Ich erkrankte an Bulimie, als ich 19 Jahre alt war. Ein Jahr lang hatte ich in regelmäßigen Abständen, circa jede 2. Woche, Fressattacken. Meine Lage war nicht aussichtslos-ich lag nicht im Sterben, aber es fiel meinem Umfeld sehr auf und sie fragten immer nach, ob alles okay wäre. Ich bin circa 1,70 groß und wog circa 60 kg vor der Bulimie...während der Bulimie wog ich 49 kg und danach circa 70 kg. Damals ging ich nicht zu einer Therapeutin. Ich bekam es einigermaßen selbst in den Griff...ich war nach all den Strapazen molliger als je bzw. molliger als vor der Bulimie, aber ich akzeptierte die Konsequenzen der Esssucht.
Als ich 23 war, fing es erneut an. Ich wollte nie in eine Klinik gehen; doch mit 23 Jahren besuchte ich eine Therapeutin. Blöderweise fand ich das Gespräch recht sinnfrei. Als ich ihr erzählte, dass ich ab und zu riesigen Appetit auf Süßigkeiten habe und mehrere tausend Kalorien in Rekordzeit verschlingen könnte, schaute sie mich an und meinte "Dann lassen Sie das sein." Ich werde heute noch aggressiv, wenn ich an ihren empathielosen Gesichtsausdruck denke. Dann ging ich zu einer anderen, besseren Therapeutin; fragte mich aber auch nach dieser Sitzung, wie sie mir konkret helfen könne? Sie könne mich ja nicht 24 Stunden 7 Tage die Woche überwachen...also gab ich auf. Ich wollte es alleine hinbekommen. Diese Bulimie-Phase dauerte viel kürzer an, circa 2 Monate. Danach fing ich an regelmäßig ein wenig zu joggen, mich bewusst zu ernähren etc. und die Bulimie verschwand gänzlich. Ich musste mich allerdings sehr zusammenreißen!
Ich bin vor Kurzem 25 Jahre alt geworden und habe momentan wieder Bulimie, aber auch nun habe ich keinerlei Interesse an einer Therapie. Für viele Leute wird mein Handeln nicht einleuchtend sein und das kann ich verstehen...aber ich bin fest davon überzeugt, dass man seine Probleme alleine lösen muss, damit das Gesund-sein längerfristig bestehen bleibt. Wenn ich erst mal anfange, regelmäßig eine Therapeutin zu besuchen, werde ich das Gefühl haben, dass mein Leben nur funktioniert, wenn ich eine Therapie mache. Und bei jedem noch so kleinem Rückfall, werde ich mich erneut in Therapiesitzungen flüchten. Darauf kann ich gut verzichten. Im Endeffekt versuchen Therapeuten die traumatischen Erlebnisse ihrer Patienten aus der Vergangenheit aufzuarbeiten, doch die konkrete Arbeit muss man trotzdem alleine bewältigen. Man muss alleine in den Supermarkt gehen, zu Gemüse und Obst greifen, den Einkauf nach Hause tragen, das Essen zubereiten, es gründlich kauen, dem Drang es zu erbrechen widerstehen und sein Workout, Yoga etc. erledigen. Punkt. Es steht niemand da, der einen anfleht es zu tun. Man muss sich selbst dazu ermutigen gesund zu leben und engagiert sein.
Nennt mich pessimistisch, aber...Bulimie verschwindet nie gänzlich...sie kommt immer wieder, ABER man lernt die Sucht zu kontrollieren und deshalb dauert sie sehr kurz an.
Kopf hoch ^ . ^