Es kommt drauf an, warum ich traurig bin. In der letzten Zeit (in den letzten Jahren) hatte ich mit so einigen Todesfällen zu kämpfen und das ist eine Traurigkeit, die mit nichts zu vergleichen ist.
Ich meine, das hat so eine Endgültigkeit und ich muss auch dazu sagen, dass man eigentlich nie sowas wie eine Gewöhnung hat.
Man muss erstmal sowieso begreifen, dass es jetzt wirklich so ist, dann muss man damit fertig werden, dass es nichts bringt, nach dem Warum zu fragen oder sich irgendwelche Schuldgefühle zu machen, z.B. für die letzten Worte, die man gesagt hat. Letztlich klingt irgendwie fast alles irgendwie dumm. Vor allem, wenn man nicht wusste, dass es die letzte Begegnung sein würde.
Ich würde sagen, das Härteste war unerwartet meine Oma, obwohl sie schon über 90 war und schon länger krank und man ahnen konnte, dass es bald zuende geht. Aber das macht es nicht leichter, weil sie einfach mein ganzes Leben lang schon da war. Einfach dieses Wissen, dass es hinter jedem einzelnen Namen auf einem Grabstein einfach gelebtes Leben und ganz viele Hoffnung stecken, das hat mich irgendwie fertiggemacht. Auch weil es mitten in der Pandemie war und meine Oma sich einfach kein einziges Mal angesteckt hat. Ich hatte immer Sorge um sie und dann ist sie aber trotzdem einfach so unspektakulär gestorben. Ohne großen Knall sozusagen. Für mich war das so, dass ich zwar auch ein bisschen geweint habe, aber dann auf der Beerdigung so einen Moment hat, wo wir alle nacheinander an die Grabstelle treten sollten, um uns zu verabschieden. Und ich konnte/wollte das in dem Moment nicht, um keinen Preis. Es hat mich ohne Vorwarnung so zerrissen innerlich, aber das musste alles raus. Ich habe so richtig unwürdig Rotz und Wasser geheult und richtig laut und dämlich einen Aufstand gemacht, weil ich noch nicht loslassen konnte/wollte.
Ich habe meine Verwandtschaft blöd angemacht nach dem Motto "Wie könnt ihr bloß?!?"
Im Nachhinein kann ich aber sagen, dass der Bestatter und der Pastor ganz toll reagiert haben und mit mir gesprochen haben, dass jeder mit Trauer anders umgeht. Und die haben mir von den "Klageweibern" erzählt, die einem helfen sollen, den Schmerz zuzulassen.
Danach sind wir in einem Café eingekehrt und da musste ich erstmal ein fettes Stück Kuchen essen, weil dieses Geheule auch einfach echt viel Kraft gekostet hat. Meine Mutter mochte gar nichts essen.
Ich will damit auch nur sagen, dass man das pauschal gar nicht sagen kann, was hilft. Das findet sich in dem Moment, wo man aufhört, den Schmerz zu unterdrücken. Es ist nicht gut, wenn man sich die ganze Zeit zusammenreißt.
Ich habe manchmal ganz bewusst im Auto geweint oder beim Wäschewaschen sinnlos ins Bullauge gestarrt. Manchmal ging es mit Musik besser, manchmaal konnte ich Musik gar nicht ertragen. Manchmal hat mich der Alltag getragen, manchmal ging nichts mehr und ich habe den Tag abgehakt und alles auf morgen verschoben.
Man muss gnädig zu sich selber sein und vor allem akzeptieren, dass Traurigkeit zum Leben dazugehört.