Ist eine mathematisch bewiesene Erkenntnis absolute Wahrheit?

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Hallo ToniKim,

"absolut" würde ich nicht sagen. Der Mathematik liegt ein System von (unbewiesenen) Annahmen, sog. Axiomen zugrunde, aus dem alle anderen Aussagen abgeleitet werden. Die Wahrheit einer Aussage häng also immer vom Axiomensystem ab.

Außerdem hat Kurt Gödel bewiesen, dass kein Axiomensystem zugleich vollständig und widerspruchsfrei sein kann. (Am besten du ließt das mal genau nach. :) )

Ich hoffe ich konnte dir ein wenig helfen!

Lg fragmich95

Die Frage ist etwas schwammig formuliert. Deshalb will ich kurz erläutern, wie Wissenschaft funktioniert:

§1: man notiert sich Randbedingungen (Temperatur, usw.) und nimmt mehrere Messreihen auf, so dass jeder Wissenschaftler dieses Experiment nachvollziehen kann.

§2: Wenn die Messreihen alle genug übereinstimmen, entwickeln schlaue Leute (Wissenschaftler/Mathematiker) mit Hilfe der Mathematik eine Theorie (z.B. Näherungsformel) -> Phase 1.

§3: Mit immer besseren Theorien und Betrachtung weiterer Randbedingungen wird sie immer weiter verbessert, bis es eine Annäherungsphase an die Wirklichkeit gibt, wo wir Menschen mit unserer aktuellen Technik nicht mehr genauer werden -> und diese Theorie als 

physikalisches Gesetz (Naturgesetz) in unser Wissen (Formelsammlung wie Wikipedia ) aufnehmen.

Hält man nun die Randbedingungen ein, stimmen Theorie & Wirklichkeit im Rahmen unserer Messgenauigkeiten überein. Wenn die Theorie nahe genug am "echten Naturgesetz" dran ist, gibt es keine Unterschiede zwischen Theorie und Wirklichkeit. Wenn man alles beachtet hat und keine mathematischen Fehler macht, sind Theorie & Wirklichkeit untrennbar verbunden.

Leider werden jedoch zu schnell Theorien aufgestellt und dabei:

- die Randbedingungen vergessen

- Parameter vergessen, die Einfluss haben

und dann stimmt diese "Phase 1 -Theorie" bei mathematischer Anwendung nicht mehr mit der Wirklichkeit überein. Das ist dann der Beweis, dass diese Theorie den wissenschaftlichen Kriterien eines "echten Naturgesetzes" nicht standhält.

Auf dem Weg zur

https://de.wikipedia.org/wiki/Weltformel

stellten Wissenschaftler fest, dass viele Teil-Theorien in Wirklichkeit voneinander abhängig sind und universell miteinander verbunden werden müssen. 

Beispiele:

- Geschwindigkeitsgesetze nahe der Lichtgeschwindigkeit müssen den 

https://de.wikipedia.org/wiki/Lorentzfaktor berücksichtigen

- die Zeit ist relativ im betrachtenden System zu anderen Systemen, also abhängig von Geschwindigkeit und Gravitation!

https://de.wikipedia.org/wiki/Zeitdilatation

Ein schönes Beispiel, wo sich gerade Wissenschaftler die Zähne ausbeißen ist die Hubble-Konstante. Es gibt 5 Gruppen von Wissenschaftlern, die alle andere Theorien haben und über unterschiedliche Herangehensweisen & Messreihen diese bestimmen wollen:

http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-21093-2017-01-27.html

Solange aber die Werte bei Betrachtung aller Toleranzen keine Übereinstimmung liefern, sin es nur isolierte Teil-Theorien Phase 1, die noch weit entfernt vom "echten Naturgesetz" liegen.

(so langsam glauben viele, dass es keine Konstante ist!)

Ich möchte ersteinmal sagen, dass man bei der Wortwahl schon große Fehler machen kann. Meinst du absolute Wahrheit oder objektive Wahrheit? Das ist nämlich ein großer Unterschied.

Absolut wahr bedeutet nämlich üblicherweise, dass etwas immer wahr ist, ohne den Kontext zu berücksichtigen.

Objektiv wahr bedeutet, dass etwas im Kontext von Randbedingen, aber unabhängig von Personen etwas wahr ist.

Mathematische Beweise sind im Kontext ihrer gestellten Axiome wahr, aber nicht absolut. Das liegt daran, dass eben diese Axiome "angenommen" werden.

Beispiel: "Die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten definiert eine Gerade".

Dieses Beispiel ist ein Axiom aus der Geometrie. Es ist grundsätzlich beliebig gewählt, aber sinnvoll. Beliebig bedeutet, dass es auch hätte etwas anderes sein können. Sinnvoll bedeutet, dass es im Kontext anderer aufgestellter Axiome keinen Widerspruch gibt. Widerspruchsfreiheit ist so das Maßgebende bei der Aufstellung von einem Axiomensystem.

Zusätzlich muss man sagen, das Mathematik Realität "beschreiben" kann, aber immer nur als "Modell". Das Modell ist niemals die Realität selbst. Und diejenigen, die Mathematik anwenden sind insoweit gehemmt, als dass sie die ELemente der Realität erkennen müssen, damit sie innerhalb des mathematischen Modell berücksichtigt werden können.

Deshalb:

Existiert irgendeine absolute Wahrheit? Das weiss keiner.

Existiert objektive Wahrheit? Diese Annahme trifft die Wissenschaft. Es ist quasi ein Axiom in der Methodik der Wissenschaft. Ansonsten würde man nicht das scharfe Schwert der Falsifizierung anwenden und Sinn von Unsinn trennen können, wenn man nicht annehmen würde, dass man Dinge unabhängig von Personen (also intersubjektiv nachvollziehbar) nachweisen kann. Es ist also auch beliebig aber sinnvoll gewählt. Ansonsten würde alles in subjektiven Sichtweisen "verkommen".

Mathematik ist eine "Formal-Wissenschaft".

Sie beruht auf postulierten Axiomen. Soll heißen: Sie beruht auf Festlegungen durch Menschen.

Genau wie Grammatik oder Rechtschreibung.

Und ja:

Wenn jemand mithilfe des Dudens beweist, dass man "Durscht" ohne "ch" schreibt, darf man das getrost glauben und als absolute Wahrheit betrachten.

Mehr als genau das beweist dieser Beweis aber nicht.

Jeder kann ne eigene Mathematik stricken ("Komplexe Zahlen", "Boolsche Algebra" usw...)

Sie können durchaus ihre Berechtigung haben.

Ich kann beweisen, dass die Winkelsumme im Dreieck stets 180° (im klassischen Grad-Maß, es gibt auch andere) beträgt.

Ich kann aber auch bequem ein Dreieck mit drei rechten Winkeln konstruieren und den Beweis von eben total widerlegen.

Z.B. auf einer Kugeloberfläche.

Ups.... klar, Tische und Tafeln sind so flach, wie typisch menschliches Denken.

Aber es gibt sogar das Gerücht, dass unser Planet nicht wirklich ne Scheibe ist.

Falls das stimmen sollte - ich mag jetzt nicht phantasieren - dann könnte mein Dreieck mit drei rechten Winkeln nicht bloß Einbildung sein.

Aus Mathe kommt genau das raus, was vorher durch Festsetzungen reingesteckt wurde.

Aus flacher (euklidischer) Geometrie was anderes als aus sphärischer Mathematik. Oder aus einer, die Donuts als Maß aller Dinge akzeptiert.

Können parallele Geraden sich echt nicht schneiden? Was tun die Längengrade auf unserer Erde denn so? Speziell an den Polen?

Und ob man die Quadratwurzel aus minus Eins ziehen darf....

In der Grundschule durfte ich nicht mal 3 - 5 rechnen.

War damals "unmöglich".

Ein paar Jahre später kein Problem mehr.

Das kannst du beliebig fortsetzen.

Aber NIEMAND hat bisher - unabhängig von menschlichen (und damit willkürlichen) Festlegungen - wirklich beweisen können, dass 1 + 1 = 2 ist.

In Formalwissenschaften wie Mathe lässt sich "beweisen", dass die (von wem auch immer) als verbindlich vorausgesetzte "Form" gewahrt wurde.

Wie bei der Rechtschreibung.

Sonst nix!

Liebe Grüße,

Tanja


kreisfoermig  25.10.2017, 05:31

Das und Ähnliches hat Russell bewiesen. Siehe Principia Mathematica. Niemand kann „beweisen“, welche allgemeine Eigenschaft in eine Definition hinsollen—das ist eine metaphysische Diskussion. Dennoch ist es kein Dogma, dass 1+1=2, usw., sondern dies gilt nach Ausführung der Definition von +:

Defn.
x+0 := x
x+Sy := S(x+y).

Sprachliche Bezeichnung:
1:=S0, 2:=S1, 3:=S2, usw.

Also 1+1 = 1+S0 = S(1+0) = S1 = 2.

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Nur solange bis ein anderer Mathematiker etwas anderes beweist.


ToniKim 
Fragesteller
 25.10.2017, 00:05

Gab es sowas?

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BongiOrno  25.10.2017, 00:06
@ToniKim

Vor ein paar hundert Jahren waren die Mathematiker überzeugt das die Erde eine Scheibe ist.

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Voltolos646  25.10.2017, 00:36

Nein, Mathematiker waren nie überzeugt, dass die Erde eine Scheibe ist

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SlowPhil  25.10.2017, 01:06

Die Vorläufigkeit naturwissenschaftlicher Erkenntnis gilt nicht für die Mathematik.

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