Attische Demokratie? Unterschied zur Demokratie heute?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Informationen enthalten z. B.:

https://de.wikipedia.org/wiki/Attische_Demokratie

https://www.bpb.de/izpb/248544/grundzuege-der-athenischen-demokratie?p=all

1) Aufbau

Es gab die Volksversammlung (griechisch: ἐκκλησία [ekklesia]) als grundlegende politische Institution, an der alle männlichen erwachsenen Bürger des Staates teilnehmen durften, den Rat (griechisch: βουλή [boule]) der 500, ungefähr 700 Beamte/Amtsinhaber/Amtsträger und die Volksgerichte als weitere wichtige Institutionen.

2) Grundsätze

  • politische Teilhabe aller Bürger männlichen erwachsenen Bürger des Staates
  • Abstimmungen mit Mehrheitsprinzip und gleichem formalem Gewicht der Stimmen
  • Freiheit und Gleichheit als zentrale Grundsätze und tragende Ideen: Eine antike Textstelle dazu ist Aristoteles, Politik 4, 4, 1291 b. In der athenischen Demokratie war die politische Gleichheit (τὸ ἴσον [to ison] = das Gleiche) sehr grundlegend und Freiheit (ἐλευθεϱία [eleutheria]) ein hoher Wert. In modernen Demokratien gilt Freiheit ebenfalls als ein hoher Wert und Freiheitsrechte sind Bestandteil der Verfassung. Gleichheit ist zumindest als Gleichheit vor dem Gesetz sowie als Gleichberechtigung und Chancengleichheit der Idee nach grundsätzlich anerkannt.
  • öffentliche Diskussion politischer Fragen
  • Redefreiheit und Antragsrecht für alle in einer Versammlung Wahlberechtigten: Redefreiheit war Bestandteil der athenischen Demokratie. In der Volksversammlung (ἐκκλησία [ekklesia]) konnte jeder Bürger einen Vorschlag vortragen und zu einem behandelten Thema seine Meinung äußern. Eine Beratung gab es auch im Rat der 500. Zeitgenössische Bezeichnungen für die Redefreiheit waren ἰσηγοϱία (isegoria; drückt Gleichheit von Rede- und Antragsrecht aus) und παϱϱησία [parrhesia; drückt die Berechtigung zum Reden für jeden aus). In modernen Demokratien ist so etwas mehr auf Parlamente zu beziehen.
  • Verrechtlichung: Es gab hohes Ausmaß an rechtlicher Absicherung der politischen Ordnung, durch Verfassung, Gesetzesbestimmungen, Geschäftsordnungen, Pflicht zur Rechenschaftsablegung, Möglichkeit von Anklagen bei Verstößen.

3) Unterschiede zwischen heutiger/moderner Demokratie und athenischer Demokratie

  • In der athenischen Demokratie gab es ausschließlich direkte Demokratie, dadurch weitgehende Deckung von Regierenden und Regierten, die moderne Demokratie (Demokratie heutzutage), oft in großen Flächenstaaten mit einer hohen Bevökerungszahl, ist dagegen gewöhnlich in der Hauptsache eine indirekte, repräsentative Demokratie (wobei Abstimmungen als Volksentscheid/Referendum in einem gewissen Ausmaß hinzukommen können, aber die Bürger(innen) vor allem durch Stimmgabe für Parteien bzw. Kandidaten/Kandidatinnen Entscheidungen treffen können).
  • Im antiken Athen hatten die Amtsinhaber deutlich weniger Macht im Verhältnis zur Volksversammlung und den Gerichtshöfen (durch Los ermittelte Bürger als Richter). Eine direkte umfassende Bestimmung durch die Bürger selbst stand im Mittelpunkt.
  • Ausschließung von Frauen und Sklaven von politischen Rechten (wobei Abschaffung der Sklaverei demokratischen Werten entspricht, nicht ihre Beibehaltung unter Einräumung von Stimmrechten) in der athenischen Demokratie: Alle Vollbürger hatten das Recht zur Abstimmung und zur politischen Teilhabe. Nicht abstimmungsberechtigt waren: Kinder, Frauen, Sklaven, dauerhaft in Athen lebende Ausländer (μέτοικοι [metoikoi]: Metöken [Mitwohner]). Der Anteil der erwachsenen männlichen Bürger an der Gesamtbevölkerung betrug wohl höchstens 20 %. Die ausgeschlossenen Gruppen kamen nach damaligem Verständnis nicht als an der politischen Herrschaft Beteiligte in Frage.
  • Parteien als Organisation mit Programm, Berufspolitiker(innen), Interessenverbände und Massenmedien in moderner Demokratie
  • Rechtsprechung durch Laienrichter in der athenischen Demokratie, hauptsächlich durch Berufsrichter(innen) in moderner Demokratie (wobei ein gewisses Ausmaß an Mitwirkung von Laien, z. B. als Schöffen, vorkommen kann)
  • geringere Bedeutung von Gewaltenteilung und Grundrechten/Menschenrechten in der athenischen Demokratie
  • In der athenischen Demokratie wurden die meisten Ämter durch Los verteilt, nur einige wenige durch Wahl (z. B. jährlich 10 Strategen). Gleichheit und Teilhabe (Partizipation) der Bürger an der Politik waren wichtig. In der heutigen Demokratie ist Wahl zu politischen Ämtern üblich.

Gewaltenteilung ist kein wesensnotwendiger Bestandteil von Demokratie. Außerdem sind die Bedingungen direkter Demokratie zu berücksichtigen, bei der die einzelnen Gewalten stark an das Volk gebunden bleiben. Heutige demokratische Verfassungen sind stark von dem Gedanken einer Gewaltenteilung (Exekutive, Legislative und Judikative) mit wechselseitiger Kontrolle und Gleichgewichten (checks and balances) bestimmt. Allerdings sind sie nicht wirklich völlig getrennt. In der athenischen Demokratie wurden Gewalten/Herrschaftsfunktionen (Tätigkeiten des Beratens, Entscheidens, Richtens und Ausführens/Vollziehens) unterschieden. Es hat eine Verteilung von staatlichen/öffentlichen Aufgaben/Zuständigkeiten an verschiedenen Institutionen (Einrichtungen) gegeben. Gegenseitige Zusammenarbeit und Kontrolle hat stattgefunden. In der athenischen Demokratie spielte ein Gedanke der Gewaltenteilung aber keine große Rolle. Einen feststehenden Ausdruck als Begriff gab es dafür gar nicht.

In der modernen Demokratie hat es eine starke Entwicklung dahin gegeben, Grundrechte als Teil in einer schriftlichen Verfassung systematisch aufzustellen. In der antiken Demokratie gab es keine derart weitgehende systematische Zusammenstellung von Freiheitsrechten in schriftlicher Festsetzung (auch wenn z. B. Redefreiheit ein wichtiges Prinzip war), wohl auch, weil in der damaligen Gesellschaft Freiheit als individuelles Nichtbeherrschtwerden der Bürgern in großem Ausmaß vorhanden war, indem sie Selbstregierung hatten und die Herrschaft des Staates in die persönliche Existenz hinein eher gering war, Freiheit also nicht so stark gegen eine mächtige Institution zu schützen war.

nützliche Bücher zur athenischen Demokratie sind z. B.:

Jochen Bleicken, Die athenische Demokratie. 2., völlig überarbeitete und wesentlich erweiterte Auflage. Paderborn ; München ; Wien ; Zürich : Schöningh, 1994. ISBN 3-506-71901-7 (besonders S. 423 – 436 und S. 481 – 485 [Über antike und moderne Demokratie])

Angela Pabst, Die athenische Demokratie. Originalausgabe. 2., aktualisierte Auflage. München : Beck, 2010 (Beck'sche Reihe : C.-H.-Beck-Wissen ; 2308). ISBN 978-3-406-48008-9 (besonders S. 102 -113 [Über die Zeit hinweg: Ein kurzer Rückblick und ein kleiner Blick nach vorn)

Wichtigster Unterschied: Stimmberechtigt waren nur "Bürger". Der Großteil der Bevölkerung hatte diesen Status nicht.