Schwieriges und höchst emotionsbeladenes Thema. Ich habe mich mehrere Jahre aus aktuellem Anlass mit dem Islam und dem Alevitentum als eine "Strömung" befasst . Mein Ergebnis ist, dass ich immer noch nicht sagen kann, was das Alevitentum ist. Auch Aleviten vertreten verschiedene Ansätze und Ansichten, was die Sache verkompliziert.
Im Alevitentum gibt es keine schriftlich niedergelegten Quellen, daher meinen viele hiesigen Aleviten, dass es keine Speisevorschriften bzw. Verbote für sie gäbe.
Dabei ist - nur als kleines Beispiel - Hasenfleisch im Alevitentum verpönt.
Ob Schweinefleisch konsumiert werden darf, ist nicht klar entschieden, sondern höchst umstritten. Mein Eindruck ist, dass ein großer Teil alevitischer Geistlicher in Europa sich dem Koran nicht verpflichtet fühlt und sich nicht als muslimisch betrachtet, so dass ein Schweinefleischverbot keine religiöse Basis hat. Der Löwenanteil alevitischer Geistlicher in der Türkei hingegen betrachtet das Alevitentum nicht nur als Teil des Islam, sondern als die Essenz desselben. Das Schweinefleischverbot findet hier Anwendung.
Was das Alkoholverbot angeht, so wird die Meinung vertreten, dass der Alkohol nicht wirklich im Koran verboten ist. Eine Auslegung der auch einige sunnitische Rechtsgelehrte gefolgt sind.
Ob die Aleviten zum Islam gehören ist ebenfalls ein strittiges Thema: in Europa wird, wenn ich mich richtig erinnere, vornehmlich die These vertreten, dass das Alevitentum eine eigenständige Religion ist und nichts mit dem Islam zu tun hat. (Man möge mich bitte korrigieren, falls ich mich irre.)
Diese Strömung lehnt den Koran ab und pocht auf fundamentale Unterschiede zwischen dem Sunnitentum, welches als "der Islam" schlechthin gewertet wird und dem Alevitentum. So glauben die Aleviten zum Beispiel nicht an ein Paradies, sondern an die Reinkarnation nach dem Tod. Dabei wurde die Idee der Reinkarnation auch von einigen sunnitischen Rechtsgelehrten vertreten, weil sich eine solche Interpretation aus dem Koran selbst herleiten lässt.
Diese Strömung kommt auch in Erklärungsnot, warum der alevitische Gottesdienst durch und durch mit islamischen Motiven durchtränkt ist, Verse aus dem Koran rezitiert werden und die zentralen Figuren des Alevitentums, die wichtigsten Figuren des Islams sind. Erklärungsversuche, dass diese Motive aus Zwang in das Alevitentum Einzug gefunden haben, lassen sich in Europa nicht halten, da es hier, anders als in der Türkei, keine Alevitenverfolgung gibt. Fraglich ist auch, was vom Alevitentum übrig bleibt, wenn man aus ihm sämtlichen Islam entfernt.
Die Hauptströmung in der Türkei sieht das Alevitentum als die Essenz des Islams an.
Argumente die für die "Essenz-These" sprechen, lassen sich aus dem oben gesagten ableiten. (Man möge mich bitte korrigieren, falls ich mich irre.)
Doch auch diese Strömung kommt in Erklärungsnot, wenn sie etwa einen integralen Bestandteil des alevitischen Gottesdienstes, den Semah Tanz aus dem Koran bzw. der Tradition des Propheten erklären muss. Musik mit einer aus Zentralasien stammenden Laute und ein Tanz, der stark an Schamanentänze erinnert, wird sich kaum in Einklang mit dem Islam bringen können.
Auch hier muss man sich fragen, was vom Alevitentum übrig bleibt, wenn man alles nicht islamische aus ihm entfernt.
Das Alevitentum enthält also Bestandteile des Islam , doch sind auch andere Bestandteile im Alevitentum gegeben, die mit dem Islam nichts zu tun haben.
Beide Bestandteile sind wichtig und für das Alevitentum prägend. Entfernte man den Islam aus dem Alevitentum, so hätte man das Alevitentum "entkernt". Entfernte man die nicht zum Islam gehörigen Elemente, so bliebe nur eine politische Strömung innerhalb eines sehr frühen und daher nicht ganz ausgereiften Islam zurück. Beide Teile gehören also unzertrennlich zusammen.
Ob Aleviten Muslime, oder Nichtmuslime sind, entscheiden letztlich die Anhänger. Nur das Selbstverständnis macht aus einem Aleviten einen Moslem oder Nichtmoslem.
Ebenso verhält es sich mit der Konsumption von Schweinefleisch.
Beide Ansätze sind legitim und verdienen Respekt.
Eine pauschale Antwort kann und muss daher nicht gegeben werden.
Lasst die Leute doch essen und trinken was sie wollen. Glauben und sich definieren als was sie wollen. Warum interessiert es die Menschen überhaupt, was in den Magen der anderen geht, oder wie das Seelenheil aussehen soll? Als hätten wir unsere Erlösung bereits in der Tasche....
Oh ich vergaß, die haben wir. Thank you Jesus! :)