Die athenische Demokratie hatte einen etwas mehr „direktdemokratischen“ (wenn man so will) Charakter als die heutigen parlamentarischen Demokratien, weil die Volksversammlung (in etwa unseren Wahlberechtigten vergleichbar) intensiver in den politischen Prozess eingebunden war als der Durchschnittsbürger heutzutage.
Ob es sich aber allein deswegen schon um das bessere System handelt, wie der Fragesteller andeutet, darf bezweifelt werden. Einige Anmerkungen:
- Das Wahlrecht war strikt limitiert auf Athener, deren Eltern bereits athenische Bürger gewesen waren. Eingebürgerte blieben ebenso ausgeschlossen wie Frauen, von den Unfreien ganz zu schweigen.
- Auch die Volksversammlung gab Aufgaben an gewählte Organe (z.B. an den Rat der 500) und sogar an Einzelpersonen ab - die sogenannten Strategen, die umfassende Handlungsvollmachten besaßen. Nichts anderes wird bei modernen Parlamentswahlen vollzogen - das Prinzip der Repräsentation nämlich.
- Zudem kann man davon ausgehen, dass nicht alle Berechtigten an den Volksversammlungen teilnahmen; zu beschwerlich und zeitraubend war für viele die Anreise. Insofern waren diejenigen dauerhaft im Vorteil, die relativ zentral wohnten. Da haben es die heutigen Bürger selbst in abgelegenen Landkreisen wesentlich leichter.
- Der entscheidende Punkt aber ist: Schutz von Minderheiten vor Übergriffen der Mehrheit war nicht vorhanden. Wer in Athen wohnte, aber kein Bürgerrecht hatte, konnte jederzeit festgenommen und in die Sklaverei verkauft werden. Frauen hatten keine politischen Rechte.
Merke: Direkte Demokratie allein ist nicht sonderlich erstrebenswert, wenn Grundelemente des Minderheitenschutzes und der Gleichberechtigung fehlen. Dann doch lieber eine parlamentarische “Schein”Demokratie...
... wobei der Begriff Scheindemokratie mit Blick auf unser repräsentatives parlamentarisches System ohnedies irreführend und falsch ist.