Aquarium in biologisches Gleichgewicht bringen?


20.02.2020, 01:27

Wenn das Aquarium im Gleichgewicht ist, ist es ja auch einfacher zu pflegen oder?

4 Antworten

Absolut.

Das Gleichgewicht in Deinem Aquarium verändert sich auch ständig. Wenn Du zu viel Futter einbringst, wirst Du Probleme mit Algen bekommen. Wenn Pflanzen absterben, wird das Wasser belastet, und und und ...

Manchmal dauert es länger, bis man die richtige Zusammensetzung von Wasserpflanzen, Wirbellosen (Schnecken) und Fischbesatz gefunden hat, so dass es am Ende ein einigermaßen stabiles System geworden ist.

Ich habe übrigens gute Erfahrungen mit Zimmerpflanzen gemacht, deren Wurzeln ins Wasser ragen und dem Becken Nitrat und Phosphat entziehen. Die Wasserqualität hat sich dadurch massiv verbessert. Es gibt eine lange Liste von Pflanzen, die sich dafür eignen: Monstera/Fensterblatt, Efeutute, Glücksbambus, Dieffenbachia und und und … sogar in gewissem Sinne Basilikum.

Es sieht natürlicher aus, wenn Pflanzen auch außerhalb des Aquariums ranken. Man kann sogar weiter gehen, wenn man ein sehr großes Becken hat und eine Art Aquaponik betreiben: der Fischkot düngt dann die Tomaten. Aber dazu braucht man viel Platz und ein spezielles Pumpensystem.

Ich habe nun vieles über das biologische Gleichgewicht von Aquarien gelesen

Meh. Also ich benutze den Begriff ungern.

Es ist damit zumeist zu 80% ein Vorgang gemeint, den man einfacher ausdrücken kann und der immer stattfindet. AM Anfang sind im Aquarium wenig Bakterien drin, weil alles neu ist. Dann siedeln sich die nitrifizierenden Bakterien an. Das dauert etwa 2 Wochen, manchmal etwas länger. Innerhalb der ersten 2 Wochen ist die Wasserqualität dehalb manchmal recht schlecht (hohe Nitrit- und Ammoniakwerte), bis die Bakterien sich eingespielt haben und in ausreichender Zahl vohanden sind. Danach setzt man die Fische ein, die Bakterien reagieren dann wieder auf das Futter und den Fischkot mit weiterer Vermehrung. Auf einen Schlag in ein neues Aquarium sehr viele (!) Fische reintun und ordentlich füttern kann die Fische schlicht vergiften weil keine nitrifizierenden Bakterien da sind, um die stickstofhaltigen Abfälle in relativ ungiftiges Nitrat umzuwandeln.

Andere Bedeutungen von "biologischem Gleichgewicht" sind eher vage. Aber es stimmt schon, man kann zB. durch plötzliche Änderung des Pflegerhytmus zB. Algenplagen provozieren.

Erst dann sollen die Fische nach und nach rein.

Naaaaja. Also mir gefällt der Ratschlag nicht so gut. Ich finde man sollte so selten besetzen wie möglich, höchstens ein Besatzschritt pro Art. Neubesatz ist immer ein ~ 1-10 % Todesrisiko für den Altbestand oder Neubestand wegen inkommensurabler Immunsysteme und Bakterienfloren auf den Fischen. Denk an die Pocken in Südamerika oder so :-( die Neuankömmlinge können Sachen mitbringen, gegen die sie resistenter sind als der Altbestand oder umgekehrt. Daher sollten die Fische zumindest aus nicht mutwillig vielen verschiedenen Quellen kommen.

Bei einem vernünftigen, "naturnahen" und lockeren Besatzplan ist gar nicht erst viel Fischmasse eingeplant beim Besatz. Deshalb muss man den auch nicht endlos splitten, sondern kann ihn in 1 2 oder 3 Zügen einsetzen.

Ja, so ist das. Erst muss der Lebensraum stimmen, dann können erst gefahrlos die Tiere einziehen.

Das Aquarium wird komplett eingerichtet. Bodengrund, strukturgebende Einrichtungsgegenstände/Deko, Pflanzen, Wasser, sämtliche vorgesehene Technik. Dann wird es einlaufen/einfahren lassen. Das dauert einige Wochen. In dieser Zeit bildet sich im Aquarium und im Filter die Lebensgemeinschaft unterschiedlicher nützlicher Bakterien und anderer Einzeller und Kleinstlebewesen, die Pflanzen gewöhnen sich an die verglichen mit der Gärtnerei veränderten Lebensumstände und wachsen an usw.

Der bakterielle Schadstoffabbau muss erst entstehen, die Pflanzen müssen anfangen Nährstoffe aufzunehmen und Sauerstoff zu produzieren. Wenn man die Tiere zu früh einsetzt, besteht Vergiftungsgefahr und dann ist man nur noch am rennen und Wasser wechseln. Wenn man sicher sein will, sollte man mindestens 3, besser 4 Wochen mit dem Besatz warten. Unempfindliche Schneckenarten, die man sich meist mit Pflanzen einschleppt, überstehen diese Phase meist völlig unbeschadet. Nicht erschrecken, wenn aus 2 auf einmal 20 werden, das ist halt die Gelegegröße und so lange es so wenig Schnecken sind, finden auch alle Babys genug Futter um groß zu werden. Das reguliert sich über das Futterangebot von ganz allein und abhängig vom Besatz kann es auch sein, dass eine paar der dünnschaligen Schneckenbabys gefressen werden. Wer Pflanzen mit fleischigen Blättern hat (z.B. Bacopa Arten, Froschbiss), ist ganz gut beraten, die Posthornschnecken direkt auszusportieren und nur die anderen aufkommenden Schneckenarten drin zu lassen. Andere Pflanzenarten bleiben in der Regel auch von Posthornschnecken unbehelligt.

Ein nützlicher Nebeneffekt der vermeintlich langweiligen Wartezeit, die aus der Einlaufphase entsteht, ist die Möglichkeit, noch Optimierungen an der Einrichtung und der Technik vorzunehmen, ohne dabei Tiere zu stressen oder zu gefährden. Größere Umpflanzaktionen stören dann keinen Bewohner, ein falsch eingestellter Heizstab oder ein zu weit aufgedrehtes CO2 Ventil bringt niemanden um und wenn man den Filterausströmer zur Optimierung der Wasserbewegung noch 3x umbaut, stört das auch niemanden.

Eins muss man zur Einlaufphase noch wissen: Die Bakterien vermehren sich grundsätzlich immer nur in der Menge, die sich ernähren kann. Man kann nicht sagen, die 4 Wochen sind um, jetzt kann man 150 Guppys einsetzen. Das endet in einer Katastrophe. Die Zahl der Bakterien muss sich erst wieder steigern, wenn die Menge an Ausscheidungen im Wasser zunimmt. Deswegen ist es ratsam, nicht alle Fische auf einmal einzusetzen. Um Probleme mit Keimunverträglichkeiten (wie die Indianer, die an europäischen Viren starben) zu vermeiden, sollte man aber auch nicht zu stark aufteilen. Ein Schwarm von 20 Tieren einer Art wird also nicht geteilt, sondern auf einmal eingesetzt. Man setzt bei Gesellschaftsbecken eine Art nach der anderen ein und wartet jeweils mindestens eine Woche, bevor die Nächste Art kommt. Zuerst die Bodenfische, dann nichtterritoriale Fische, dann territoriale Fische. Eine Besonderheit sind spezialisierte Aufwuchsfresser wie Otocinclus. Die kommen erst, wenn das Aquarium mindestens 4-5 Monate läuft, vorher drohen sie zu verhungern. Es erweist sich als am besten, wenn man nicht zu viele verschiedene Arten vergesellschaftet, sondern sich auf wenige konzentriert. So wird vermieden, dass sie sich gegenseitig in ihrem natürlichen Verhalten behindern.

Falls Du ein gutes Buch kaufen willst: https://www.amazon.de/Praxishandbuch-Aquarium-Wirbellosen-%C3%BCberarbeitet-Standardwerk/dp/3833861398/ Der Theorieteil zur Wasserchemie ist zwangsläufig etwas langatmig zu lesen, aber dafür steht auch alles Wesentliche drin und es ist gut erklärt. Bitte nur diese Auflage, nicht die inhaltlich veraltete Vorgängerauflage. Es wurde schon viel Mist zu Papier gebracht und große Teile der Aquarienliteratur bestehen aus jahrzehntealten, völlig überholten Ansichten. Dieses Buch ist seit langer Zeit das erste, das ich gut finde.

Wenn es um Anregungen zur Einrichtung und viele andere zeitlose Tipps geht, ist auch immernoch Hans Freys uralte "Aquarienpraxis kurz gefaßt" empfehlenswert: z.B. https://www.ebay.de/itm/223918179874

Grobbeldopp  20.02.2020, 03:28
Bitte nur diese Auflage, nicht die inhaltlich veraltete Vorgängerauflage.

Hm ich mag das Buch auch, in der jetzigen Fassung. Was sind denn die Unterschiede so ganz grob?

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eieiei2  20.02.2020, 14:18
@Grobbeldopp

Es ist einige Zeit her, dass ich die alte Ausgabe in der Hand hatte. Wenn ich mich richtig erinnere, waren darin einige recht sonderbare Besatzempfehlungen zu finden.

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