Abi umsonst gemacht?
Servus zusammen. Ich möchte hier gerne mal um Rat bitten. Ich hab 2017 mein Abitur absolviert und letztes Jahr meinen Bachelor in Wirtschaftsingenieruwesen gemacht. So weit so gut. Erwähnen muss ich aber, dass ich vor dem Gymnasium auf der Realschule war, und dort meine Mittlere Reife absolviert habe. (2014) Und jetzt kommt das eigentliche Thema: Mein bester Freund hatte sich nach der Realschule für eine Ausbildung zum Industriekaufmann entschieden, ich, wie gesagt, fürs Abi. Mir war seine Entscheidung vollkommen fremd, da er definitiv intelligent genug gewesen wäre, das Abi zu schaffen. Ich pflege regelmäßig Kontakt zu ihm und habe diesbezüglich den Vergleich zu meiner Situation ziehen können. Noch vor meinem Abitur hatte er bereits die Ausbildung in der Tasche, da er sie um ein halbes Jahr verkürzen konnte. Danach hatte er nebenberuflich (Vom Betrieb finanziert!) eine Weiterbildung zum Staatl. gep. Betriebswirt gemacht, die er letztes Jahr abgeschlossen hat. Er verdient MEHR als ich und meine ehemaligen Kommilitonen und jetzt hab ich schon das Glück (leicht) Überdurchschnittlich zu verdienen. Das ist doch komplett lächerlich! Und nicht weil ich es ihm nicht gönne! Ganz im Gegenteil: Es nervt mich nur wenn ich bedenke dass ich all diese Jahre damit verbracht hab, in der Uni zu hocken, nur gerade so über die Runden zu kommen, während er Führerschein, Auto und regelmäßig Wochenendurlaubs finanzierte. Ich hab das damals immer mit "ja wenn ich abschluss habe zieh ich nach" gerechtfertigt. Und das beste kommt noch: Durch seinen Betriebswirt-Abschluss darf er jetzt allgemein studieren. Er hat sich letztes Semester in WiWi an der FernUni Hagen eingeschrieben (nebenberuflich) und bekommt aufgrund seiner Vorbildung auch noch haufenweise ECTS angerechnet. Mir wurde dauerhaft während der Schulzeit eingehämmert, dass Abi der "schnellste" Weg zum Erfolg sei bla bla. Das ist doch Schwachsinn! Hätte ich gewusst, dass man auch so studieren kann, hätte ich mir diesen Schwachsinn Namens gymnasiale Oberstufe nie angetan! Natürlich, er hat länger gebraucht um zu studieren, aber wenigstens hat er sich nen finanziellen Polster angelegt. Wenn er jetzt schon ordentlich verdient und dann noch einen akademischen Abschluss erreicht, dann hat es sich für ihn komplett gelohnt. Was sagt ihr dazu? Kennt ihr ähnliche Fälle? Mir wurde immer eingeredet Abi hier Abi dar und jetzt seh ich regelmäßig Leute Karriere machen, die noch nie nen' Gymnasium von innen gesehen haben. Mittlerweile hinterfrage ich meine Entscheidungen des öfteren, auch wenn eigentlich alles "passt". Wie gesagt ich verdiene nicht schlecht, hab nen coolen Job usw. aber dass macht mich schon ein bisschen traurig, wenn ich daran denke, dass so lange finanziell zurückstecken hab müssen. Hätte ich das gewusst, hätte ich wahrscheinlich nie die Oberstufe betreten. Was haltet ihr davon? Ein Ausnahmefall kann es ja nicht sein, wenn ich mit die ehemaligen Realschulkollegen so anschau. Die haben alle was erreicht! LG
7 Antworten
über die verfehlte bildungspolitik der letzten 30 jahre zu sprechen wird müßig sein.
das abi war ein abschluss, der weit über dem normalen niveau lag, der deswegen ein studium ermöglichte und so den zugang zu berufen wie arzt, rechtsanwalt, architekt, etc ermöglichte.
kaufmännisches wissen wurde im gymnasium nie wirklich besprochen (was mich immer gestört hat), das gabs dann auf der realschule, dem mittleren abschluss, der besser war als die hauptschule, die als fortsetzung der grundschule im wesentlichen die vorbereitung auf eine handwerkliche lehre war.
irgendwann wurde dieses drei stufen system mal als völlig überholt bezeichnet, es sei ungerecht, es gäbe keine gleichen chancen für alle, bla bla. die folge ist, dass die hauptschule einen geradezu sozial abwertenden ruf hat, die realschule kaum noch jemand kennt und heute jeder aufs gymnasium geht, egal ob die grundschue dies empfiehlt oder nicht.
die folgen sind beträchtlich. da ein gymnasialer abschluss zum studium berechtigt und somit jeder studieren darf (und möglichst auch soll), ist der leistungsdruck für lernschwächere kinder unerträglich. abhilfe schaffen dann all die verschiedenen reformen, die immer in eine richtung gegangen sind. sie haben schlicht und einfach das niveau eines abi abschlusses soweit heruntergesetzt, dass es jeder schafft.
das wird dann im studium genauso fortgesetzt. der bachelor, also 3 jahre studium, reicht jetzt angeblich aus für eine berufsbefähigung. jeder, der in der bildungsbranche tätig ist weiss, dass das bullshit ist. aber die anforderungen sind so, und es ist politisch gewollt, dass die studierenden anschliessend bei ihrem arbeitgeber weiterhin ausgebildet werden müssen, weil sie ihren beruf sonst einfach noch nicht können.
entsprechend sind die gehälter niedriger geworden, im vergleich.
in der geschäftswelt werden natürlich je nach geschick des händlers riesengewinne gemacht. handwerker mit eigenen betrieben zb fahren die dicksten autos, darüber haben wir immer gelacht: fliesenleger hätte man werden sollen. da ist es dem aber einfach geschick des einzelnen überlassen und es gibt keinen subventionierten erfolg: wer nicht gut ist, verdient nix, wer geschäftstüchtig ist, macht ne menge umsatz.
dein eindruck ist also durchaus richtig.
nebenbei gesagt habe ich noch nie etwas gehalten, von leuten die sich was drauf eingebildet haben, akademiker zu sein. ich habe blitzgescheite menschen kennengelernt, die keinen abi abschluss hatten und volltrottel, die einen studienabschluss hatten.
was mich ärgert ist, dass die heutigen jugendlichen bei soviel gleichheitswahn regelrecht verheizt werden. sie nehmen die schule nicht ernst, im bildungsfernen niveau, und wenn sie von helikoptereltern auch noch zuhause getriezt werden müssen, um sich wissen aneignen zu können, weil das niveau in der staatlichen schule so niedrig ist, bleibt kaum noch jugend übrig.
die folge sind all die depressiven und verzweifelten kinder, die mit irhem leben kaum noch fertig werden, gerade gutefrage spricht in dieser hinsicht bände.
ist es nicht seltsam, dass ein abgestuftes schulsystem als schlecht empfunden wird, höchstleistung als wenig wichtig angesehen wird und, wenn wir noch das thema inklusion mit hineinnehmen, diejenigen, die eine förderschule brauchten, auch noch in die gleiche mühle geworfen werden? bei den toiletten können es nicht genug sein, jedes geschlecht soll eine bekommen, aber in der schule reicht eine für alle.
ich kenne niemanden, dem noch nicht aufgefallen ist, dass es, ganz unabhängig von seiner herkunft menschen gibt, die schlau sind, und welche die dumm sind. das bedeutet nicht, dass die einen weniger wert sind als die anderen. aber in einer gesellschaft jeden so einzusetzen wie es seinen fähigkeiten entspricht, so dass er glücklich werden kann und in seinem bereich gute arbeit leistet, wäre ein schönes ziel.
ist aber leider absolut unmodern.
Mal ehrlich...dass das Abi nicht mehr das Nonplusultra ist, ist schon länger bekannt.
Das Abi ist der höchste dt. Abschluss und es stehen alle Türen offen.
Aber, es gibt eben auch andere Wege, wenn man (später mal) studieren will. Darüber wurden wir am Gym damals informiert bzw. ich habe das selber in Erfahrung gebracht.
Bin auch ein Jahr vor dem Abi runter, habe die Ausbildung zum IK jetzt beendet und nun steht mir auch alles offen😊. Meine Kumpels, die studieren, sind nicht alle zufrieden (was auch an Corona lag/liegt), haben abgebrochen und/oder haben keine Lust.
Tja, ich musste mir auch viel Blabla damals anhören...wirf dein Leben nicht weg🤦♂️, warum, wieso...jetzt lache ich, verdiene gutes Geld und mal sehen, wie es bei denen weitergeht.
Also...jeder ist seines Glückes Schmid👍.
Die sinnvollste und beste Vorbereitung auf‘s Studieren ist und bleibt das Abitur.
Dass es in manchen Ausnahmen gelingt, über (mühsame) Umwege weiter zu kommen, das ändert nichts daran.
Sehr gute Frage!
Ich kann dir nur eins sagen: Noten und Abschlüsse sind in der Arbeitswelt oftmals nicht so wichtig wie du vielleicht denkst. Viel mehr kommt es auch auf Softskills und Lern- / Arbeitsbereitschaft an. Jedoch sind Aufsstiegschancen mit einem höheren Abschluss statistisch gesehen warscheinlicher.
Ist das unfair?
Ich würde sagen: Jain. Für mich persönlich sind die Arbeitsfelder die oftmales komplexer / fordernder sind und ein gewissen Abschluss erfordern interessanter. Das heißt nicht, das diese unbedingt wichtiger oder wertvoller für die Gesellschaft sind. Komplexere Arbeit bedeutet nicht zwangsläufig mehr Geld.
Wenn du zufrieden mit deinem Job bist, würde ich dein Gehalt nicht zu sehr mit dem anderer vergleichen sondern dir einfach selber die Frage stellen: Bin ich Wert, was ich verdiene? Zudem kann dein Gehalt als Wirtschaftsingenier noch sehr zunehmen. Also Industriekaufmann oder Handwerker ist der Anstieg des Lohnes / Gehalts nach der Ausbildung nicht so stark wie der eines Absolventen.
dein abi schafft dir nicht gleich eine höhere Position in einem gewissen Beruf. Du hast die Möglichkeit anders als andere einen gut bezahlten Beruf ohne Weiterbildungen zu haben. Und eine Weiterbildung während man arbeitet wird eben auch sehr gut bezahlt und sollte von dir nicht unterschätzt werden. Die Abendschulen sind auch schwer und neben der Arbeit muss man auch die Zeit finden viel zu lernen. Da ist ein abi oder Studium wo man vollzeit lernen kann statt zu arbeiten definitiv einfacher zu meistern.