In gewisser Weise vertritt der alte Mann, der den Jungen von der hoffnungslosen und auf Dauer todbringenden Wache am "Grab" der verschütteten Angehörigen zumindest nachts erlösen will, den barmherzigen Gott, der angesichts der Verwüstungen in der Zeit fehlte. Borchert geht es um ein Stück Barmherzigkeit und das Schenken von Leben (Kaninchen, damals eine Kostbarkeit!), für das der Junge mit einer Zukunftshoffnung sorgen soll, statt sich in das "lasst die Toten die Toten begraben" einzumischen. Der alte Mann (als alter vergrämter Mann tritt er hoffnungsloser in Borcherts "Drauen vor der Tür" auf) kann hier einen Anfang von Hoffnung schenken. Deute doch einmal den Schluss, in dem der alte Mann in die Sonne schreitet, entsprechend und nicht als sexuelle Anspielung oder pädophile, weil ihm die untergehende Sonne durch die O-Beine scheint.www.lyrik-abc.de
Meiner Erinnerung nach soll Lady Milford mit dem "Abfindungsgeschenk" der Diamanten dazu bewegt werden, in die Scheinehe mit dem jungen Mann, der eigentlich seine "Luise Millerin" liebt, aber von seinem Vater aus egoistischen Karrieregründen zur Einwilligung bewegt werden soll, einzuwilligen, um dem Fürsten trotz dieser Heirat weiterhin als Mätresse zu dienen. Lady Milford weist dieses unanständige Angebot zurück, weil sie sich zu dem jungen Mann tatsächlich hingezogen fühlt und die unanständige Beziehung zum Fürsten beenden möchte. Außerdem hat sie erfahren, dass insofern Blut an diesen Diamanten klebt, als der Fürst dafür ein kleines Heer zum Einsatz im amerikanischen Freiheitskampf an die Engländer verkauft hat. Aus dieser merkwürdigen Dreieckssituation entwickelt sich der weitere tragische Verlauf, in welchem drei Personen um ihre Liebe kämpfen und scheitern. Daher kann diese Stelle als Schlüsselszene angesehen werden. Was Schiller zu seiner Zeit vermitteln möchte, kann man nur raten. Zum einen kritisiert er natürlich die Aristokratie und deren Handeln, zum anderen setzt er wohl der (in dieser Zeit und unter diesen Umständen chancenlosen) wahren Liebe ein Denkmal. Inwiefern und inwieweit er sich dabei der shakespearschen Idee aus "Romeo und Julia" bedient, mag jeder selbst bedenken. www.lyrik-abc.de
Da kannst du nie sichere Aussagen treffen. Du darfst höchstens nach Erforschung der Biografie des Autors nach Übereinstimmungen suchen. Am Ende bleiben das aber auch unsichere Vermutungen, denn ein Autor kann sich schließlich auch hinter einem lyrischen Gegen-Ich bewusst verstecken. Es gibt demnach kaum sichere Erkennungszeichen!www.lyrik-abc.de
Es gibt verschiedene Wurzeln, die sich zum eine aus der Merkfähigkeit begründen, da Gereimtes sich bei der ehemals nur mündlichen Überlieferung leichter merken ließ. So wurden lange Heldenballaden bei Hofe vorgetragen, wobei "Hof" durchaus als Gehöft eines etwas reicheren Gebietsbeherrschers verstanden werde kann. Zum anderen erklären sich Gedichte aus der Lust des Menschen an sich wiederholenden Klängen. Aus dem damaligen - manchmal fast zwanghaften - Reimen entstand später eine reimlose Kunstform, die sich mehr darauf richtete, Gedanken in verdichteter Form an andere Menschen zu vermitteln, die fähig waren, diese Verdichtung wieder zu entschlüsseln. Und hier bestehen heute die meisten Möglichkeiten, sich miss- zu verstehen oder nur Anregungen aus den Gedanken zu nehmen, die man versteht.www.lyrik-abc.de
Das Gedicht spielt auf das alte "Ich bin din, du bist min, verloren ist das slüsselin, du bist in meinem herzen drin" an. Ich halte es vür eine merkwürdige Adaption, ergänzt um den CODE. Wenn du genau hinschaust, vetritt der "Mann" immer noch das Recht, in seinem Kopf den CODE für die Liebe zu haben und die Liebe der Frau im "Glastresor" von deren Brust verschlossen zu halten. Eine Frau sollte sich über ein solches Gedicht meiner Meinung nach weniger freuen, es sei denn, sie liebt Macho-Gehabe!www.lyrik-abc.de
"Mein ist die Rache redet Gott". Wie du in der Ballade erkennen kannst, macht sich der Hugenotte nicht an dem Verbrecher, der seine Frau unter entsetzlichen Qualen gemordet hat, nicht seine Hände schmutzig. Er verzichtet auf die persönliche Rache und gibt dem Täter damit eine Chance, sich mit seinem Verbrechen zu befassen und durch Reue eine Reinigung herbeizuführen. Er zeigt dem Verbrecher, der im Namen des Königs (von FRankreich) irdisch und falsch gehandelt hat, dass es über dem König von Frankreich eine höhere moralische Instanz gibt, die alles registriert und am Ende urteilt.www.lyrik-abc.de
Witz und tiefere Bedeutung darfst du beim Alleinunterhalter und bezahlten Witzbold Heinz Erhardt nicht immer so ernst suchen, wie du es tust. Der Dichter will nur auf amüsante Weise einenen wenig lustigen Vorfall erzählen. Wer Heinz Erhardt beim Vortrag erlebt, kann darüber lachen, dem Leser bleibt beim Nachdenken über den eigentlich sehr traurigen Vorfall das Lachen im Halse stecken. Um das zu mildern, schildert Erhardt aus der Ich-Perspektive. Die Reime sind gekonnt gesetzt und spaßig angelegt, z. B. Paradiese - Wiese. Und die Situation, dass "Flügel durch ein Hemd wachsen" ist wirklich komisch. Erhardt will also nur auf recht nette und komische Weise die Lacher auf seine Seite ziehen.www.lyrik-abc.de
"Blut ist dicker als Wasser" bedeutet, dass das "Blut der Herkunft", also die Familie bzw. der Verwandtschafts-Clan, bei Entscheidungen jeder Art mehr bedeutet als andere, neue Bindungen. Zu sehen am Königshaus in Spanien. Der dazu gekommene Schwiegersohn wird bei Verfehlungen aus dem Clan ausgeschlossen. Wäre die Tochter die Betrügerin gewesen, hätte man eine andere Lösung gesucht. Vielleicht ist auch Fontanes "Effie Briest" dafür ein Beispiel, obwohl hier zunächst der Codex der Schicht die "Rück-Aufnahme" der "sündigen Tochter" in ihre Herkunftsfamilie verhindert und bei der Beziehung Mutter Effie - (vom Vater "dressierte") Tochter Die Mutter daran leidet, dass der Vater bewusst verhindert, dass sich "Blut ist dicker als Wasser" verhindert bzw. dies einseitig für sich beansprucht,, woran Effie schließlich zerbricht.www.lyrik-abc.de
Schau nach bei "Poetik in Stichworten" hrsg. Ivo Braak, Hirts Stichwortbücher, unter "Verslehre". Da findest du folgenden Hinweis: "im dt. Vers ist bes. dieSilbenwucht maßgeblich. Man spricht von Starkton und Schwachton bzw. üblicherweise von Hebung und Senkung.. Statt Hebung spricht man auch von "Schlag". Wenn du unter "Alexandriner" nachschaust, findest du diesen unter "Taktreihen" als "steigenden Sechstakter" aufgeführt. Wenn du also Hebungen als Schläge und Senkungen als Füße nimmst, sollte dein Problem geklärt sein.www.lyrik-abc.de
Darein zuweilen Förderstellen blauen Lichtes jähe Hori- zonte reißen: Feuerkreis Von Kugellampen, Dächern, Schloten, dampfend, strömend .. nur sekundenweis Und wieder alles schwarz. Deine Frage zu dieser Stelle ist so zu beantworten: Ernst Stadler fängt einen Augenblickseindruck ein. (Eine Sekunde dehnt sich in Zeitlupe!) "Förderstellen blauen Lichts" dürften die Blitze des Stromabnehmers der Lok sein, welche plötzlich und für kurze Zeit zufällig etwas sichtbar machen, das bei der Fahrt in der Nacht sonst unsichtbar bleiben würde ="jähe Horizonte". Stadler beschreibt den Zug, wie dieser durch die Nacht von irgendwoher über die Rheinbrücke zum Bahnhof in Köln fährt. (siehe: "Bis wo die Stadt mit letzten Häusern ihren Gast entläßt. Und dann die langen Einsamkeiten.") Also: nicht nur auf der Brücke.www.lyrik-abc.de
Reiner Kunze
Sensible Wege
Sensibel ist die erde über den quellen: kein baum darf gefällt, keine wurzel gerodet werden
Die quellen könnten versiegen
Wie viele bäume werden gefällt, wie viele wurzeln gerodet
in uns
Textherkunft: Der Text stammt von Reiner Kunze. Er entstand etwa um 1954. Rainer Kunze lebte in der DDR. Textart: Es handelt sich um ein Gedicht. Textlänge: Das Gedicht umfasst nur 10 Zeilen. Informationsgehalt: Das Gedicht beschreibt die Gebote, welche bestehen, wenn es beispielsweise um die Rodung von Bäumen in Quellgebieten geht. Es erklärt die Gefahren, die bei der Nichtbeachtung bestehen und schließt die Frage an, wie viele solcher Eingriffe beim Menschen vorgenommen werden (im übertragenen Sinne), ohne dass sich jemand darum kümmert. wesentliche Aussage: Das Gedicht sagt im wesentlichen aus, dass der Mensch für die sichtbare Natur Rgeln des Umgangs gefunden hat, jedoch zuwenig auf Eingriffe in die "innere Natur" des Menschen in ihrer Verletzbarkeit achtet. sprachliche Mittel: Die Beschreibung der Eingriffe in die Natur erfolgt in drei Aussageblöcken von vier, zwei und drei Zeilen. Die Wendung auf die menschliche Situation erfolgt durch das abgesetzte "in uns". Damit wird der Leser zu einer zweiten Durchsicht angeregt. Die Wortwahl weist keine Besonderheiten auf. Es handelt sich um die Hochsprache. Addressaten: Der Dichter spricht alle Menschen an, die irgendeinen erzieherischen Umgang mit anderen Menschen haben, gleich ob aktiv oder passiv. Absicht: Vermutlich will der Dichter darauf aufmerksam machen, dass wir alle mehr darauf achten müssen, wie viel durch frühzeitiges oder vorzeitiges Eingreifen in die menschliche Natur an Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten verschüttet wird. formale Gestaltungsmittel: Der Dichter schreibt außer den Anfängen jeder Aussage alles klein und setzt ans Ende der Aussagen keinen Punkt oder kein sonstiges Satzzeichen. Es findet sich außerdem kein Reim. Die Aussagen werden in ihren Abschnitten recht willkürlich in Zeilen eingeteilt. Bei der Abhebung von "Sensibel" am Anfang des Gedichtes ergibt sich eine logische Funktion: es soll besonders betont werden. Ähnliches ist über die Einzelstellung des "in uns" zu sagen, das die Frage abschließt und neu stellt. Wirkung: Der aufmerksame Leser wird die Verbindung zwischen Natur und Mensch verstehen und das Anliegen des Dichters als berechtigt anerkennen. Manchen steht allerdings die Kleinschreibung des Dichters im Wege, da sie nicht zum Verständnis beiträgt. Meinung: Der Text hat mich sehr nachdenklich gestimmt. Ich finde die Aussage in doppelter Hinsicht treffend. Einerseits hat wohl Rainer Kunze seine Situation in der DDR dargelegt: alles ist durch die Partei vorbestimmt ohne Rücksicht auf Begabungen. Andererseits trifft mich die Aussage. Ich finde hier die Dauerfrage wieder, die ich mir immer wieder stelle, ob ich nämlich durch Vorzeichnen von Lösungswegen nicht die Kreativität des einzelnen einenge, der es allein schaffen würde, während ich der Mehrheit durch diese Wege überhaupt erst eine Lösungsmöglichkeit eröffne! Rainer Kunze drückt diesen Sachverhalt kurz und bündig in wenigen Zeilen aus.
Wenn du "Metrum" allein vom Metronom ableiten und als "Takt" nehmen würdest, hätte manches moderne Gedicht kein Metrum mehr, da es nicht zum Inhalt passen würde, eine aus dem Takt geratene Welt, Beziehung oder Gesellschaft zu beschreiben. Wenn du das Metrum etwas weiter auffasst und den Rhythmus dazunimmst, ergibt sich, dass das Gedicht immer noch durch freie Rhythmen eine sprachliche Bindung hat, welche die Gedanken des Dichtenden zusammenhält.www.lyrik-abc.de
Brecht sieht zum einen in einer gebrochenen Zeit keinen Sinn in gebundenen Formen, die über die freien Rhythmen hinausgehen. Zum anderen ist zu sagen, dass er das epische Element stärker und anders in die Lyrik hineinbringt. Aber das hat auf andere Weise bereits der Romantiker C.F. Meyer in seiner Ballade "Die Füße im Feuer" vollbracht, in der sich nur der Dichtername Meyer unrein auf "Feuer" reimt.www.lyrik-abc.de
Du hättest schreiben sollen, von wem das Gedicht ist. Du bist doch nicht der Guttenberg!
Zur Reimform, da sich keine Strophen finden, sei dir gesagt, dass auch freie Rhythmen ein Gedicht sprachlich und im Inhalt binden (können). Du solltest der Raspe einmal auf den "Zahn fühlen", wo sie die freien Rhythmen holpern lässt und wo sie Zäsuren in ihrem Lamento über die bösen Anderen setzt, vielleicht auch, wo sie angebliches Verständnis für die Anderen zeigt, die eine Bindung nicht halten können. Gehe also auf diese Schritte ein und kennzeichne sie: Das ist der Aufbau. Über die Logik beim Zeilenumbruch lässt sich dabei nicht streiten, da dies Sache ders Dichters ist. Aber Zweifel am Sinn darf man sicher anmerken! www.lyrik-abc.de