Geschichte SED BRD 1970?
Hi, kann mir jemand sagen, warum Umweltschäden zur Destabilisierung des SED-Regimes beigetragen haben?
Anbei ein Text:
Mitte der 1970er-Jahre beschloss die SED-Führung, im ost-thüringischen Schleizer Oberland eine der größten Schweine-mastanlagen Mitteleuropas zu errichten. Mit ihr sollte durch eine industrialisierte Massentierproduktion Billigfleisch für den westdeutschen bzw. westeuropäischen Markt hergestellt werden, um dringend benötigte Devisen zu erwirtschaften.
Am 1. Mai 1978 nahm der VEB Schweinezucht und Mastkom-binat Neustadt (Orla) (SZM) seinen Betrieb auf. In 20 Mast-ställen wurden in engen doppelgeschossigen Käfigbatterien bis zu 185000 Schweine gehalten. Seit 1982 erwirtschaftete die Anlage stetig steigende Gewinne. Neben zunehmenden gesundheitlichen Schäden unter den Arbeitern traten bald noch größere Probleme auf:
Doch schnell wurde deutlich, dass an entscheidenden Stellen zu wenig investiert worden war. Es gelang nicht, die riesigen Mengen an Gülle aufzubereiten. Die Kläranlage war restlos überfordert. Die aufbereiteten Abwässer wurden regelmäßig
über Bäche in die Saale abgelassen. Immer wieder kam es zu Zwischenfällen und anschließendem Fischsterben. Gleichzeitig wurde selbst im Winter, wenn die Böden gefroren waren, die Gülle auf die Felder im Umkreis der Anlage aus-gebracht. Die Böden übersäuerten hoffnungslos. Kühe, die Futter von den belasteten Feldern bekommen hatten, wiesen zu hohe Harnstoffmengen in der Milch auf. Oft konnte die Milch dann nicht weiterverarbeitet werden. Die Gülle bestand nicht nur aus biologischen Stoffen. Sie enthielt in großen Mengen auch Schwermetalle wie Kupfer, Cadmium
und Zink. Und noch ein zweites Problem bekamen die Verantwortlichen nicht in den Griff: Da das Stalllüftungs-system über keine Abluftreinigung verfügte, entwichen täglich große Mengen an Ammoniak. Durch den Ausstoß wurden die umliegenden Wälder zerstört. Die Landschaft versteppte nach und nach. [...] Das Landschaftsbild im
Schleizer Oberland änderte sich vollständig.
Doch die Ursache blieb offiziell geheim. Denn eines der bestgehüteten Geheimnisse in der DDR waren die Daten und Fakten über Umweltschäden. [...]
Nach und nach begannen die betroffenen Anwohner, nach Verbesserungen zu suchen. Doch eine Bürgerinitiative konnte in der DDR nicht einfach gegründet werden. Und eine Verwaltungsgerichtsbarkeit gab es nicht. Schutz fanden die Kritiker schließlich unter dem Dach der evangelischen Kirche. Mitte der 80er-Jahre entstanden in den Kirchgemeinden von Knau und Dittersdorf christliche Umweltkreise.
(...] Vorrangiges Ziel war es, ihre Kritik in die Öffentlichkeit zu tragen [...]. Nach und nach berichteten verschiedene DDR Untergrundzeitungen über die Umweltzerstörung
* Auch einige Kirchenzeitungen nahmen sich des Themas an.
[...) In der DDR-Öffentlichkeit fanden die Umweltschützer aber kein Gehör. Ihr Engagement wurde nicht gefördert, sondern verschwiegen und bekämpft. Dabei arbeiteten SED, Staatssicherheit, Polizei und SZM-Verantwortliche Hand in
Hand. Als die Gruppe a die Grenzen des DDR-Regimes stieß, wurde ihr klar, dass der ökologische Konflikt vor Ort und im Land systembedingt war. Nur durch grundlegende Veränderungen im politischen System konnte die Umweltzerstörung durch die Schweinemastanlage beendet werden.
Diese Erkenntnis und die Erfahrungen mit den staatlichen Organen und Funktionären führten zu einer allmählichen Politisierung. Aus der Umweltgruppe wurde eine politische Oppositionsgruppe. Die DDR schuf sich so ihre eigenen Feinde.
2 Antworten
Was ist nun speziell deine Frage? Eigentlich ist die Antwort in deinem Artikel schon enthalten Die riesige Schweinemastanlage zerstörte die Umwelt und hüllte die umliegenden Gemeinden in penetranten Gestank (ich muss dazu sagen, dass das Schweinefleisch nicht nur exportiert werden, sondern auch eine kontinuierliche Versorgung der eigenen Bevölkerung sicherstellen sollte - trotz unserer Mangelwirtschaft gab es fast durchgehend Fleisch und Wurst zu erschwinglichen Preisen zu kaufen - im Unterschied zu Rumänien).
Umweltschutz war ein rotes Tuch für die DDR-Behörden, dabei gab es die Zerstörung der Umwelt nicht nur in dem genannten Beispiel. Es gab das Chemiedreieck Halle-Leipzig, wo der ganze Dreck in die Luft geblasen wurde. In Espenhain z. B. war den ganzen Tag Nebel, unabhängig vom Wetter. Angeblich fehlte das Geld für eine Entschwefelungsanlage. Deshalb organisierte die Kirche die Kampagne: "Eine Mark für Espenhain", wo man für eine Entschwefelungsanlage unterschreiben und eine Mark spenden konnte.
In einer Fachzeitschrift wurde die Belastung mit Kadmium von landwirtschaftlich genutzten Böden zwischen Halle und Freiberg verglichen. Die Werte um Freiberg waren viel zu hoch und gesundheitsschädlich. Als der Artikel bekannt wurde und die Runde machte, wurde die Ausgabe der Zeitschrift eingezogen (inzwischen war dieser Artikel jedoch mehrfach abgeschrieben und vervielfältigt worden).
In der Dresdner Gegend soll jemand eine Probe Leitungswasser in ein Labor gebracht haben, um sie auf Trinkwasserqualität zu überprüfen (mit der Begründung, sie stamme von einem neugebohrten Brunnen). Die Antwort, das könne er auf keinen Fall als Trinkwasser verwenden, machte derjenige publik. Darauf schritt die Stasi ein und verbot sämtlichen Laboren, künftig Wasserproben von Privatpersonen zu untersuchen.
Als Antwort auf die ganzen totgeschwiegenen Umweltprobleme gründeten sich unter dem Dach der Kirche zahlreiche Umweltgruppen, misstrauisch beobachtet von der Stasi. Wir wollten uns nicht länger verar.... lassen.
Es gab in Berlin die Umweltbibliothek, die 1987 von der Stasi überfallen wurde.
Stasi-Razzia in der Umweltbibliothek | Deutschland Archiv | bpb.de
Abgesehen von den vertuschten Umweltproblemen gab es die allgegenwärtige Gängelei und das Verbot, in den Westen zu reisen. Irgendwann musste der Kessel explodieren. Und eine Regierung, die das Volk derart dreist belog (wir waren ja nicht so dumm, den Beschwichtigungen zu glauben) schaufelte sich damit allmählich ihr eigenes Grab.
kann mir jemand sagen, warum Umweltschäden zur Destabilisierung des SED-Regimes beigetragen haben?
Ich verstehe die Frage nicht.
Doch schnell wurde deutlich, dass an entscheidenden Stellen zu wenig investiert worden war. Es gelang nicht, die riesigen Mengen an Gülle aufzubereiten. Die Kläranlage war restlos überfordert. Die aufbereiteten Abwässer wurden regelmäßig
über Bäche in die Saale abgelassen. Immer wieder kam es zu Zwischenfällen und anschließendem Fischsterben. Gleichzeitig wurde selbst im Winter, wenn die Böden gefroren waren, die Gülle auf die Felder im Umkreis der Anlage aus-gebracht. Die Böden übersäuerten hoffnungslos. Kühe, die Futter von den belasteten Feldern bekommen hatten, wiesen zu hohe Harnstoffmengen in der Milch auf. Oft konnte die Milch dann nicht weiterverarbeitet werden. Die Gülle bestand nicht nur aus biologischen Stoffen. Sie enthielt in großen Mengen auch Schwermetalle wie Kupfer, Cadmium
und Zink
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