GhostOA hat schon einiges gut auf den Punkt gebracht. Ein paar Aspekte möchte ich gern noch ergänzen:
Im Moment ist im Bereich der Ersatzteile ein absoluter Tiefpunkt eingetreten. Heißt: Unter Minister Guttenberg geplant und dann durch de Maiziere 2012 umgesetzt, wurde aus Kostengründen für nahezu alle relevanten Großsysteme (Panzer, Hubschrauber, Flugzeuge...) die sog. "Ersatzteilbevorratung" aufgegeben bzw. wesentlich eingeschränkt. Das bedeutet ganz einfach, das regelmäßig benötigte Ersatzteile (ganz banale Dinge wie Einspritzpumpen oder Ölleitungen) für die Waffensysteme nicht mehr auf Vorrat gehalten wurden. Man nahm bewusst in Kauf, dass die Bundeswehr von ihren Depotbeständen leben oder andere Systeme zum Einsatzerhalt "kannibalisieren", also die Teile einfach aus anderen Fahrzeugen ausbauen musste. Man glaubte, dass ohnehin nur noch Auslandsmissionen mit einem sehr geringen Bedarf an schwerem Gerät nötig sein würden und dass man so schon irgendwie über die Runden kommen könnte. Das hat sich heute geändert - und jetzt ist der Boden des Fasses erreicht. Die Depots sind leer, es gibt keine oder kaum Fahrzeuge zur Kannibalisierung mehr - der Tiefpunkt ist erreicht. Und dann können Systeme an sich noch so gut oder noch so leistungsstark sein - wenn die Einspritzpumpe ausgetauscht werden muss und es keine neue gibt, dann steht der Panzer und bleibt stehen. Punkt.
Man muss wissen, dass man solche Ersatzteile auch nicht einfach mal schnell einkaufen kann. Das sind oft Spezialteile, die von den Zulieferfirmen in separaten Produktionsschleifen gefertigt werden. Mit dem Ende der Bevorratung 2012 haben viele Firmen genau diese Schleifen reduziert oder gar ganz abgebaut - manchmal sogar das entsprechende Know-How abgebaut. Es dauert oft Jahre, bis diese Prozesse wieder in Gang gebracht werden können - denn es muss sich für die Firmen ja auch lohnen, solche Kapazitäten wieder aufzubauen. Dazu kommen irrsinnige Dinge wie z.B. das nach EU-Recht nötige europaweite Ausschreiben von Beschaffungen über ein Jahr (!), was noch mehr Zeit auffrisst. Und diese Zeit hat die Bundeswehr in ihrer momentanen Verfassung nicht mehr.
Dann kommt noch ein ganz anderer Aspekt hinzu: Die zur Zeit zulaufenden neuen Systeme leiden an Kinderkrankheiten, die ihre volle Einsatzfähigkeit erheblich verzögern (NH90, Schützenpanzer Puma...). Das hat damit zu tun, dass die Bundesregierung sich bis heute schwertut, klar zu sagen: Das System brauchen wir mit den und den Fähigkeiten in der und der Stückzahl, das kostet soundsoviel. Denn das kostet immer auf einen Schlag ganz viel Geld, und außerdem möchte man ja möglichst wenig bei den Wählern den Eindruck von Aufrüstung etc. erwecken. Ergebnis: Man bestellt ein absolutes Minimum an Stückzahlen, das oft nicht für den Grundbedarf ausreicht, dazu oft nur eine möglichst simple Basisversion - die dann über Jahre nachgerüstet werden muss, damit sie das kann, was sie eigentlich können soll. Das kostet dann im Endeffekt viel mehr Geld, als wenn man gleich die vollausgerüstete Variante bestellt hätte, und weil die Stückzahlen so gering sind, kostet ein Exemplar oft viel mehr als bei einer wirklichen Massenbestellung. So geschehen beim NH90 (den komischerweise alle anderen Nutzerstaaten mittlerweile nahezu problemlos betreiben), beim GTK Boxer, beim Spz Puma und beim A400M. Nur als Beispiel: Deutschland beschafft für seine Panzergrenadiere aktuell 350 Puma. Die britische Army, die derzeit ebenfalls einen neuen Schützenpanzer beschafft, hat für ihre insgesamt etwas kleinere Grenadiertruppe sage und schreibe 1.000 Stück geordert. Fällt etwas auf? Um allein die 9 deutschen PzGrenBataillone voll auszustatten, wären mindestens knapp 400 Puma nötig - ohne Ausbildungsfahrzeuge und einen Puffer für Wartung und Reparatur. Auch für den GTK Boxer stand von Anfang an die militärische Forderung nach rund 700 Stück im Raum - beschafft wurden in einem 1. Los 272, in einem 2. Los 131 Stück - rund 400 im Ganzen, bis heute. Die entsprechende Liste ist lang.
Das führt dann dazu, dass alte Systeme sehr kostenintensiv sehr viel länger im Dienst gehalten werden müssen, um die bestehenden Lücken bei den neuen Systemen zu füllen. Genannt seien nur das Transportflugzeug Transall und der Schützenpanzer Marder. Die Bundeswehr braucht also sehr viel Geld, um die oft unzureichende Beschaffung der neuen Systeme fortzuführen, und noch mehr Geld, um die alten Systeme am Leben zu erhalten, die diese unzureichende Beschaffung kaschieren müssen.
Was das Personal angeht - hier geht es tatsächlich ganz langsam aufwärts. Aber auch hier gibt es ein wesentliches Problem: 2012 wurden viele erfahrene Fachleute aus der Truppe "hinausgelobt", um die angedachte Verkleinerung der Truppe zu beschleunigen. Mit ihnen ist ein riesiger Pool an Fachkompetenz verlorengegangen, der zur Ausbildung der jetzt nachrückenden neuen Generation dringend benötigt würde. Denn die wenigen erfahrenen, voll ausgebildeten Fachleute müssen heutzutage in die zahlreichen Einsätze - Ausbildung in der Heimat läuft dann nicht. Und wenn sie laufen könnte, existiert wiederum das Problem mit den unzureichend verfügbaren Systemen für die Ausbildung. Besonders krass ist das bei den Hubschraubern. Insofern ist der Treppenwitz mit den geleasten ADAC-Hubschraubern tatsächlich eine Verbesserung für die Truppe - die Piloten können dann wenigstens mit irgendetwas fliegen.
Kurz und gut - um aus diesem Irrsinn herauszukommen, muss es zwei Dinge geben: Eine zumindest mittelfristig deutlich höhere Summe im Verteidigungsetat, aber v.a. eine endlich effektivere und vor allem entschlossenere Materialbeschaffung. Man darf gespannt sein...