Frage an Hochschullehrer für Philosophie: Widerlegt oder bestätigt die Existenz emergenter Phänomene den Materialismus?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Da sich Philosophie-Professoren wahrscheinlich nicht hierhin verirren, ersatzweise mein Senf als Laie:

Emergenz würde ich dem Materialismus zuordnen, weil der Geist hier immerhin an die tatsächlichen physiologischen Elementarprozesse geknüpft wird (Energieportionen im Gehirn, mit einer Anzahl an Reisemöglichkeiten, die wohl die Anzahl der Atome im Universum übersteigt). - Für Idealisten hängt der Geist sozusagen einfach in der Luft.

grtgrt 
Fragesteller
 01.03.2024, 19:02

Ich verstehe, was Du meinst.

Ich selbst aber frage mich, ob es nicht tatsächlich einen Unterschied gibt zwischen dem, was sich aus physikalischer Sicht heraus durch Emergenz ergibt und dem eigentlichen, sich dort sozusagen "niederlassenden" Geist:

Einer der wichtigsten, ja wirklich nur rein geistig existierenden Gegenstände, über die man als Mensch häufig nachdenkt, sind ja z.B. mathematische Gesetzmäßigkeiten (= unser Leben mit bestimmende Wahrheiten, an denen niemand vorbeikommt und die auch niemand abzuändern in der Lage ist).

So gesehen scheint mir, dass, was sich infolge von Gehirntätigkeit (= neurologischer Aktivität im physikalischen Sinne) durch Emergenz ergibt, eher vergleichbar ist mit einer Art "Nest", in dem sich unser Geist (als "Vogel" sozusagen) dann niederlässt.

Die spannende Frage wäre, ober unser geistiges Ich – in so einem "Nest" einmal geboren –, dann irgendwann auch außerhalb seines Nestes existieren kann.

Eben ganz so, wie auch alle mathematischen Wahrheiten ganz unabhängig vom "Nest" Bestand haben und Wirkung zeitigen können.

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Radioactiveman5  01.03.2024, 20:25
@grtgrt

Ja, ich denke auch, dass es sich um etwas von den neurophysikalischen Vorgängen Losgelöstes handeln muss.

Stichwort: freier Wille.

Indem wir uns zu irgendwelchen Muskelbewegungen entscheiden, folgen wir offenbar nicht der Physik im Sinne von Ursache und Wirkung, auch wenn die Aktionspotentiale in unserem Gehirn keiner überblickt. (Ich rede nicht von übergeordneten Motivationen, die unseren Willen selbstverständlich bestimmen - Bedürfnisse, Regeln, Prägungen...) Die Entscheidung, ob ich Stein A oder Stein B den Berg runterstoße oder jetzt einfach kurz den Finger hebe, geschieht physikalisch aus dem Nichts heraus.

Natürlich ist das aus wissenschaftlicher Sicht absolut verboten. Du glaubst nicht, wie viele Leute deshalb folgsam den Schluss ziehen, dass alle ihre Handlungen und Gedanken durch physikalische Wechselwirkungen "fremdgesteuert" sind und sich möglichst noch theoretisch bis zum Urknall zurückverfolgen lassen.

Würde der Determinismus in dieser Form gelten, könnten sich zwei Leute gar nicht unterhalten (und die gesamte Justiz käme in Bedrängnis).

Die philosophischen Diskussionen hierzu sind recht verworren (starker / schwacher Kompatibilismus usw.), auch weil den Begriff des freien Willens jeder so versteht, wie er will. :)

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grtgrt 
Fragesteller
 02.03.2024, 01:01
@Radioactiveman5
... auch weil den Begriff des freien Willens jeder so versteht, wie er will.

Genauer: wie er sich gezwungen sieht, es zu tun, da ihm keine bessere Erklärung einfällt.

Ja: Sie und ich, wir scheinen wirklich einer Meinung zu sein. Danke.

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Bin zwar kein Hochschullehrer, antworte aber trotzdem mit ja, der Materialismus wird bestätigt.

grtgrt 
Fragesteller
 01.03.2024, 09:34

Na ja: Du glaubst das halt, da es Deiner Meinung nach ja keinen Unterschied gibt zwischen im physikalischen Sinne beobachtbarer Gehirntätigkeit und entsprechenden Gedanken (= Geistestätigkeit).

Jeder Gedanke ist aber mehr als nur elektrisches Signal: Er ist vor allem Semantik, die der denkende Geist dem Signal zuordnet. Sie aber ist bestenfalls beobachtbar als körperliche Reaktion des Denkenden auf solche Semantik.

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grtgrt 
Fragesteller
 01.03.2024, 09:41
@grtgrt

In Summe also gilt: Wer als Beobachter B einer Person X glaubt, deren Gedanken zu beobachten, verwechselt sie mit eigener Vermutung über den Inhalt jener Gedanken.

Geist ist deswegen (in meinen Augen) nichts Materielles.

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User321412849  01.03.2024, 15:58
@grtgrt

Der „denkende Geist“, das ist deine Sprache (und das bist zugleich du), was bedeutungszuweisend ist.

Die Sprache, das ist das kollektive oder gesellschaftliche Bewusstsein, von dem jeder Mensch beim Erlernen der Muttersprache einen wesentlichen Teil übernimmt und den dann entsprechend seiner Bedürfnisse und Interessen modifiziert – das ist auch der Geist nach dem die Philosophen vergeblich suchten, folglich schlussfolgerten sie, dass unsere Gedanken immateriell sein müssen. Die Sprache ist nicht vom Himmel gefallen, sondern hat sich aufgrund der sozialen Interaktion und Kommunikation unserer frühen Vorfahren aus einer primitiven Laute-Kommunikation als die beste Möglichkeit der Verständigung erst entwickeln müssen.

Die Sprache ist nichts Immaterielles, sie kommt als Schall bzw. akustische Energie in unsere Ohren, wo sie sofort zu mechanischer Energie transformiert wird, ohne dass die Information verloren gehen würde. Mit der Endolymphe der Cochlea wird die Information als mechanische Energie zu den inneren Sinneshaaren des Corti-Organs transportiert und damit zu den inneren Sinneszellen, wo die äußere und innere auditive Wahrnehmung erfolgt und damit der innere Monolog. Der Bewusstseins-oder Informationsstrom beginnt hier sowie die Transformation zu Gleichstrom (DC) ...

Dies entspricht exakt dem Prinzip von der Erhaltung der Energie, wonach nachgewiesenermaßen kein Impuls aus einem immateriellen Nichts möglich ist. Damit wäre also auch keine Interaktion unserer Gedanken, wären sie immateriell, mit unserem Körper möglich, wir könnten nicht sprechen oder überhaupt irgend etwas tun. Wir könnten sie nicht mal wahrnehmen. Es gibt folglich keine immateriellen Gedanken.

Dein Satz ist deshalb einfach unsinnig:

In Summe also gilt: Wer als Beobachter B einer Person X glaubt, deren Gedanken zu beobachten, verwechselt sie mit eigener Vermutung über den Inhalt jener Gedanken.

Der Beobachter B „beobachtet“ nicht einfach so, sondern verfügt über ein Radioempfangsgerät für kleinste Frequenzen des elektromagnetischen Spektrums, d.h. er vermutet nicht, sondern hört der Person X beim Denken, Imaginieren und Träumen zu, ob dieser Beobachter B allerdings die Gedanken von X richtig interpretieren kann oder will, selbst wenn er den exakten Wortlaut der Gedanken mitgeschnitten hat, ist eine ganz andere Frage und berührt dann schon die politische Dimension der Sache und da schert man sich einen Dreck um Objektivität ...

Und da wären wir schon bei einer weiteren Tatsachenbehauptung, die du auch zur Kenntnis nehmen solltest und die besagt: Unser Volk ist gespalten in eine kleine Minderheit, die mit so einem Abhörgerät ausgerüstet ist und in eine Mehrheit, die ist so ahnungslos wie du. Die einen, die zur Minderheit gehören, haben ihr Abhörgerät von der Stasi bekommen und die anderen, die zur selben Minderheit gehören, vom sogenannten Verfassungsschutz, der die Personen aus dem Osten und dem Westen organisiert und steuert. Das Gedankenabhören gehört zur allgemeinen Repressions-und Verfolgungspraxis aller Staaten heute. Wenn du das nicht glauben willst, dann zeig mich an wegen volksverhetzender Fake-News. Sollst mal sehen, was dann passiert! 

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grtgrt 
Fragesteller
 01.03.2024, 16:24
@User321412849

Ich bleibe bei dem, was für jeden Physiker gesichtertes Wissen darstellt:

Was jemand denkt, lässt sich nicht abhören. Beobachtbar sind nur durch ihn bewusst oder unbewusst ausgesandte Signale. Bedeutung bekommen sie erst im Kopf des Beobachters, d.h. durch dessen Denken und in Abhängigkeit von dessen Lebenserfahrung.

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User321412849  01.03.2024, 18:03
@grtgrt

Du ignorierst das physikalische Prinzip von der Erhaltung der Energie und wenn du das tust, kannst du kein Physiker sein, besitzt also auch kein gesichertes Wissen. Und verstanden hast du offenbar auch nichts von dem, was du eben gelesen hast. Du reagierst nur nach dem irrationalen Prinzip, wonach nicht sein kann, was nicht sein darf.

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