Buddhismus alleine ausüben?

9 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Wie Vorredner hier schon sagten, ist es von entscheidender Bedeutung sich erst einmal gründlich über den Buddhismus und seine unterschiedlichen Traditionslinien zu informieren.

Motivation prüfen: Als erster Schritt ist es besonders wichtig, seine eigene Motivation zu prüfen. Warum will ich Buddhist werden? Was verspreche ich mir davon? Was ist am Christentum oder anderen Religion so anders? Wieso ist das wichtig für mich?

"Lifestyle-Buddhisten" die sich Buddhisten nennen, weil es gerade "in" ist, oder weil das so "total shaolinmäßig" rüber kommt, gibt es meiner persönlichen Meinung nach bereits mehr als genug.

Damit will ich keineswegs deinen guten Vorsatz schlecht reden, aber Selbstkritik ist wichtig. Seine Heiligkeit, der XIV. Dalai Lama sagte:

"Lassen Sie Vorsicht walten. Vermeiden Sie es um jeden Preis, Buddhist zu werden, ohne darüber wirklich nachgedacht zu haben, ohne über ein Grundwissen zu verfügen, nur weil Sie Lust dazu verspüren, denn dann werden Sie früher oder später entdecken müssen, daß Ihnen gewisse Praktiken gar nicht entsprechen oder sie Ihnen unmöglich erscheinen."

Damit kommen wir auch gleich zum nächsten Punkt - den Grundlagen

Grundlagen: Ich empfehle ausdrücklich, sich erst einmal über die Geschichte des Buddhismus und seine Grundlagen (vier Wahrheiten, achtfacher Pfad) zu informieren.

Das mag vielleicht wenig spannend klingen, aber auf diesen Grundlagen fußt der Buddhismus.

Wenn man bereits hier Dinge findet, die einem auch bei weiterer Beschäftigung nicht entsprechen - manche können sich etwa mit der Wahrheit "Leben ist Leiden" nicht anfreunden - dann sollte man sich das mit dem Buddhismus noch einmal gründlich überlegen

Traditionen: Der Buddhismus hat viele Ausprägungen gefunden, die auch durch die Kultur des jeweiligen Landes in dem er sich entfaltete, beeinflusst wurden.

So gibt es als grobe Untergliederung den Theravada, das Mahayana und das Varjrayana (das eigentlich wiederum zum Mahayana gehört).

Über diese Dinge sollten solide Kenntnisse vorhanden sein.

So lange man den Dalai Lama noch für den "Papst" aller Buddhisten hält, glaubt das alle Buddhisten ockerfarbene Roben tragen, Vegetarier sind, oder die gleichen Rituale ausüben, sollte man sich definitiv noch mehr mit den unterschiedlichen Traditionen befassen.

Traditionslinie wählen: Aus dem oben gesagten wird deutlich, dass man sehr genau wissen muss, welcher Ausprägung des Buddhismus man folgen will, da es den gemeinsamen "Universalbuddhismus" nicht gibt.

Kritische Literatur: Nachdem man ein grundlegendes Verständnis der buddhistischen Lehre hat, macht es durchaus auch Sinn, sich mit Schriften zu befassen, die sich kritisch mit dem Buddhismus auseinandersetzen.

Ich habe diesen Punkt bewusst nicht weiter vorne genannt, da man ohne Basisinformationen auch leicht durch Desinformationen und fanatische Gegnerschaft verunsichert werden kann.

Deshalb ist es vor Vorteil, erst einmal selbst über einigermaßen brauchbares Grundlagenwissen zu verfügen, so dass man die Kritik besser nachvollziehen kann.

Zufluchtnahme zum Buddhismus: Die "Zufluchtnahme" wird oft etwas irrtümlich als eine Art "buddhistische Taufe" missverstanden, die eines besonderen Rituals bedarf.

Dabei bedarf es keiner Zeremonien oder ähnliches, um Buddhist zu werden. Das Bekenntnis zu Buddha, Dharma und Sangha, die Akzeptanz der Lehre und das Praktizieren des Buddhismus sind grundsätzlich ausreichend.

Dennoch hat der Mensch für Ereignisse mit weitreichenden Konsequenzen schon immer einen gewissen äußeren Rahmen geschaffen, um die Bedeutung des jeweiligen Schritts zu unterstreichen.

Da macht auch der Buddhismus keine Ausnahme und so gibt es in der Tat entsprechende Zeremonien mit Rezitationen, Niederwerfungen und ggf. der Verleihung eines so genannten "Dharma-Namens". Notwendig zur Praxis des Buddhismus sind sie jedoch nicht.

Die Gemeinschaft: Neben dem Buddha und seiner Lehre gilt die Gemeinschaft der Buddhisten als wichtiger Punkt.

Es kann zunächst einmal nicht schaden, Kontakt zu buddhistischen Gruppen in der Nähe zu suchen - umso vorteilhafter, wenn es sich um eine Gemeinschaft handelt, die der Tradition folgt, deren Lehren man selbst am besten nachvollziehen kann.

Im Zeitalter des Internets und des Web 2.0 gibt es natürlich Diskussionsforen zum Thema Buddhismus, ja sogar Gemeinschaften die praktisch nur online existieren, und sogar in Second Life soll es buddhistische Gruppen geben.

Trotz Skype, Webcam und Co würde ich immer versuchen, den Kontakt zu Menschen aus Fleisch und Blut in meiner Umgebung suchen.

In einigen Formen die Buddhismus, die sehr auf einen persönlichen Lehrer ausgerichtet sind, würde ich das fast schon als Notwendigkeit ansehen.

So, das war jetzt eine Menge Text, hoffe es war etwas hilfreiches dabei. :-)

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit etwa 40 Jahren praktizierender Buddhist
quopiam  11.05.2013, 17:01

So weit ich bis jetzt sehen kann, ist Dein Beitrag der einzig hilfreiche... Gruß, q.

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TeeEi  11.05.2013, 21:05

Traditionslinie wählen: Aus dem oben gesagten wird deutlich, dass man sehr genau wissen muss, welcher Ausprägung des Buddhismus man folgen will, da es den gemeinsamen "Universalbuddhismus" nicht gibt.

Das halte ich für sehr westliche Denkweise. Im fernostasiatischen Raum kennen die Menschen kaum den Begriff "Konfession". Wenn denn überhaupt mal nach Religionszugehörigkeit gefragt wird, würde Buddhist als Antwort völlig reichen. Da fragt man nicht "Aha? Hinayana oder Mahayana?". Das Verständnis und die Ausübung sind natürlich von regionaler Ausprägung und Kultur geprägt, aber man ist nicht verpflichtet (außer vielleicht in komischen Sekten), den Buddhismus nur so und nicht auch (bei Gelegenheit) anders kennen zu lernen und auszuführen.

Ebenso ist es möglich, Christ zu sein, ohne sich nur der katholischen Tradition zu verschreiben und alles evangelisches zu verwerfen und vice versa.

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Enzylexikon  12.05.2013, 00:41
@TeeEi

Das hat meiner Meinung nach nichts mit "westlicher Denweise" zu tun, sondern eher damit, bei detailierteren Fragen zu wissen, wo man steht.

Natürlich spricht prinzipiell nichts dagegen wenn zB ein Mahayana-Buddhist sich in Vipassana übt - aber bei "theologischen Aspekten" wie beispielsweise dem Bodhisattva-Ideal fällt die Interpretation zwischen Zennisten und Amida-Anhängern vermutlich durchaus unterschiedlich aus.

(einmal abgesehen davon, ob man immer gleich ins theologische abgleiten muss, denn ich stimme dir zu, zu sagen man sei "Buddhist" sollte im Allgemeinen ausreichen)

Eine "Verpflichtung" den Buddhismus nur nach irgendeinem allein seligmachendem. "Schema F" durchzuführen sollte es in der Tat allerdings nicht geben. :-)

Trotzdem begrüße ich es, wenn jemand keinen hausgemachten "Thera-Vajra-Amida-yana" praktiziert, sondern sich zumindest irgendwie orientiert. :-)

Prinzipiell gebe ich dir somit recht. :-)

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Cardmaster2010 
Fragesteller
 12.05.2013, 10:05

Danke für die ausführliche Antwort, du hast meine Fragen beantwortet :)

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Ich würde mich anhand von Literatur/Internet über die verschiedenen Schulen informieren. Also z.B. Tibetischer-Buddhismus, Theravada-Buddhismus, Zen-Buddhismus. Und wenn Du Dich dann entschieden hast was Dir am besten liegt, dann nimmst Du Kontakt zu einer Gruppe auf. Oft gibt es Einführungsveranstaltungen oder "Probe-Sitzungen".

Du mußt zuerst einmal wissen, welche Richtung/Schule bzw. " Fahrzeug " des Buddhismus Du praktizieren willst. Theravad-Buddhismus, Große Fahrzeug, Kleines Harzeug, Diamant-Fahrzeug etc.

Als philosphische Lehre kannst Du Dir zumindest die Grundlagen selbst aneignen, aber das ist sehr schwierig, weil immer wieder viele Fragen auftauchen, die Du nur zusammen mit einem Lehrer oder der buddhistischen Gemeinschaftbearbeiten kannst.

Ich finde die Frage sehr gut. Sie ist mal ausnahmsweise nicht so gestellt "Wie werde ich Buddhist?" oder "Wie trete ich Buddhismus bei?". Bei den Leuten ist die Religionszugehörigkeit in erster Linie das, was auf dem Ausweis steht - was nicht heißen soll, dass es unwichtig ist. Für die Deutschen ist nichts im Leben wichtiger als was im Ausweis steht.

Sich darüber zu informieren und lernen ist die richtige Richtung zur Erkenntnis.

Alleine ausüben ja (es gibt manche Richtungen die das sogar verlangen und Bodhidharma hat z.B. 9 Jahre lang alleine meditiert ohne sich zu bewegen) aber alleine BEIBRINGEN geht schlecht. Geht auch, aber es kommt auf die Richtung an. Nicht in jeder Richtung wird das gehen. Im Tantrismus und im Vajrajana würde es z.B. nicht gehen. In anderen Richtungen wo die Sutren öffentlich sind geht es vielleicht, aber du musst dann halt die Sutren lesen und musst dich an die Anforderungen halten. Und wie bereits gesagt wurde musst du dich natürlich für eine Richtung entscheiden.