etwas eine halbwegs richtige Vorstellung zu erlangen, muss ich den Informationsüberschuss des Menschen anzapfen, d.h. das kollektive oder gesellschaftliche Bewusstsein bzw. Gedächtnis, das zuerst als Sprache vorhanden war und auch ohne Sprache nicht zu verstehen ist. Auch indigene Völker funktionieren als Menschen nicht anders als wir, selbst wenn uns ihre Sprache primitiv erscheint.

Es gibt natürlich ein animalisches Restbewusstsein oder Unterbewusstsein, ohne das wir in Situationen, da es brenzlig werden kann, ziemlich dumm dastehen würden. Dieses animalische Restbewusstsein oder Unterbewusstsein bleibt frei von Sprache, bis wird uns etwa einer instinktiven Warnung bewusst geworden sind.

0
bundesanwalt  02.09.2022, 15:36
@bundesanwalt

Ich habe weniger über Biologie geschrieben als vielmehr über die physikalischen Vorgänge bei der Generierung von Bewusstsein. Diese Vorgänge sind rein physikalisch bestimmbar, d.h. der Transport einer informationellen Energie und deren Transformationen in andere Energieformen sind vor allem etwas Physikalisches, wobei gar nicht wichtig ist, was die transportierten und chemisch gespeicherten Informationen besagen, sondern dass ausschließlich Gesetze der Physik bestimmend sind. Der Erhalt der akustischen Information geht eindeutig konform mit dem Satz von der Erhaltung der Energie. Andere können nicht hören, wie wir unsere Gedanken wahrnehmen und vor allem, welche Gedanken wir inhaltlich wahrnehmen als Hörerlebnis. Wie erklärt sich das anders, als durch den Erhalt der akustischen Information nur in anderer Form, so dass Fremde nichts davon wahrnehmen können?!

Wozu braucht es da also noch der Quantenphysik?!

0

Widerleg hat die Quantenmechnik den Determinismus nicht. Allerdings arbeiten die physikalischen Modelle mit Wahrscheinlichkeiten und momentan sind diese dem "Zufall" überlassen. Ob die alle physikalischen Gesetzmäßigkeiten deterministisch sind kann man bislang nicht ausschließen. Dies ist momentan noch eine philosophische Frage

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studiere Physik
nobytree2 
Fragesteller
 01.09.2022, 15:06

Wenn in der Quantenmechanik ein Folgezustand nicht ausschließlich vom Vorzustand abhängt, ist das dann nicht eine Widerlegung des Determinismus? Der Zufall wurde ja nicht deswegen eingeführt, weil da eine Unbekannte agiert, die man noch nicht kennt ("momentan"), das behauptet niemand (mehr), der Zufallsfaktor ist essentieller Bestandteil der quantenmechanischen Vorgänge, kein Lückenbüßer, sondern - ich sage mal - nach momentanem wissenschaftlichem Stand "verifiziert".

Natürlich kann ich jede physikalische Aussage als reines Modell behaupten. Aber dann ist auch der Determinismus nur ein Modell und dieser passt wohl nicht mehr zu den Ergebnissen der Quantenmechanik, warum dann also dieses Modell verwenden? Doch nur aus pragmatischen Gründen zur Vereinfachung, und dafür darf die Aussage aus einem vereinfachten Modell nicht zu apodiktisch behauptet werden.

0
Enzi1  01.09.2022, 15:10
@nobytree2

Wenn ein System eine Superpostion hat und danach in einen Zustand kollabiert, dann ist es nach bisheriger Theorie reiner Zufall. Allerdings weiß man nicht ob es "versteckte Variablen" gibt, die inherient sind und somit deterministisch. Leider wird oft fälchlicherweise ein Experiment als Argument gebracht bzw missverstanden, dass die versteckte Variablen widerlegen soll, dieses ist allerdings auf die Allgemeinheit nicht anwendbar und somit bleibt die Möglichkeit des Determinismus. Es kann auch sein, dass es nicht möglich ist, diese Variablen herauszufinden, dann würde es für uns reiner Zufall sein, das Prinzip dahinter allerdings trotzdem deterministisch

0
nobytree2 
Fragesteller
 01.09.2022, 15:13
@Enzi1

Nach Deiner Auffassung ist es also unmöglich oder wenig wahrscheinlich, dass es überhaupt keine - auch keine verstecken - Variablen gibt, sondern hier ein akausaler Vorgang stattfindet?

0
Enzi1  01.09.2022, 15:16
@nobytree2

Meiner Meinung nach ist das Universum deterministisch, weil sich sonst es meiner Logik entzieht wieso überhaupt "Entscheidungen" bei Quantensystem getroffen werden. Ich finde, es gibt einen Grund wieso Quantensystem bestimmte Zustände annehmen. Aber ob man diese Vorhersagen kann, dass bleibt ungewiss, sonst könnten sich Paradoxa ergeben. Dies ist allerdsdings eine philosophische Meinung und keine physikalische Begründung, da man bisher als bestes Modell nur Wahrscheinlichkeiten und den zufall hat.

0
nobytree2 
Fragesteller
 01.09.2022, 15:25
@Enzi1

Also deterministisch, aber möglicherweise gibt es Faktoren, die sind und bleiben im Voraus nicht erkennbar, sondern werden zwar also solche nicht unmittelbar wahrgenommen, jedoch aufgrund der Logik angenommen. Das heißt, die Logik dominiert die Interpretation der Ergebnisse, vielleicht auch, damit die Ergebnisse interpretierbar bleiben und nicht in einem Chaos verenden. Damit wird die Logik zu einem zwingenden Bestandteil oder zum zwingenden Rahmen jeder Erkenntnis, was sich für mich gut und richtig anhört. Trifft es Deine Auffassung in etwa?

0
Enzi1  01.09.2022, 15:41
@nobytree2

Genau, denn wenn das Universum nicht nach unserer logik funktioniert, werden wir nie Vorhersagen treffen können

1