Vlt hilft es dir erstmal, zwischen Religion und Glauben zu unterscheiden.
der Glaube ist die persönliche Beziehung zu Gott, die du so gestaltest, wie du es für richtig hältst. Dabei kann die Bibel oder andere Bücher helfen.
die Religion ist das, was daraus entstanden ist. Dabei spielt ganz oft Politik und Macht eine wichtige Rolle. Außerdem ist Religion immer abhängig von der Kultur, in der sie entsteht/lebt. Und die Kultur wird von der Religion bedingt.
ich nehme mal das Beispiel abtreiben in der USA (ich werde nicht bewerten, ob Abtreibung gut oder schlecht ist, nur die Zusammenhänge erklären): In der USA gibt es einen großen Anteil von Christ:innen, die glauben, dass Abtreibung eine schwer Sünde ist. Das kommt unter anderem daher, dass sie das Thema Sexualität und Sexualmoral so wichtig nehmen. Das ist noch ein Machtpolitisches Thema, dass sie seit Anfang 1900 begleitet. Damals hat sich viel verändert in der Welt. Die Machtstrukturen haben sich in der Industrialisierung verschoben weg von den einst mächtigen Adeligen zu den Großunternehmern. Dadurch haben alle angefangen, diese Strukturen zu hinterfragen. Die Frauen sind auf die Straße gegangen und haben Wahlrecht und Selbstbestimmung gefordert. Das hat vielen Männern und auch einigen Frauen Angst gemacht, weil dadurch die Machtverhältnisse erneut gemischt worden. Es gab eine große Gruppe konservativer Christ:innen, die da besonders Anstoß dran genommen haben, weil sie auch Angst hatten, dass sie auch Macht einbüßen. Also haben sie sich positioniert und in der Chicagoer Erklärung beschrieben, warum die die Bibel als Wort wörtlich verstehen und damit die alten Strukturen bekräftigt. Denn logischer Weise stehen in der Bibel viele alte Vorschriften, die wir heute als altbacken ansehen. Die ist ja auch vor tausenden Jahren entstanden. Hier kommt also zusammen, dass Männer (und wenige Frauen auch!) Angst hatten, die Machtstrukturen zu ändern und Trost in einem Buch fanden, dass sie dann aus dem Kontext gezogen haben. Diese starke Linie, die hat sich gehalten und gerade bei den Republikanern, die viel aus einer konservativen christlichen Ecke kommen, ist heute noch diese Angst da, dass sie ihre Macht verlieren, wenn sie sowas wie Abtreibung (dass ihren wortwörtlichen Bibelglauben widerspricht) zulassen. Und dann entsteht sowas, dass sie sich an so „banalen“ Fragen festhalten, um ihre Macht zu demonstrieren.
Wie du vlt siehst, hat das alles wenig religiöse oder Glaubenstechnische Hintergründe. Das ist eine kulturelle und politische Machtfrage und hat mit Religion an sich bzw. dem Glauben an Gott nicht mehr zu tun.