wofür braucht man Ableitungen?

6 Antworten

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Grundsätzlich, zum Einstieg in das Rechnen mit Ableitungen:

  • Sei x = x0 eine Zahl aus dem Definitionsbereich der Funktion f und
  • f'(x0) der Wert der Ableitung f' von f an der Stellen x = x0. Dann ist
  • f'(x0) die Steigung einer Tangente, die die Funktion f im Punkt (x0 | f(x0) ) berührt.

(Zum Zeichnen:) Die Tangente hat die Gleichung

t(x) = f(x0) + (x - x0) f'(x0);

du kannst sie auch in die "gewohnte" Form t(x) = mx +b umformen.


Bei dieser Tatsache geht ein Abenteuer namens Kurvendiskussion los.

Wenn f in bis zu einem Punkt x0 steigt und rechts von x0 wieder fällt, hat sie bei x0 einen Hochpunkt. Die (Steigung der Tangente an f und damit) die Ableitung f' ist dann links von x0 positiv und rechts davon negativ; also hat f' bei x0 eine Nullstelle mit Vorzeichenwechsel (von plus nach minus).

Alles entsprechend anderes herum für einen Tiefpunkt.

Wegen f'(x0) = 0 haben Hoch- und Tiefpunkt waagrechte Tangenten. Es kann aber auch Punkte von f geben, die waagrechte Tangenten haben, ohne Hoch- oder Tiefpunkte zu sein, weil f' an ihrer Nullstelle x0 die x-Achse nur berührt, aber nicht das Vorzeichen wechselt. Solche Punkte heißen Terrassenpunkte von f ( Beispiel: x0 = 0 von y = x³ ).

Wenn du die Punkte des Graphen von f durchgehst und jeweils die Tangente mitnimmst, dreht die sich wie der Zeiger einer Uhr (im negative Drehsinn), oder aber im Gegensinn (positiver Drehsinn). Wenn in einem Intervall die Tangente an f positiv dreht, ist f' dort steigend; wenn sie negativ dreht, fallend.

Ein Punkt, an dem der positive Drehsinn der Tangente in den negativen übergeht, heißt Links-Rechts-Wendepunkt von f - er ist ein Hochpunkt von f', weil f' links vom x-Wert eines Links-Rechts-Wendepunkts steigt, aber rechts von ihm fällt.

Entsprechend anderes herum für Rechts-Links-Wendepunkte. Beide Sorte Wendepunkte werden in der Schulmathematik meist einheitlich als "Wendepunkte" bezeichnet; ich finde allerdings, dass das eigentlich mehr Verwirrung stiftet als Vereinfachung bringt. Denn:

Da die Wendepunkte Hoch- oder aber Tiefpunkte von f' sind, lassen sie sich mit der Ableitung der Ableitung ( = der "zweiten Ableitung") f'' genau so untersuchen, wie sich mit der "normalen" ( = ersten) Ableitung die Hoch- und Tiefpunkte von f untersuchen lassen.

Übrigens ist jeder Terrassenpunkt auch ein Wendepunkt, denn wenn f' die x-Achse in ihrer Nullstelle x0 (nur) berührt, hat f' in x0 auch einen Hochpunkt (bei Berührung von unten) oder aber einen Tiefpunkt (bei Berührung von oben).

Die zweiten Ableitungen habe noch eine andere nützliche Eigenschaft: Wenn bei x0 die Ableitung f' eine Nullstelle hat und f'' bei x0 negativ ist, hat f' in x0 eine nach unten zeigende Tangente und wechselt das Vorzeichen von plus nach minus. Dann wiederum hat f in x0 einen Hochpunkt. Kommt heraus: f'(x0) = 0 bildet zusammen mit f''(x0) < 0 ein hinreichendes Kriterium für einen Hochpunkt ( = die waagrechte Tangente kann weder zu eine Tief- noch zu einem Terrassenpunkt gehören).

Entsprechend anders herum gibt es ein hinreichendes Kriterium für einen Tiefpunkt.

Eine Funktion f kann aber auch einen Hochpunkt bei x0 haben, ohne dass f'' dort negativ ist (Beispiel: y = -x^4 bei x0 = 0). Das ist dann der Fall, wenn f' zwar schön brav in x0 das Vorzeichen von plus nach minus wechselt (was es bei Hochpunkten immer "muss"), aber selbst in x0 eine waagrechte Tangente hat (und also einen Terrassenpunkt), denn dann ist auch f''(x0) = 0. - Dass f'(x0) in x0 eine nach unten zeigenden Tangente hat, gehört also zu einem hinreichenden, aber nicht zu einem notwendigen Kriterium für einen Hochpunkt.

Entsprechend ist das positive Vorzeichen der zweiten Ableitung in x0 ein hinreichendes, aber kein notwendiges Kriterium für einen Tiefpunkt.

Wenn nun f'(x0) = 0 und f''(x0) = 0 ist, guckt man etwas "dumm aus der Wäsche", denn x0 kann Hoch-, Tief- oder Terrassenpunkt von f sein. Also untersuchst du in solchen Fällen auf anderem Wege, ob f' in einer Umgebung von x0 nun das Vorzeichen wechselt oder nicht, und ob von positiv nach negativ oder aber anders herum.

So, wie die zweite Ableitung von f hinreichende Kriterien für Hoch- und Tiefpunkte von f liefert, liefert die zweite Ableitung von f' hinreichende Kriterien für Hoch- und Tiefpunkte von f' - die dann Wendepunkte von f sind. Diese zweite Ableitung von f' ist dann die dritte Ableitung f''' von f. Also das ganze Spielchen "eine Ableitung tiefer" noch einmal.


Das war nun sozusagen die Sahne auf der Torte vor dem Tortenboden. Denn erst einmal ist zu verstehen, wie diese Ableitungen überhaupt zustandekommen. Das funktioniert so, dass von den beiden Schnittpunkte einer Sekanten des Graphen von f einen immer dichter an den anderen heranrücken lässt, bis er quasi mit ihm verschmilzt, und die Sekantensteigung in einer Tangentensteigung übergeht. Rechnerisch funktioniert das mit einem Grenzwertprozess - den ich auch bei Gelegenheit gerne erkläre, aber vielleicht ein andermal.

DieChemikerin 
Fragesteller
 23.12.2013, 09:24

oh mein Gott ist das kompliziert D:

und ICH soll Klassenbeste in Mathe sein und will mal Mathe studieren? Ach du heilige...D:

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psychironiker  23.12.2013, 11:09
@DieChemikerin

Der Kurvendikussions-Teil war "mal eben" der Stoff mehrerer Wochen elfte Klasse.

Lass dich also nicht entmutigen ... einen gehaltvollen Likör würde ich schlückchenweise genießen, dann entfaltet er gleichermaßen Geschmack und wohltuende Wirkung. Sturztrunk verursacht da eher Schwindel und Verkaterung hinterher; nicht zu empfehlen

Gilt meiner Ansicht nach für mathematisches Erkennen entsprechend. Ich finge an deiner Stelle mal mit dem ersten Abschnitt "Tangentensteigung" an und würde ein Paar Beispiele zeichnen. Hätte mich in der neunten am ehesten interessiert, aber damals gab es kein Internet.


An der Uni weht allerdings ein anderer Wind. Der allererste Satz meiner allerersten (Anfänger-)Vorlesung lineare Algebra lautete (war sehr einprägsam):

"In der unendlichen Tensoralgebra ohne Einschränkungsbedingung haben die 7 Geraden des Satzes von Désargues folgende projektive Form: (...)"

Aah jaa, natürlich, selbstverständlich, und jetzt bitte nochmal in der besonders deutlichen Aussprache des älteren Mittelchinesisch. Ich hatte "Gerade" und "unendlich" und "Satz" der Wortbedeutung nach verstanden und sonst nichts. Aber um mich herum interessierte Blicke, Nonchalance und Kurznotizen, und ich kam mir unsäglich blöd & im falschen Film vor.

Ein halbes Jahr später wusste ich dann, wovon die Rede gewesen war. Und dass absout niemand es auf Anhieb verstanden hatte.

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DieChemikerin 
Fragesteller
 23.12.2013, 15:16
@psychironiker

Und jetzt hab ich Angst vor dem Mathestudium xDDD

ich hab voll Angst dass ich das Lehramtsstudium nicht schaffe D:

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psychironiker  23.12.2013, 17:31
@DieChemikerin

Was habe ich nun angestellt?

Lies auch das Ende meiner Darstellung ( = die "Wissenden" des ersten Semester waren es nicht, das sah bloß so aus). Es besteht kein Grund, das Studium zu fürchten - und für jemanden, die sich in der neunten Klasse für Ableitungen interessiert, schon gar nicht. Die kochen am Ende alle auch bloß mit Wasser.

Im Moment hast du alle Zeit der Welt, dir schlückchenweise und genießerisch etwas mehr Mathematik anzueignen als Gleichaltrige; das war meine Botschaft. Sei nur höchstens etwas auf der Hut vor "kalten Duschen", was spätere Situationen angeht.

Ehemals war der Lehramtsstudiengang fachlich deutlich weniger schwer als der Diplomstudiengang; ich nehme an, dass sich da nicht viel änderte (auch wenn der Diplomstudiengang jetzt Master heißt). Die Lehramtsstudierenden hatten ja auch noch Didaktik usw. Allerdings war der fachlich beste Mathelehrer, den es damals auf unserer Schule gab, Diplommathematiker.

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Ableitungen von Funktionen braucht man um Extremwerte zu berechnen oder die Ortskurven von den Extremwerten.

Wenn man sich das Ableiten zeigen lässt, ist es genau wie beim Wurzelziehen:
man akzeptiert es als mögliche mathematische Operation, ohne zu sehen, wohin es alles hinführt, bevor man nicht in die tieferen Zusammenhänge eingeführt wird.

Beim Wurzelziehen kennst du als Anwendungen die Nullstellenberechnung bei Parabeln, Ermittlung einer Fläche aus einem Volumen und zahlreiche andere.

Bei der Differentiation (Ableitung) ist es ganz ähnlich. Das wirst du in der Schule dann zu wissen bekommen. Gerade im Bereich der Parabeln führt man die Nullstellenberechnung via Ableitung in mehreren Stufen weiter zur Ermittlung von Hochpunkten und Tiefpunkten, Wendepunkten usw.

Du erfährst dann ganz locker, dass das die bekannte m für eine Gerade nichts weiter sein kann als die Ableitung einer Kurve in einem ganz bestimmten Punkt; und schon ist diese Gerade eine Tangente geworden, die errechenbar ist.

Also, lass dir von deinem Studenten nicht nur die Technik erläutern, sondern auch ein paar Hintergründe. Wir wissen ja, dass du das brauchst, um den Stoff völlig zu verarbeiten.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Unterricht - ohne Schulbetrieb

Ich vermute, du meinst Ableiten i.S.v. Differenzieren und nicht Ableiten i.S.v. Herleiten:

Eine wichtige Anwendung der Differentialrechnung ist die (nichtlineare) Optimierung. Da die 1. Ableitung einer Funktion an einem Punkt der Steigung des Funktionsgraphen an diesem Punkt entspricht, kann man die 1.- Aleitung dazu verwenden, lokale Extrempunkte (Stichwort: Optimierung) einer Funktion zu berechnen, da in lokalen Extrempunkten die Steigung und somit die 1. Ableitung Null ist.

Andere Anwendung z.B. in der Physik, wo viele Größen Ableitungen anderer Größen enthalten, z.B.:

Momentangeschwindigkeit v = ds / dt = s '(t)

Induktionsspannung U = L * di/ dt = L * i '(t)

Beschleunigung a = dv / dt = v '(t)

Kondensatorstrom i = C du / dt = C * u '(t)

S1r1us13  22.12.2013, 18:57

Zusammenfassung:

Um Extremwerte (Hoch- und Tiefpunkte) zu berechnen; als Eselsbrücke zwischen bestimmten physikalischen Größen.

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wenn du einen bestimmten Punkt an der Funktion hast und die 1. Ableitung =0 setzt, dann bekommst du die Steigung von der Tangete, die durch den gegebenen Punkt läuft :)

Aurel8317648  22.12.2013, 20:39

Das kann aber nicht stimmen :)

Denn der Wert der 1. Ableitung einer Funktion an einem Punkt ist gleich dem Wert der Steigung dieser Funktion an diesem Punkt

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capebape  29.12.2013, 23:05
@Aurel8317648

das ist in dem fall doch das gleiche oder nicht? :o klär mich auf wenn es anders ist :D

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