Vorweg: Meine Grundausbildung ist jetzt genau 13 Jahre zurück - das war noch eine andere Bundeswehr. Trotzdem habe ich über entsprechende private Kontakte und andere Informationswege noch immer einen ganz guten Einblick in die Truppe und kann noch immer ganz gut mitreden ;-)
Also:
Welche Meinung hast du zu der Serie?
Ich bin etwas zwiegespalten: Auf der einen Seite finde ich es bemerkenswert, welche - ganz objektiv - modernen Wege die Bundeswehr zu gehen bereit ist, um ihre Personalpolitik neu zu organisieren. Verglichen mit anderen Streitkräften hat die Bundeswehr mittlerweile einen wirklich gut gemachten Youtube-Kanal, auch die Homepage ist modern und recht ansprechend gestaltet. Die Serie "Die Rekruten" ist sicher ein interessanter Versuchsballon, allein schon dadurch, dass sie eine gewisse breitere Aufmerksamkeit für die Bundeswehr weckt und Diskussionsstoff bietet.
Auf der anderen Seite sehe ich die (auf jugendliches Zielpublikum zugeschnittene) Machart der Serie durchaus kritisch. Der Selfie-Stil mit kommentierenden Einblendungen, Sound- und Grafikeffekte wirkt cool und witzig - gerade das sollte eine realistische Doku, die bewusst einen objektiven Anspruch hat, nicht mitbringen. Aber gut - man denkt wohl, das würde jugendliches Publikum ansprechen. Auch dass sich die Ausbilder auf der begleitenden Homepage mit pseudo-brachialen Mottos vorstellen und in überlegener Pose mit aufgesetzter Boot-Camp-Miene in die Kamera blicken, ist in meinen Augen schlicht falsch. Ich würde mich sehr schwer tun, einen solchen Poser als Vorgesetzten wirklich ernstzunehmen: https://www.bundeswehrkarriere.de/dierekruten/ausbilder
Grundsätzlich kann man der Serie sicher nicht vorwerfen, einseitig nur Positives zu zeigen - bereits jetzt wurden für die Rekruten sicher nicht angenehme Erlebnisse ungeschönt gezeigt, und nach knapp zwei Wochen fährt eine Grundausbildung erfahrungsgemäß erst langsam hoch. Ich bin auch erstaunt, dass die Ausbilder durchaus auch die althergebrachten Sprüche bringen und durchaus auch laut werden - das finde ich besonders wichtig und wertvoll. Würde das fehlen, hätte man definitiv "geschummelt".
Die Stimmung unter den Rekruten ist ähnlich dem, was ich kenne - man hält irgendwo zusammen, man lacht und man heult sich aus. Dadurch entsteht Kameradschaft, das dürfte heute nicht anders sein als vor 15 oder 50 Jahren.
Grundsätzlich finde ich es seltsam, dass man ausgerechnet eine Grundausbildung bei der Marine zeigt - das ist mit Abstand die kleinste Teilstreitkraft und auch ausgerechnet diejenige, die die "klassische" infanteristische Ausbildung (aus durchaus nachvollziehbaren Gründen) am ehesten zusammenkürzt (ich kenne einen Kapitänleutnant und einen Oberleutnant zur See, die in ihrer gesamten Dienstzeit kein einziges Biwak absolviert haben, das nur zur Untermauerung). Rein vom körperlichen Anspruch her wäre eine Ausbildung beim Heer und dort z.B. bei den Panzergrenadieren oder der Jägertruppe sicher allgemein aussagekräftiger gewesen.
Eine Sache wird die Serie denke ich definitiv leisten - es wird mehr über die Bundeswehr gesprochen, und einige junge Leute werden ein etwas realistischeres Bild von der Truppe erhalten. Ich denke, dass sich die Bundeswehr mit ihrer Schönwetterwerbung im Stil eines Abenteuercamps mit tollen, möglichst unmilitärischen Berufsbildern in den letzten Jahren ein ordentliches Eigentor geschossen hat. Dass man aber als Soldat als Kämpfer an der Waffe ausgebildet und eingesetzt wird, ist für viele mittlerweile - schockierenderweise! - erklärungsbedürftig. Ich hoffe, dass die Serie hier ein wenig Realität zurückholen wird.
Mein Fazit: Eine Machart, die klar einer jugendlichen Zielgruppe zugeordnet ist (nicht mein Bier), ein Schauplatz, der nicht unbedingt der naheliegendste ist (warum Marine und nicht Heer?) und dennoch mit einigen Lichtblicken in Hinblick auf Ehrlichkeit. Ob es etwas bringt, werden die die Bewerberzahlen der nächsten Jahre zeigen.