Idealismuskritik!

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Die von der Vernunft, dem historischen Sinn und der Moral zurechtgemachte Welt sei nicht die eigentliche Welt, las Nietzsche bei Schopenhauer. Dahinter oder darunter braust das wirkliche Leben: der Wille“. Damit wird jeder Idealismus verworfen. Die Welt ist nur „Wille“; philosophische Hinterwelten, wo die Ideen und Gott zu Hause sind, gibt es nicht. Schopenhauer warf den Morallehren vor, dass sie allein schon durch die Lebenswirklichkeit widerlegt werden. Es gebe so dürftige Spuren von Moralität in der Welt, dass schon diese Tatsache schlagend belege, dass der Sinn des Lebens unmöglich in einem moralisch- guten Leben liege könne. Nietzsche kritisiert an der idealistischen Vorstellung von einer Verpflichtung zur Moral (s. der kategorische Imperativ Kants), dass die Moral lebensfeindlich sei, sie behindere den Willen zur Macht, der allein ein heroisch-gutes Leben garantiere. Nietzsches Philosophie ist von Schopenhauers Willensmetaphysik und vom Kampf-ums-Dasein-Prinzip seiner Zeit stark beeinflusst. Nietzsche wollte von dieser Basis aus den neuen Menschen, den „Übermenschen“, schaffen, dessen Aufgabe es sein sollte, alles Verlogene, Krankhafte, Lebensfeindliche zu vernichten. Zwar gibt es auch in Nietzsches Denken diesen kalten, dunklen und blinden Weltwillen (wie bei Schopenhauer), der uns stets ins Leben zieht. Aber er ändert ihn ins Positive, Lebensbejahende um. Diesen Willen zur Macht, wie er ihn fortan nennt, muss der Mensch in sich frei (ungehindert von moralischen Erwägungen) zur Entfaltung bringen, dann entsteht im Menschen dieses durch und durch lebensbejahende Gefühl, auf Grund dessen es sich lohnt zu leben. Der ’Übermensch’ ist eine Metapher für diesen starken Willensmenschen. Er kann aber nur stark sein, wenn er alles, was seine Stärke (die ’Macht’ in ihm = ebenfalls eine Metapher für alles, was den Menschen stark macht!) einschränken will, beiseite schiebt, z.B. die christliche Moral oder Gott. Im „Zarathustra“ verkündet Nietzsche / Zarathustra denn auch den Tod Gottes. Da dem so ist, muss der Mensch an Gottes Stelle treten. Dieser ’menschliche’ Gott ist der Übermensch. – Man darf Nietzsche auf keinen Fall wörtlich nehmen, sonst „ist man verloren“, sagte schon Thomas Mann. Nietzsche selbst hat erkennen lassen, dass seine Philosophie nur als Anregung, sozusagen als Diskussionsgrundlage gemeint war: „Es ist durchaus nicht nötig, nicht einmal erwünscht, Partei..... für mich zu nehmen: im Gegenteil, eine Dosis Neugierde, wie von einem fremden Gewächs, mit einem ironischen Widerstande, schiene mir eine unvergleichlich intelligentere Stellung zu mir“ (zitiert bei Rüdiger Safranski, S. 310). Auch seine Gott-ist tot-Lehre wird bereits durch den Satz relativiert. „Wir haben ihn getötet!“ (s. Zarathustra); d.h. nicht Gott an sich, sondern das Göttliche in unserer Seele ist tot. Zwei Prophezeiungen Nietzsches sind m.E. weitgehend eingetroffen: die Ankunft des Nihilismus (s. die radikale Ökonomisierung unserer Gesellschaft bzw. die drastische Zurückdrängung der christlichen Religion) und die Erscheinung des oder der Übermenschen. Stalin z.B. ist wie ein Gott von den Sowjetmenschen verehrt worden, weil er „Übermenschliches“ vollbracht hatte: den Sieg über Hitler-Deutschland. Auch Hitler selbst wurde zeitweise wie ein Gott verehrt, da auch er „Übermenschliches geleistet hatte: den Sieg über Frankreich. Ähnliches gilt auch für Mao. Alle drei waren ausgemachte Atheisten (Hitler sprach zwar öfter vom „Herrn der Welten“, auch mal vom Allmächtigen, aber das waren nur Floskeln, denn an eine Unterordnung unter den „Herrn der Welten“ hat er keinen Augenblick gedacht)

Faust24 
Fragesteller
 20.12.2012, 17:47

VIELEN VIELEN DANK! :)

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Haldor  28.12.2012, 15:42

Eine Richtigstellung: "Wir haben ihn (Gott) getötet" steht nicht im "Zarathustra", sondern in der "Fröhlichen Wissenschaft", Nr. 125.

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Die Frage ist, was den Idealismus kennzeichnet, den es ja in unterschiedlichsten Formen gibt. Das Gegenstück dazu ist der Empirismus, der im Prinzip eine objektive Realität der Welt anerkennt und davon ausgeht, dass sie uns über Erfahrung vermittelt werden, Sprache, Denken und Geistiges eine darauf aufbauende Ebene sind.

Idealismus sieht ein Geistiges, Begriffliches, Höheres als ursprünglicher an, die Realität der Welt wird zumindest als "abgeleitete Existenz" qualifiziert. Nietzsches Kritik entzündet sich ja vor allem am Christentum, dessen Theologie in der idealistischen Philosophie der Antike (Platon, Aristoteles, Neoplatonismus) verankert ist. Nietzsche will eine lebensbejahende Philosophie, wirft der christlichen Theologie eine unterdrückerische Note vor, eine Philosophie der Schwachen. Dagegen setzt er die Stärke der Lebensbejahung, den lebensmutigen Menschen. Ihm dabei ein "Gegenideal" zu unterstellen, wäre die falsche Denke, weil für ihn die reale Welt die Realität ist und seine Menschen in dieser Realität kraftvoll leben sollen.

Faust24 
Fragesteller
 20.12.2012, 17:47

Dankesehr! :)

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