Beugen haram?

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Eine interessante Frage. Ich habe gerade selber einmal recherchiert und verschiedene Sichtweisen zu dem Thema verglichen.

Im sunnitischen Islam wird die Verbeugung im Sport abgelehnt. Sie ist also verboten:

Ein Beispiel für Haram, das passieren kann, ist die Verbeugung vor jemand anderem als Allah. Es wurde überliefert, dass Anas ibn Maalik (möge Allaah mit ihm zufrieden sein) sagte: "Ein Mann sagte: 'O Gesandter Allahs, wenn einer von uns seinem Freund begegnet, kann er sich dann vor ihm verbeugen?' Der Gesandte Allahs (Friede und Segen Allahs seien auf ihm) sagte: 'Nein.' Er fragte: 'Darf er ihn umarmen und küssen?' Er sagte: 'Nein.' Er fragte: 'Darf er ihm die Hand geben?' Er sagte: 'Ja, wenn er es wünscht.'" (Überliefert von al-Tirmidhi, 2728; er sagte, es sei ein hasan Hadith. Auch überliefert von Ibn Maajah. 3702. Der Hadith wurde von al-Albaani in al-Silsilah al-Saheehah, 160, als hasan eingestuft).

Im Allgemeinen ist die Frage, ob es erlaubt oder verboten ist, aber uneindeutig:

Was die Verbeugung als Form des Respekts angeht, so verbietet die Mehrheit der muslimischen Gelehrten eine solche Verbeugung. Andere Gelehrte sind der Meinung, dass sie stark verabscheut wird. Eine dritte Gruppe hält sie für zulässig.

Als Schiite betrachte ich Dinge differenzierter, da wir Schiiten als eine weitere Quelle unseren Verstand einsetzen. Den Analogieschluss (Qiyas), den die Sunniten verwenden, wendet man in der Schia nicht an. Das ergibt auch wenig Sinn, da sich viele Fragen der heutigen Zeit nicht mit Analogien beantworten lassen.

Hierzu habe ich einen interessanten Beitrag gefunden:

Eigentlich haben fast alle diese östlichen Kampfkünste oder Yoga und Meditation und etc. einen philosophischen Hintergrund, der auf atheistischen und nicht himmlischen Religionen basiert, aber es wäre kein Problem für dich, diese Künste zu lernen und zu praktizieren, solange du ihre Philosophien und Ideen nicht akzeptierst und sie lediglich als Körperbehandlung und Sport ansiehst. [...] In einem berühmten Hadith von Imam Reza - Friede sei mit ihm - betont Imam ausdrücklich "الأعمال بالنیات", was bedeutet, dass der Wert der Taten an den Absichten gemessen wird, die hinter ihnen stehen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben. Wenn du ein Glas Wasser siehst und daraus trinkst und plötzlich verstehst, dass es eigentlich Wein war, wenn du sofort aufhörst zu trinken, war das Trinken nicht haram, da deine Absicht war, Wasser zu trinken, aber wenn du denkst, dass es ein Glas Wein ist, und anfängst zu trinken und herausfindest, dass es nur Wasser war, ist es in den Augen Allahs immer noch wie das Trinken von Wein und somit haram und eine Sünde, da du dich Allah nicht unterworfen hast. So kann eine einmalige Tat in der Sicht der Religion einen anderen Wert haben, wenn die Absichten dahinter unterschiedlich sind, wenn sie von verschiedenen Personen ausgeführt wird. [...] Auch die Verbeugung in solchen Sportarten ist nur eine Respektsbekundung und keine Anbetung, daher ist kein größerer oder kleinerer Shirk involviert, solange es uns erlaubt ist, die Person (der wir Respekt erweisen sollen) in irgendeinem Ausmaß zu respektieren (ich bin mir nicht sicher, aber es könnte Leute geben, die Feinde Gottes sind und denen jeglicher Respekt verboten ist, und natürlich kann niemand als Feind Allahs identifiziert werden, solange es nicht bewiesen ist).

In anderen Worten: Wenn deine Intention bei der Verbeugung ein Zeichen des Respekts bzw. einen Gruß darstellt, dann ist die Verbeugung kein Problem. Genau das ist für die Sportart der Fall. Es liegt die Intention einer Anbetung überhaupt nicht vor.

Weinberg  26.07.2022, 17:19

Der Gesandte Allahs hat tatsächlich fernöstliche Kampfkunst betrieben, also Judo, Karate usw.?

Das habe ich noch nicht gewusst..😧😧😧

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Es ist eine Form der höflichen Begrüssung. Nahezu identisch mit dem Händeschütteln im Alltag bei uns. In anderen Gegenden reibt man die Nasen an einander (Eskimo) oder legt beide Handflächen gegen einander und verneigt sich (Südostasien).
Du erachtest es hoffentlicha auch als unhöflich, wenn jemand zu dir kommt, sich hinstellt und dich einfach anquatscht. Man schüttelt die Hand, die rechte zur Begrüssung. Traditionell ist das eine Geste, bei der man herausfindet, ob das Gegenüber eine Waffe in der Hand verborgen hält. Das Verbeugen hat nahezu denselben Grund: Man verneigt sich und wendet den Blick zum Boden und entblösst dabei den Scheitel. Wenn man das tut, könnte das Gegenüber einem eins über die Rübe ziehen. Also hat man durch die Verneigung soviel Vertrauen, dass man seinen Scheitel ihm zuwendet und ist dadurch sehr verletzlich.
Es ist übrigens extrem unhöflich, sich nur soweit zu verneigen, dass man den Gegner noch immer anblicken kann! Das ist ein ganz starkes Signal des Misstauens und in den Kampfkünsten hat jeder das Recht, einen solchen Gegner sofort abzulehnen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Du hast das Wesentliche erkannt:

Das Verbeugen ist ein Zeichen des Respekts und stellt eine Form des Grußes dar.

Egal ob du dich vor dem Bild des Gründers, deinem Lehrer oder einem Trainingspartners verbeugst - es ist kein Akt der Anbetung.

Außerdem verbeugt sich dein gegenüber ja auch vor dir - ihr zeigt euch also gegenseitig euren Respekt und die Bereitschaft zur Fairness.

Oder meinst du etwa, dein Lehrer/Trainingspartner betet dich an? ;-)

Woher ich das weiß:Hobby – Seit etwa 40 Jahren Training des Aikido

Das abknien, meditieren und verbeugen gehört zu div. Kampfkünsten und hat viele Bedeutungen.

Erstens wird im asiatischen Raum oft im Alltag gekniet, zB in Japan, da es dort nicht so weit verbreitet war, Stühle zu besitzen (früher), um den Kotatsu (Wärmetisch) saß man oft zusammen zum Essen, aber eben am Boden kniend.
Zeitgleich dient es in der Meditation als Erdung, damit man den Kontakt zum Boden, zur Erde nicht verliert und man mit ihr in Verbindung lange ruhen und meditieren kann.
Die Meditation ist ebenfalls Tradition und Kampfkunst-Tradition. In den asiatischen Ländern wird viel meditiert. Sei es im sitzen oder durch Bewegungen und Riten.

Es eicht einen auf einen selbst, hilft sich selbst besser wahrzunehmen und stellt im religiösen Sinne auch eine Verbindung zu Geistern und Ahnen her. Ich persönlich nehme die Kampfsport Meditation für das Loslassen von Alltagsproblemen und die geistige Vorbereitung auf das Training.

Verbeugen ist eine Sache des Respekts, Verständnisses, Dankbarkeit, etc. Ich verbeuge mich vor meinem Sensei, weil er mich unterrichtet, weil ich von ihm lernen darf, weil ich ihn respektiere, seine Leistungen anerkenne, mich ihm unterstelle und seinen Anforderungen Folge leisten werde. Am Ende des Trainings verbeuge ich mich wieder vor ihm, um ihm zu danken, dass ich von ihm lernen durfte, um meinen Respekt auszudrücken und meine Demut. Vor meinen Trainingspartnern verbeuge ich mich aus Respekt, sie stehen vor mir und geben mir die Chance, zu lernen und zu lehren, ich kann mich verbessern durch ihre Anwesenheit und Bereitschaft, mit mir zusammen zu trainieren.
Ich verbeuge mich auch, weil ich ihnen vertraue - dass sie mich nicht schwer verletzen werden, sondern sich beherrschen können. Ich zeige damit auch, dass ich bereit bin, das gleiche zu tun und ich zeige mit der Verbeugung meinen Respekt vor ihren Leistungen, ihren Fähigkeiten, ihrem Mut, ihrer Disziplin, etc.

Ob das jetzt alles haram, halal oder sonst was ist, ist völlig egal, denn Kampfsport ist Kampfsport und hat mit Religionen der Welt nichts zu tun. Willst du einen Kampfsport betreiben, lass deine Religion, dein Ego und deine Probleme an der Fußmatte zum Dojo zurück.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Karate Trainer, Trainerscheine, ehem. Leistungssportler